Wenn Apple die Trends der Smartphone-Welt diktiert, dann war zuletzt offensichtlich: Randlose Displays sind gefragt, möglichst mit OLED. Und: Die Kunden sind offenbar bereit, 1.100 und noch mehr Euro dafür zu bezahlen.
Schon vor der aktuellen Photokina 2018 in Köln zeigte sich: Die Foto-Branche hat ihr ganz eigenes iPhone X gefunden. Heilsbringer sind nun endgültig spiegellose Systemkameras – aber bitteschön mit Vollformatsensoren!
Einstiegssegment? Lieber gleich eine Vollformatkamera!
Lange Jahre trommelte die Industrie im Einstiegssegment vor allem für Megapixel, hohe ISO-Zahlen und eine clevere Bildautomatik. Das reicht heute nicht mehr. Wer nur hin und wieder ein paar schöne Fotos machen will, greift immer öfter zu einem Smartphone mit guter Kamera und lässt eine Kompaktkamera oder Spiegelreflex gleich ganz links liegen. Wenn man schon eine schwere Kamera mit sich herumschleppt, dann soll sie bitteschön erheblich bessere Bilder machen.
Die Industrie hat das erkannt und lobt nun größere Bildsensoren aus. Vollformat scheint dabei der neue Heilsbringer zu sein. Die Faustregel: Je größer der eingebaute CMOS-Sensor ist, desto mehr Details kann er einfangen und desto besser werden dann auch die Fotos. (Eine gute sonstige Optik und ein Fotograf, der sie einzusetzen weiß, natürlich vorausgesetzt.)
2.500 Euro für Vollformat – auch nur 1.000 mehr als für ein iPhone Xs Max
Und wenn das etwas mehr kostet, dann ist das eben so. Rund 2.500 Euro soll die neue Canon EOS R ebenso kosten, wie die Nikon Z6. Objektive und Zubehör sind da noch gar nicht im Preis enthalten. Aber wer 1.500 Euro für ein großes iPhone Xs Max berappen mag, der scheut derartige Investitionen wohl auch nicht mehr. Oder er greift gar zur Fujifilm GFX-50R. Fujis Neue hat gar einen noch größeren Mittelformatsensor spendiert bekommen und ist mit 4.500 Euro – vergleichsweise – erschwinglich.
Der Trend zu größeren Sensoren ist unverkennbar. Zuletzt ist sogar die Smartphone-Industrie darauf angesprungen. Das iPhone Xs soll einen größeren Sensor verbaut haben als der Vorgänger iPhone X. Huawei wirbt im P20 Pro mit einem für die Bauweise tatsächlich enormen 1/1.7-Zoll-Sensor. Und selbst Einstiegskameras wie die Sony Cybershot RX100 VI oder die Panasonic Lumix TZ-202 setzen nun auf ein größeres 1-Zoll-Format statt den kleineren Sensoren der Vorgänger.
Die Botschaft ist klar: Die Menschen sollen wieder für die hervorragende Bildqualität großer Kameras sensibilisiert werden. Da der Preis nun immer weniger eine Rolle zu spielen scheint, heißt das Alleinstellungsmerkmal nun: große Sensoren.
Instagram und Co.: Immer häufiger mit einer Profikamera
Auf einem gut besuchten Vortrag auf der Community Stage der Photokina 2018 gab Instagramer Michael Schulz Tipps, wie man Bilder für die Foto-App optimiert. Eine eigene Kamera habe er anfangs gar nicht besessen. 2010 gestartet, habe er anfangs nur mit dem Smartphone fotografiert und seine erste Kamera erst 2014 gekauft. Mittlerweile besitze er eine vollumfängliche Foto-Ausrüstung.
Auch an solche Nutzer will die Industrie natürlich heran. Auch für Instagramer ist der Anspruch heute deutlich gestiegen. Wer sich von anderen abheben will, muss das mit besonderen Motiven tun – und einer besseren Bildqualität. Und schon längst setzen die bekanntesten Accounts heute vornehmlich auf Profi-Equipment. Die Bilder werden direkt drahtlos ans Smartphone geschickt und dort in das Social Network eingestellt.
Vollformat für 1.000 Euro
Neben großen Sensoren erkennt man bei den Kameraschwergewichten auch ein ähnliches Preisgefüge wie bei Apple. Die neue Spitzenklasse Canon EOS R für rund 2.500 Euro, Nikon Z7 für 3.800 Euro und Fujifilm GFX-50R für 4.500 Euro markieren nun die Luxuslinie. Darunter gibt es einen ganzen Rattenschwanz an günstigeren Vollformat-DSLRs, die man – alt oder gebraucht – teils schon für unter 1.000 Euro schießen kann. Ähnlich wie Apple, das neben dem iPhone Xs zahlreiche Altmodelle wie iPhone 8 oder iPhone 7 einfach für weniger Geld im Programm behält.
Bildsensoren grafisch dargestellt: Vom Mini-Smartphone-Sensor bis zur Vollformatkamera
Die Kunden werden neu sensibilisiert. Sie werden nun zukünftig ein Auge auf größere Sensoren werfen. Lieber Vollformat als 4/3-Zoll, lieber Mittelformat als APS-C. Die Jahre, in denen die Kameraindustrie nicht so recht eine Antwort auf den Siegeszug der Smartphone-Kameras fand, scheinen vorbei zu sein. Das neue Allheilmittel ist teuer, aber das muss ja nicht unbedingt ein Problem sein.
Schaut euch auch die Zeiss ZX1 an. Sie ist für mich die innovativste Kamera der Photokina 2018.
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