Wer die letzten zwei Jahre nicht gerade in einem Chalet auf dem Mond verbracht hat, dürfte mitbekommen haben, dass da gerade eine KI-Welle durchs globale Dorf rollt. Allein Apple hatte sich bei dem Thema lange vornehm zurückgehalten. Das auf der hauseigenen Entwicklerkonferenz WWDC 24 vorgestellte Apple Intelligence allerdings bringt endlich hochspannende KI-Anwendungen auf Apple-Geräte. Da lassen sich Texte per Knopfdruck umschreiben, Fotos per Sprachbefehl auswählen und optimieren oder kontextuelle Bilder erzeugen – alles direkt ohne Internetverbindung auf einem iPhone oder Mac. Und sollte das noch nicht genug KI sein, können Nutzer:innen passender Apple-Geräte schnell auf ChatGPT zugreifen.
Apple Intelligence: Möglichkeiten aus der KI-Traumfabrik
Um dir mal nur einige der neuen Möglichkeiten vorzustellen:
Systemweit auf Mac, iPad und iPhone kannst du Texte von der KI umschreiben, bearbeiten oder vom System gleich selbst schreiben lassen. Die E-Mail, die du gerade an deine Chefin schreibst, klingt irgendwie flapsig? Dann verpasse ihr mit Rewrite einen formellerem Ton.
Das Memo des Kollegen ist zu lang zum Lesen? Du willst nur schnell die Inhalte einer langen Webseite als Stichpunkte haben? Mit Summary soll das möglich werden:
Du bekommst etliche Mails von einem Absender, zum Beispiel einer Fluggesellschaft, brauchst jetzt aber nur schnell die Daten für deinen anstehenden Flug? Kein Problem: Apple Intelligence will dich relevante Informationen aus langen Unterhaltungen deutlich schneller finden lassen und sie dir mit Priority Messages in dem Moment anzeigen, in denen du sie brauchst.
Wenn zahlreiche Benachrichtigungen aus diversen Chatgruppen bei dir einflattern, du aber gerade keine Zeit hast, dich mit Unwichtigem zu befassen, will Apple Intelligence „wissen“, welche davon wichtig sind. Der neue Fokus Reduce Interruptions lässt nur wichtige Benachrichtigungen durch.
Telefonate zusammenfassen, kontextbasierte Bilder erstellen lassen
Telefonierst du und möchtest das Gespräch mitschneiden lassen, kann Apples KI daraus eine Zusammenfassung erstellen. Die Gesprächsteilnehmer sollen darüber natürlich informiert werden. Ob das mit deutschem Recht so vereinbar ist, ist allerdings noch die Frage.
Image Playground soll dir helfen, ganz einfach eigene Bilder erstellen zu lassen. Das soll innerhalb anderer Apps wie Notizen oder Nachrichten oder auch als eigenständige App möglich sein. Spannend dabei: Du sollst die Bilder kontextbasiert erstellen lassen und auch so genannte Genmojis erzeugen können. Hast du deiner Mutter etwa gerade geschrieben, dass sie eine Superheldin für dich ist, bietet dir Image Playground gleich einen Cartoon deiner Mutter als Superheldin an, den du direkt verschicken können sollst.
Image Wand (wand = Zauberstab) soll deine Skizzen zu perfekten Bildern und Grafiken machen können. Hast du etwa bei Freeform oder in Notizen behelfsmäßig ein Zauberschloss gekrakelt, erkennt die KI, was du darstellen wolltest und erstellt daraus auf Wunsch das Bild eines richtigen Zauberschlosses.
Siri bekommt nicht nur ein neues Logo, sondern soll endlich viel bessere Antworten liefern. So sollst du mit einem Sprachbefehl genau die Bilder finden können, nach denen du suchst, etwa mit dem Befehl: „Zeige alle Bilder mit Andy, in denen er ein Froschkostüm trägt“. Das soll künftig auch mit geschriebenen Befehlen gehen (Text to Siri). Eine Suche nach speziellen Ereignissen soll dann sogar innerhalb eines Videoclips möglich sein. Apples AI will dann genau die richtige Stelle finden.
Dass Siri dann die Inhalte auf deinem Bildschirm kontextuell besser zuordnen soll, ist da fast schon eine Nebensächlichkeit. Wenn du dann etwa „Schicke die Bilder an Andy“ sagst, „weiß“ die KI, dass du die Bilder im Froschkostüm meinst und auf welcher App du Andy für gewöhnlich Bilder schickst.
Dazu gehört auch eine Erinnerungsfunktion, ähnlich wie Microsoft sie kürzlich in Windows Recall vorgestellt hat – nur viel subtiler. „Zeig mir nochmal den Trendblog-Artikel, den ich neulich gelesen habe“, kann dann ein solches Wiederauffrischen lauten, oder „Öffne den Podcast, den Sven mir neulich empfohlen hat.“
Saubere Bilder, ChatGPT
Dass Apples Foto-App künftig auch eine Clean-up-Funktion erhalten soll, die störende Elemente aus Bildern entfernt – etwas, was mit Google Fotos und mit Samsungs Galaxy S-Modellen schon seit längerem möglich ist – ist dann fast nur noch ein schöner Bonus.
Apple Intelligence soll in den meisten Fällen systemseitig funktionieren, also ohne dass iPhone, iPad oder Mac die teils sehr persönlichen Anfragen über das Internet mit Apples Rechnern teilen. Allerdings soll das nicht für alle Anfragen möglich sein. Da, wo es nicht geht, verspricht Apple Private Cloud Computing einzusetzen, anonymisierte Server-Anfragen für Apple Intelligence.
Ähnlich läuft es mit Anfragen für ChatGPT. Denn auch unser aller persönlicher KI-Assistent soll im Rahmen einer Kooperation mit dem Anbieter Open AI zuschaltbar werden. Das eignet sich für Fälle, in denen Apple Intelligence nicht weiter weiß. Etwa, wenn du dir aus noch vorhandenen Zutaten ein Rezept erstellen lassen möchtest.
Fazit: Wow – aber!
Die Anwendungen, die Apple Intelligence möglich macht, werden nicht Apples erste KI-Anwendungen sein. Es gibt derer längst zuhauf etwa in iPhones, oft ohne dass Nutzer:innen davon wissen. Die iPhone-Texterkennung in Bildern etwa gehört dazu oder das nachträgliche Aufhübschen von Fotos.
Die neuen Möglichkeiten allerdings gehen gleich zwei Schritte weiter: Apple greift damit auf moderne LLMs zu, wie wir sie in ChatGPT, Google Gemini, Claude und anderen kennengelernt haben, und verknüpft sie mit den persönlichen Daten und Apps jeder Nutzerin und jedes Nutzers. Wenn all das so gut funktioniert wie in den Demo-Videos gezeigt, dann ist das das spannendste, was Apple seit Jahren auf den Markt gebracht hat.
Im Teaser sprach ich allerdings von zwei Haken. Und die dürften deutschen Nutzer:innen mit älteren Apple-Geräten nicht gefallen. So soll Apple Intelligence ab iOS 18/iPadOS 18 und macOS Sequoia zunächst nur englischsprachigen Nutzer:innen in einer Beta-Version zur Verfügung stehen. Immerhin: Wer von Deutschland aus seine Geräte auf Englisch (USA) umschaltet, soll Apple Intelligence nutzen können. Dafür braucht er oder sie allerdings moderne Apple-Geräte. Die KI-Spielereien sind nur für Macs und iPads mit einem M1-Chip oder neuer verfügbar, sowie nur für Nutzer des derzeit neuesten und besten iPhone 15 Pro (Max).
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