Wir brechen heute ein Tabu und sagen: Zu viele gute Kamerasets verstauben in Schränken und Schubläden. Viele Menschen könnten sich von ihrem Ballast befreien, ihr gutes Equipment verkaufen und statt dessen zu einer Smartphone-Kamera greifen. Profis natürlich nicht, aber Menschen, die:
- gerne unterwegs fotografieren und dazu nicht viel mitschleppen wollen.
- ihre Bilder gerne schnell mit Freunden und Bekannten auf Messenger-Diensten teilen.
- hauptsächlich online und mobil publizieren, etwa auf Webseiten oder in Social Networks.
- nur selten mal mit den Vorzügen einer DSLM oder DSLR arbeiten. Als Beispiele seien hier Freistellung, Schärfentiefe-Variation, Verwischung oder Langzeitbelichtungen genannt.
Smartphone-Kamera mit erstaunlichen Vorzügen
Eine gute Smartphone-Kamera kann aber selbst einige dieser Effekte gut nachbilden. Sie bietet euch meist schon mit Bordmitteln die Möglichkeit, Bilder auf dem Gerät zu bearbeiten, zu archiveren, zu teilen oder in der Cloud zu speichern. Moderne Smartphone-Kameras der Spitzenklasse oder der gehobenen Mittelklasse:
- sind sehr lichtstark.
- können mit Hilfe von KI und eines Nachtmodus‘ dunkle Bilder hell „rechnen“. Die Ergebnisse sind oft verblüffend gut.
- arbeiten mit einer Künstlichen Intelligenz, die Bilder je nach gewähltem Motiv automatisch verbessert.
- bieten auch einen Unschärfemodus mit Bokeh-Effekt, meist Porträtmodus oder Freistellung genannt.
- bieten einen Profi-Modus, in dem ihr die Helligkeit, Belichtungszeit, Farbtemperatur und manchmal sogar über eine nachgeahmte Blende die Schärfentiefe frei anpassen könnt.
- erlauben auch Aufnahmen im RAW-Format.
- verfügen über zwei, drei oder sogar vier optische Zoom-Stufen. Bessere Hybrid- und Digitalzooms sollen euch das freie Zoomen erleichtern.
- bieten euch die Möglichkeit, Schärfe und Helligkeit mit ein paar Fingertipps und Wischgesten anzupassen.
- sind Macro-fähig. Ihr könnt mit der Kamera meist bis auf wenige Zentimeter ans Motiv herangehen.
- sind mit Gesten wie einem Doppeltipp auf die Ein-Aus-Taste bei vielen Smartphones sofort einsatzbereit.
- sind nicht selten auch mit optischer Bildstabilisierung und einer hochauflösenden Videokamera ausgestattet.
Wir sagen es, wie es ist: Die Qualität des Zoomens auf Smartphones ist nicht vergleichbar mit der eines guten Zoomobjektivs einer Kamera. Auch die Bildqualität ist für gewöhnlich weniger detailreich, weil eine Smartphone-Kamera deutlich kleinere Sensoren einsetzt als gängige Systemkameras.
Lange nicht perfekt, aber jedes Jahr besser
Was ihr an Schärfe anpassen könnt, ist nicht mit dem vergleichbar, was eine Spiegelreflexkamera mit gutem Objektiv kann. Selbst Laien erkennen den Unterschied zwischen einem Bokeh-Foto auf dem Smartphone und einem Spiegelreflexbild auf den ersten Blick. Und, ja: Wenn euch der Automatikmodus nicht ausreicht, geht ihr auf dem Smartphone längere Wege, um die Einstellungen nach Wunsch anzupassen.
Sehr vielen Menschen genügt aber gerade das. Es kommen fast immer lichtstarke Bilder mit einer zufriedenstellenden Mindestqualität dabei heraus. Kleinigkeiten könnt ihr schnell anpassen, bei allem weiteren helfen der Profimodus oder Profi-Apps wie ProCamera auf dem iPhone, Open Camera für Android oder Snapseed für Android und das iPhone.
Was wir hier auf dem Trendblog außerdem sehen, ist, dass Smartphone-Kameras Jahr für Jahr besser werden. Sie werden vielseitiger und die Qualität steigt ebenso wie die Lichtausbeute – mittlerweile auf ein Niveau, das zu dunkle Bilder kaum noch kennt.
Wie ihr eine gute Smartphone-Kamera erkennt
Ein paar Faustregeln, wie ihr eine gute Smartphone-Kamera erkennt:
- Ein Mehrfach-Linsen-System, idealerweise mit mehreren Brennweiten wie Normal, Tele/Zoom und Ultraweitwinkel. Salopp gesagt: eine Dreifachkamera.
- Wenn angegeben: Die Größe des Hauptsensors. Viele Smartphones verwenden einen 1/3-Zoll-Sensor. Einige bessere Geräte nähern sich 1/1 Zoll an.
- Ein schneller Prozessor, der die meist komplexen HDR-Bilddaten schnell berechnen kann. Für Android-Smartphones ein Snapdragon der 700er- oder 800er-Reihe. Huawei Kirin der 900er- oder Samsung Exynos der 9800er-Serie. Moderne Apple-iPhones mit A-Prozessoren
- Ein Nachtmodus, manchmal auch Deep Fusion, Super HDR, Nachtsicht oder ähnlich genannt.
- Über Testberichte mit Beispielbildern. Gerade die Telelinse ist oft ein Flaschenhals mit einer meist schlechteren Bildqualität.
Wer sollte dann überhaupt noch zu einer Spiegelreflex- oder Systemkamera greifen? Wer die einzelnen Stellgrößen einer Kamera genau passend und schnell verändern möchte. Die- oder derjenige, die oder der professionell fotografiert, eine hohe Auflösung und den besonderen Effekt sucht. Und, nun ja, auch das sei natürlich nicht verschwiegen: Wer letztendlich die bessere Bildqualität möchte. Gerade, wenn ihr die Bilder später ausdrucken wollt.
Ist das für euch nicht das beherrschende Thema, wollt ihr einfach nur eurem Auge folgen und schöne Bilder machen, dann braucht ihr nicht zwingend eine Spiegelreflex- oder Systemkamera. Dann könnt ihr auch bedenkenlos mit einer der immer besseren Smartphone-Kameras fotografieren.
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Ich habe eine komplette DSR Ausrüstung und habe, von der analogen Fotografie kommend mehr als 30 Jahre Erfahrung. Die Smartphones sind zu einer echten Konkurrenz für DSR Kameras geworden. Ich habe 2019 angefangen jeden Tag 10 bis 20 Kilometer zu gehen. Naturgemäß findet das in den Dämmerungsstunden statt. Man sieht so unglaublich viele Motive. Und noch immer ist das alles entscheidende zur rechten Zeit am rechten Ort zu sein
Eine Zeitlang habe ich Handy und meine Sony Alpha parallel genutzt. Bis auf die Frage des Zoom konnte die DSR nicht Punkten. In Grenzlichtsituationen ist sie sogar deutlich schlechter.
Ich produziere jedes Jahr mehrere Kalender in Kleinauflage (bis zu 300 Stück). Format A3 und da sieht man keinen Qualitätsunterschied. Ich nehme mittlerweilen nur noch das Handy mit. So bin ich auch auf diesen Artikel gestoßen, da ich mich stark für das neue Sony Xperia 5 III interessiere. So wie die Ankündigung klingt verbindet es das nützliche aus zwei Welten.
Ein Gedanke zum Abschluss. In der analogen Fotografie musste man das Bildergebnis bei der Aufnahme erzielen, in der digitalen Fotografie kommt es nur noch auf den Moment und den Bildausschnitt an, genügend Auflösung vorausgesetzt kann der Rest am Computer bei der Bildbearbeitung geholt werden. Seien wir ehrlich seit es die digitale Fotografie gibt wird ganz viel zuhause nachgearbeitet. Einige wenige Puristen ausgenommen. Und an dem Punkt haben die Smartphones mit KI und Belichtungsausgleich die Nase vorn. Fotografie ist ein Diener, das Foto soll Menschen erfreuen oder Dinge dokumentieren, dass ist der Zweck. Und von dem her sollte man es betrachten.
Hallo Tobias, danke für deinen interessanten Einblick!
Ist mir auch aufgefallen, seit ich seit einigen Jahren wieder mehr fotografiere. Alle Bilder, die uns irgendwie in den sozialen Netzwerken aber auch natürlich in Zeitschriften begegnen, sind stark nachgearbeitet. Am meisten amüsiert es mich, wenn ich mal durch den Yellow Korner hier in der Fußgängerzone schlendere. Die machen auf exklusiv und besonders, verkaufen aber doch in jeder Filiale die gleichen Bilder, und man sieht den Kunstwerken an, dass sie mit Lightroom und Photoshop völlig durchoptimiert wurden. Sieht alles hübsch aus, aber da wird kein/e Fotograf/in bloß eben den Auslöser gedrückt haben.
Ich würde jetzt mit wieder einem halben Jahr Abstand zu dem Bericht oben gar nicht mehr zwischen Profi und Anfänger unterscheiden wollen. Auch Profis wie du greifen immer öfter zum Smartphone, weil die Geräte auch immer besser wurden. Das erste Smartphone mit 1-Zoll-Sensor kommt zudem bald auf den Markt: https://trendblog.euronics.de/mobile-web/sharp-aquos-r6-smartphone-kamera-mit-1-zoll-sensor-95908/ Neulich entdeckte ich einen Trick, wie man mit dem iPhone eine Langzeitbelichtung von einigen Sekunden macht (für einen verwischten Wasserfall o.ä.), ohne das Gerät stabil halten zu müssen. Ein klarer Vorteil gegenüber einer wuchtigen DSLM/DSLR mit Stativ.
Am Ende – und da stimme ich dir vollumfänglich zu – kommt es aber darauf an, einfach schöne Bilder zu machen. Mit der Kamera, die einem am liebsten ist.
Hallo Jürgen,
Danke für den Hinweis auf das Sharp. Das ist auf jeden Fall interessant. Danke auch für diesen Blog hier. Ich bin beim stöbern auf mehrere interessante artikel gestoßen.
Danke Tobias!