Wenn ihr ein Elektrogerät kauft, schaut ihr dann auf das Energielabel? Ich rechne mir sogar durch, wie groß der konkrete Stromverbrauch sein wird – und ab wann sich die Anschaffung eines energiesparenden Geräts rentiert.
Das Problem dabei: So kann ich zwar zwei Geräte miteinander vergleichen, doch mit meinem Verbrauch hinterher hat das recht wenig zu tun. Das Energielabel soll sich immer auf das energiesparsamste Programm bei 60 Grad beziehen. Tatsächlich nutze ich aber meist Programme mit einem geringeren Verbrauch.
Hört sich wie ein Widerspruch an, ist aber keiner.
Was sagt das Energielabel überhaupt?
Ob ihr euch nun ein neues Elektrogerät für Küche oder Badezimmer anschafft: Auf dem Energielabel könnt ihr einen standardisierten Verbrauch ablesen – und dann mit anderen Maschinen vergleichen.
Die Werte stammen von den Herstellern, doch die EU schreibt vor, wie diese Angaben zustande kommen sollen, sodass bei Nachmessungen immerhin die gleichen Werte herauskommen. In der EU-Verordnung zum Energielabel für Waschmaschinen heißt es:
Beim neuen Energielabel wird der Wert für den Energieverbrauch im Programm „eco 40-60“ gemessen. Es soll ein normales Nutzungsverhalten abbilden und umfasst 100 Waschzyklen.
Meine Lebenswirklichkeit ist anders
Genau dieses Ökoprogramm meide ich aber. Normal verschmutzte Buntwäsche wasche ich immer bei 30 Grad (mit Ökotaste), denn höhere Temperaturen führen zu einem höheren Verschleiß. Bettwäsche wasche ich aus hygienischen Gründen nicht im Eco-Modus, weil dieser nicht lange genug die 60 Grad hält.
Ich wasche (hoffentlich) weniger als hundertmal im Jahr. Familien mit mehreren Kindern dagegen werfen sicher häufiger als zweimal die Woche ihre Waschmaschine an. Sprich: Auf die Angaben, die das Energielabel zeigt, wird niemand tatsächlich kommen.
Kurios wird es, wenn die Hersteller die Verbrauchswerte eines Backofens ermitteln. Damit sich die Werte vergleichen lassen, ist die Vorgabe, dass sie einen feuchten Ziegelstein in den Ofen legen. Nur so lassen sich die Werte quasi objektiv in Beziehung setzen. Eine Lasagne für vier Personen wäre viel zu unspezifisch. Mit der realen Nutzung hat das Testszenario also nichts zu tun.
Wie ihr den Stromverbrauch eures Backofens senken könnt, haben wir in einem weiteren Beitrag aufgeschrieben.
Tests unter realen Bedingungen
Auch für weitere Geräteklassen lassen sich die angegebenen Werte nicht auf den Alltag übertragen. Bei Staubsaugern zum Beispiel ermitteln die Hersteller den Verbrauch auf einer Mischung aus Hartboden und Teppichboden. Bei mir liegen aber in der gesamten Wohnung Fliesen und Laminat.
Mehr Infos zum Thema Energie und Akkus?
Dieser Beitrag ist nicht der einzige, den wir dazu geschrieben haben. Mehr Texte über Energie und Akkus findet ihr auf unserer Themenseite Energie und Akkus.
Wenn ihr Tests sucht, die den Energieverbrauch bei realer Nutzung wiedergeben, empfehle ich die Messungen der Stiftung Warentest.
Beispiel: Meine neue Waschmaschine
Vor kurzem erst habe ich mir eine neue Waschmaschine gekauft. Die Verbrauchswerte, die ich hier wiedergebe, nennt der Hersteller in der Bedienungsanleitung. Nachgemessen habe ich nicht.
Meine Waschmaschine verbraucht jährlich mit einer vollen Ladung von 6,5 kg 119 kWh Strom und 8800 Liter Wasser – bei 100 Waschzyklen. Und das für das Programm Baumwolle 40/60 Grad mit Eco-Taste, das für das Energielabel relevant ist.
Pro Waschladung sind das also:
In den Tabellen der Bedienungsanleitung finde ich das Programm allerdings nicht wieder (es gibt auch zu viele, um alle aufzulisten). Stattdessen diese hier:
Baumwolle 40°: 0,98 kWh, 76 l
Baumwolle 60°: 1,22 kWh, 76 l
Baumwolle 90°: 2,10 kWh, 88 l
Völlig überraschend: Das Referenzprogramm für das Energielabel, Baumwolle 40/60 Grad mit Ökotaste verbraucht nur 0,03 kWh weniger Energie als das mit 60 Grad ohne Ökotaste, aber 12 l mehr Wasser.
Das entspricht minus 0,8 Cent für Strom und plus 2,7 Cent für Wasser. Damit verbraucht die 60-Grad-Wäsche mit Ökotaste mehr Geld als ohne. Gerechnet mit dem aktuellen Verbrauchspreis im Basistarif an meinem Standort in Hannover.
Hier steckt das Sparpotenzial
Eine merkbare Ersparnis von 7,1 Cent für Strom und 3,1 Liter für Wasser, gibt es, wenn ich vom normalen 40-Grad-Programm für Baumwolle auf Pflegeleicht wechsle. Damit spare ich 0,26 kWh und 14 Liter.
Pflegeleicht 40°: 0,72, kWh 62 l
Jaja, ich weiß: Im Pflegeleicht-Programm soll die Maschine nur mit 3 kg statt der üblichen 6,5 kg beladen werden. Demnach würden sich die Werte nicht direkt vergleichen lassen.
Ich wasche aber fast nur im Pflegeleicht-Programm mit voller Waschtrommel, und die Wäsche wird trotzdem immer sauber. Ich bin ja auch keine 4 mehr und rutsche ständig mit dem Hosenboden über die grüne Wiese.
Ich persönlich wasche sogar nur bei 30 statt 40 Grad. Die Temperatur trägt in diesem Bereich nicht viel zur Waschleistung bei, da ist das Waschmittel wichtiger. Erst die Grenze von 60 Grad ist entscheidend, ab da werden Mikroorganismen getötet.
Doch da vertraue ich dem energiesparenden Ökoprogramm nicht, weil das nur die Waschleistung von 60 Grad erreichen muss, nicht aber die 60 Grad selbst, zumindest nicht über einen längeren Zeitraum.
Wie rechnet der Käufer?
Stimmen diese Rechnungen überhaupt? Ich könnte in der Pressestelle anrufen und nachfragen. Wahrscheinlich würde ich dort die korrekten Werte erhalten und Aufklärung darüber, wo sich die Bedienungsanleitung unklar ausgedrückt hat.
Ein normaler Käufer kann das nicht. Er lädt sich die Bedienungsanleitung aus dem Internet und stellt die gleiche Rechnung an wie ich hier.
Was habe ich aus dem Vergleich der Verbrauchswerte gelernt?
Die größte Ersparnis liegt nicht im Ökoprogramm, sondern darin, mit weniger als 60 Grad zu waschen. Ich persönlich wähle nach Möglichkeit 30 Grad – und 60 Grad nur, wenn Mikroorganismen abgetötet werden sollen. Die Ersparnis ist immer noch groß. Hinzu kommt noch ein geringerer Verschleiß der Wäsche.
Und wenn ihr selbst euren Verbrauch ausrechnen wollt:
Neue Energieeffizienzklassen ab 2021
Seit März 2021 gilt das neue Energielabel. Aus den alten Energieeffizienzklassen D, C, B, A, A+, A++ und A+++ wurden die neuen Klassen G, F, E, D, C, B und A. Verwechseln könnt ihr das nicht: Auf dem Energielabel steht gut erkennbar, wenn es sich um das neue handelt.
Die neuen Energielabels gelten für:
- Kühlschränke und Weinkühlschränke
- Geschirrspüler
- Waschmaschinen
- Lampen
- Displays (u.a. Fernseher)
Nach und nach gilt das neue Label auch für:
- Klimaanlagen
- Backöfen
- Dunstabzugshauben
- Wäschetrockner
- Warmwasserbereiter
Praktisch: Die neuen Labels enthalten einen QR-Code. Wenn ihr den abscannt, erhaltet ihr weitere Informationen, die aus der EPREL-EU-Datenbank stammen. EPREL steht für European Product Registry for Energy Labelling.
Fazit: Hilft bei der Gerätewahl, nicht bei der Kostenrechnung
Das Energielabel lässt uns den grundsätzlichen Verbrauch verschiedener Elektrogeräte miteinander vergleichen – führt uns aber in die Irre, wenn es um den tatsächlichen Stromverbrauch geht.
Der Grund: Es bezieht sich immer auf das energiesparsamste Programm bei 60 Grad. Doch tatsächlich nutzen wir dann andere Programme mit einem niedrigeren oder höheren Verbrauch.
Beitragsbild: Pixabay/Gerd Altmann
Jetzt kommentieren!
Was ist das für ein Ziegelstein?
Und wie sind die Testanforderungen?
Irgendwas mit 55° Celsius/Kelvin in einer Stunde im Zentrum bei vorheriger Wässerung glaube ich (?).
Welche Klasse hat z.B. ein Miele De Luxe H 812. Da findet man keine Vergleichswerte zu modernen Öfen.
Die genaue Testumgebung für die Ziegelstein-Messung kenne ich auch nicht. Aber der Punkt ist: Es ist keine normale Nutzung. Die Werte sind also nicht wirklich aussagekräftig.
Den Zugang zur Datenbank hat die EU leider etwas verbaut. Auf neuen Geräten gibt es einen QR-Code, der sich einlesen lässt. Aber der Miele De Luxe H 812 fällt eben nicht darunter.
Die direkte Abfrage der Datenbank soll über diesen Link möglich sein:
https://ecas.ec.europa.eu/cas/login
Doch man muss sich erst registrieren lassen. Das habe ich nicht gemacht. Und mich würde es auch nicht wundern, wenn hinter dem Login sich doch keine brauchbaren Informationen finden würden.
Ein anderer Weg: Die Verbrauchsdaten aus der Bedienungsanleitung entnehmen und schauen, wie diese nach dem neuen Energielabel zu bewerten sind. Was aber nicht ganz korrekt sein könnte, weil die Messmethoden sich etwas geändert haben.