Das Fairphone 4 ist da. Es wirbt mit Nachhaltigkeit – woraufhin ich mich frage, was denn passieren müsste, damit alle Smartphones nachhaltiger werden. Denn für viele ist das Fairphone einfach nicht die erste Wahl.
Einige Hersteller werben zwar damit, Altgeräte anzunehmen und dem Recycling zuzuführen. Doch mehr als ein grüner Anstrich ist das nicht. Warum gibt es denn sonst das Fairphone? Dessen Nachhaltigkeit wird jedenfalls nicht infrage gestellt – auch nicht von den anderen Herstellern.
Der Druck muss von uns ausgehen, den Nutzern.
Die Hersteller sind zu langsam und gehen manche Probleme erst gar nicht an. Auch die Gesetzgeber scheuen sich, wirksame Vorgaben zu machen. Die Frage ist nun: Was können wir Kunden tun?
Was ist Nachhaltigkeit für Fairphone?
Nachhaltigkeit an sich ist ganz schön abstrakt. Fairphone hat den Begriff deshalb in drei konkrete Punkte übersetzt:
- Die Rohstoffe stammen aus guten Quellen. Die meisten Materialien sind recycelt. Das Gold stammt bereits aus Fairtrade. Bei Kobalt und Lithium soll dies bald der Fall sein. Ein sparsamer Umgang damit versteht sich ebenfalls.
- Die Nutzer können das Fairphone selbst reparieren. Nur mit einem Schraubendreher könnt ihr das Gerät auseinander nehmen. Einzelne Komponenten wie Akku oder Kamera austauschen, wenn sie kaputt sind oder ihr aufrüsten wollt.
- Fairphone verspricht eine Nutzung von fünf Jahren. Das schließt nicht nur die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ein, sondern auch eine Anpassung des Betriebssytems für diesen langen Zeitraum.
Alle Hersteller auf Nachhaltigkeit prüfen
Auch wenn viele Käufer Nachhaltigkeit wollen und auch diese drei Punkte – sie wollen ebenfalls ein Smartphone, das…
- günstig ist,
- schmal und leicht sowie
- jedes Jahr aktuelle Hardware.
Im Zweifelsfall schlagen dann die drei Punkte unten die drei Punkte oben.
Der geringe Marktanteil des Fairphones bestätigt das nur. Die Hürde ist einfach zu hoch. Es müsste eine Möglichkeit geben, kleine Schritte zu honorieren.
Es müsste sichtbar werden, wenn ein Hersteller Fairtrade-Gold verwendet, andere aber nicht. Damit meine ich nicht die Eigenwerbung der Hersteller, sondern unabhängige Quellen: wissenschaftliche Institute, Verbraucherschutzverbände, journalistische Medien.
Punkte und Zertifikate
Diese Transparenz könnte ein Punktesytem bringen oder Zertifikate, wie es sie jetzt schon gibt. Fairphone verwendet diese sogar schon.
Das Fairphone 4 erreicht 9,3 von 10 Punkten auf dem französischen Reparierbarkeitsindex. Daneben hat das Gerät das Zertifikat für Fairtrade-Gold und das TCO-Zertifikat für faire Arbeitsbedingungen.
Darüber hinaus hat Fairphone als Unternehmen die Ecovadis-Medaille in Platin für auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmen erhalten sowie die B-Corp-Zertifizierung für freiwilliges Engagement zur Lösung sozialer und ökologischer Probleme.
Rohstoffe nachweisen
Eine erste Aufgabe wäre, die Nutzung von Rohstoffen transparent zu machen: welche die Hersteller selbst verwenden, welche Chips und Komponenten sie einkaufen. Der Druck muss auch an die Zulieferer weitergegeben werden. Die gesamte Lieferkette ist wichtig.
Wurden Metalle und Kunststoffe recycelt oder nicht? Wie sind die Arbeitsbedingungen, wenn die Metalle und seltenen Erden in Minen gefördert wurden?
Reparierbarkeit ohne DIY
Bei der Reparierbarkeit liegt Fairphone meiner Meinung nach falsch. Fast alle Hersteller verkleben ihre Smartphones, nur Fairphone verschraubt sie. Doch wer will schon sein Smartphone selbst auseinander nehmen? Wichtig ist vor allem, dass der Laden an der Ecke das Smartphone einfach reparieren kann. Und das wird zunehmend schwerer.
iFixit zeigt bereits, wie leicht oder schwer dies bei einzelnen Smartphones geht. Das Fairphone 3 erhält übrigens 10 von 10 Punkten. Eine Anleitung gibt es ebenfalls von iFixit, wie ihr das Gerät öffnen könnt.
Nutzung verlängern
Das Fairphone verspricht eine Nutzung von fünf Jahren. Doch bereits zum Marktstart ist das Fairphone 4 vergleichsweise dick und schwer, ein Klotz. Und der Abstand zu aktuellen Smartphone wird jedes Jahr größer.
Der Druck muss raus, jedes Jahr etwas Neues haben zu wollen. Warum müssen Smartphones immer größer werden? In die Hosentasche passen sie kaum noch. Smartphones werden immer dünner, haben aber einen immer größeren Kamerabuckel, sodass eine Hülle notwendig ist, die das Gerät dann doch wieder dick macht.
Das Problem ist folgendes: Wenn eine neue Version des Betriebssystems erscheint, benötigt sie auch schnellere Hardware. Umgekehrt benötigen die neuen Fähigkeiten der Hardware ein neue Version des Betriebssystems. Wir kennen das bereits von Microsoft und Intel. Ein Teufelskreis.
Die Lösung wäre ein Betriebssystem, das weniger ressourcenhungrig ist: nicht alles animieren, nicht alles streamen, nicht alles kompliziert berechnen. Neue Funktionen entwickeln, die auch auf alter Hardware laufen. Keep It Simple Stupid (KISS). Apple bekommt das mit iOS besser hin als Android. Es könnte auch Versionen des Betriebssystems mit Langzeitsupport geben (LTS).
Fazit
Wenn das Fairphone ein Nischenprodukt bleibt, hat die Umwelt nichts davon. Ein anderer Ansatz muss her. Die Branche muss sich wandeln. Dabei muss der Druck von uns Kunden ausgehen.
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Mehr InformationenFairphone hat sehr schön auf den Punkt gebracht, worum es dabei geht:
- Rohstoffe sparen
- Reparierbarkeit
- lange Nutzung
Wir bräuchten jetzt nur noch ein System, an dem wir Käufer uns orientieren können: Bewertungen oder Zertifikate, die von unabhängigen Institutionen vergeben werden.
Beitragbild: Eduardo Martino/Fairtrade
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Äh, ich will jedes Jahr ein neues (Telefon) weil Euere blogs mir suggerieren, daß es ohne nicht geht.
Hier liest du aber immer öfter: Investiert besser in Qualität, damit das Gerät länger hält.
Und nicht nur der Umwelt zuliebe. Ich glaube auch, du hast persönlich mehr davon, wenn du ein Gerät über mehrere Jahre nutzt, als dir jedes Jahr so ein Billigteil zu kaufen. Du kennst es besser, hast Einstellungen vorgenommen, die passen. Aber auch so einfache Dinge wie Bildschirm, Akku und Verarbeitung (zum Beispiel der Anschlüsse) sind besser – auch nach zwei, drei Jahren noch.
Als Selbstkäufer bin ich theoretisch nicht gebunden an einen Gerätetausch alle 24 Monate. Jedoch ist die Haltbarkeit und die Betriebssystemversorgung ein herstellergesteuertes Thema, welchem ich als Endverbraucher kaum entgehen kann. Bisher war ich Fan und Nutzer von Motorola-Geräten, weil ich den Akku tauschen konnte. Das habe ich auch gemacht. Nun geht es nicht mehr und meine Kriterien lauten: Bezahlbarkeit, technische Daten mittelwertig, Betriebssystem Stand des Kaufjahres. Über Größe muss man nicht mehr nachdenken, da momentan alle Smartphones riesig sind. Mehr Größe verbraucht auch mehr Material kritischer Rohstoffe, so als Randnotiz. Die Entwicklung der Smartphones verläuft irgendwie völlig konträr zum allgegenwärtigen Nachhaltigkeitskonsens.
Ich finde die Idee von Fairphone richtig gut, jedoch ist die Preislage nicht interessant für mich. Da ich bisher zwangsweise alle 2 Jahre +/- ein neues Gerät brauchte, ist 250-300 Euro die absolute Schmerzgrenze. Wenn es erste Langzeiterfahrungen gibt, die positiv ausfallen, könnte mein nächstes Telefon ein nachhaltiges sein.
Geschrieben mit einem nicht nachhaltigem Samsung A22
Hallo Mario,
das sind sehr gute Punkte, wie ich persönlich finde. Mit Sven zusammen habe ich ja den ersten Euronics Trendcast zur Nachhaltigkeit aufgenommen, da sprechen wir auch über Fairphone und dessen „Konkurrenten“ Shift. Der Preis eines Fairphones mag höher sein, dafür ist die Reparierbarkeit gut und der Support auf fünf Jahre garantiert.
Gruß aus dem Trendblog-Team
Daniel
Ein Freund von mir hat sich schon mehrmals eine Samsung-A-Klasse gekauft, war aber nie zufrieden damit. Jetzt hat nach einem Dreivierteljahr die USB-Buchse einen Wackelkontakt. Mein Tipp an ihn: nicht zu billig kaufen. Ich habe ihm ein Gerät in der Preisklasse 300–400 Euro empfohlen, um das dann drei Jahre, nach Möglichkeit sogar vier Jahre zu nutzen.
Vorjahresmodelle sind zwar günstiger, doch dann erhält das Betriebssystem schneller keine relevanten Updates mehr. Ich empfehle daher normalerweise, ein Smartphone zu kaufen, das ein halbes Jahre am Markt ist. Dann ist der Preis schon etwas runter, aber die Technik ist noch aktuell.
Eine Möglichkeit, das Betriebssytem halbwegs aktuell zu halten, ist ein Custom ROM aufzuspielen oder gleich ein Gerät damit zu kaufen. Das Fairphone bietet zum Beispiel diese Möglichkeit. Doch beim Fairphone ist mir die Technik zu alt – auch beim neuen Modell. Ich will mir gar nicht vorstellen, welche Einschränkungen das in vier Jahren hat. Aber der Gedanke gefällt mir.
Ehrlich gesagt, wüsste ich auch nicht, welches Smartphone ich mir jetzt kaufen würde, wenn ich es müsste, weil mein zwei Jahre altes Samsung S10e den Geist aufgibt.