Nicht erst seit dem 2016 von Nintendo veröffentlichen und ruck zuck ausverkauften Mini NES ist Nostalgie unter Spielern ein großes Thema. Längst zählen nicht nur aktuelle Blockbuster für die neuesten Gaming-PCs, die PlayStation 4, die Xbox One oder die Nintendo Switch. Seit Jahren wächst die Liebe für Retro und Spiele aus einer Ära, als es noch keine riesigen HDTVs und 4K-Auflösungen gab. Die Pixelkunst damaliger Spieleentwickler möchten wir heute wieder genießen – entweder auf aktueller Hardware oder möglichst detailgetreu nachgebildet. Gründe dafür gibt es einige.
Aufgewachsen mit Videospielen
Diejenigen, die heutzutage mitten im Leben stehen und/oder bereits eine Familie gründeten, wuchsen wahrscheinlich in den 1980er- und 1990er Jahren auf. Und nicht selten wurde damals schon auf einem Heimcomputer oder einer Spielkonsole gezockt. Genau diese Tatsache dürfte auch den erstaunlichen Erfolg besagter Mini NES-Konsole erklären. Nintendo konnte die riesige Nachfrage vergangenes Jahr nicht befriedigen, mittlerweile gilt die Neuauflage der 8bit-Kultmaschine aus dem Jahr 1983 (Release in Europa: 1986) als ausverkauft und begehrtes Sammlerstück. Ähnliches könnte für Ende September 2017 angekündigte Mini SNES gelten, allerdings sollte sich niemand auf Horrorpreise von Spekulanten einlassen: 2018 wird Nintendo für Nachschub sorgen, auch das Mini NES soll wieder hergestellt werden.
Ich denke, es wird nicht nur mir so gehen: Meine erste richtige Spielkonsole war das NES, das mir meine Eltern kurz nach der Wende schenkten. „Super Mario Bros.“ spielte ich damals unterunterbrochen, außerdem etliche andere Klassiker. Aber vor allem der Klempner tat es mir an. Zugleich gilt das NES als Ursprung von wahren Meisterwerken, wie „Metroid“, „The Legend of Zelda“ und „Kirby’s Adventure“ beweisen. Diese Titel aus den 1980ern noch einmal genießen zu können, ohne sich womöglich in die Illegalität zu bewegen (alte Spiele via Emulator zu spielen ist potentiell eine Urheberrechtsverletzung), dürfte für etliche Erwachsene ein kleiner Traum gewesen sein.
Mini NES-Neuauflage mit 30 Spielen
Und dann kam das Mini NES, das mit 30 vorinstallierten Spielen ausgeliefert werden sollte, darunter mit dem allersten „Final Fantasy“-Teil, „Mega Man“ oder gar „Castlevania“ und „Ninja Gaiden“. Ich kann jedenfalls sehr gut verstehen, wieso sich diese Retro-Konsole so schnell verkaufen konnte, sprach sie doch Nostalgiker, ältere Gamer und freilich Sammler an. Nintendo weckte Erinnerungen und damit Begehrlichkeiten.
Beim Mini SNES dürfte es vermutlich noch „krasser“ werden, denn die Maschine gilt als erfolgreichste 16bit-Spielkonsole. Gegenüber dem NES ist auch technisch ein erstaunlicher Quantensprung zu erkennen. Viele (2D-)Spiele sehen im Jahr 2017 noch sehr gut aus, „Super Mario World“ zum Beispiel. Und nicht nur Nintendo-Fanatiker erinnern sich gewiss gerne an „Donkey Kong Country“, „Super Metroid“, „Secret of Mana“ oder „Mario Kart“. Die Mini-Version des Super Nintendo Entertainment Systems besitzt 21 vorinstallierte Spiele, niemand braucht mehr die verstaubten Module vom Dachboden holen. Und gerade die Kinder der 1990er werden es lieben, mit der neuen, alten Konsole wieder „Mario Kart“ oder „F-Zero“, „Final Fantasy III“ und „Star Fox“ zu erleben. Nintendo packte sogar ein bisher nie veröffentlichtes SNES-Game mit dazu, nämlich „Star Fox 2“. Wenn das kein Kaufargument ist?
Atari und Sega sind wieder da
Nicht nur Nintendo nutzt die eigenen Lizenzen und den Wunsch der Konsumenten nach einer Zeitreise, um Geld zu verdienen. Sehr viel eher kamen Atari und SEGA auf diese Idee. Sie ließen von der Firma Atgames Spielkonsolen basierend auf dem Atari 2600 und dem Sega MegaDrive herstellen.
Die Ergebnisse hinterlassen einen zwiespältigen Eindruck, konnten vor allem die ersten Konsolen aufgrund schlechter Verarbeitung nicht überzeugen. Aber Atgames ist bemüht: 2017 erscheinen gleich drei Modelle vom Sega MegaDrive, beispielsweise Sega Genesis Flashback (Genesis ist der US-Name des MegaDrive) mit 85 vorinstallierten Spielen vom MegaDrive, dem Vorgänger Master System und dem Handheld Game Gear. „Golden Axe“, alle relevanten „Sonic the Hedgehog“-Episoden, “Alex Kidd“ und viele andere Hits sind mit dabei.
Und wer sie noch hat: MegaDrive-Module schluckt die Konsole ebenfalls. Der Sega Genesis Ultimate Portable Game Player macht den MegaDrive sogar mobil – auch mit 85 vorinstallierten Games. Der Dritte im Bunde ist die Genesis Classic Game Console, der zwei Controller beiliegen. Denn hier sollt ihr mit einem Kumpel – vielleicht wie früher – am TV gegeneinander antreten, beispielsweise bei „Mortal Kombat III“.
Gleich 10 neue Atari-Konsolen
Die Lizenzausschlachtung seitens Atari trug wiederum sehr viele Früchte. Allein bei Atgames entstanden im Verlaufe der Zeit über 10 Konsolen basierend auf dem Atari 2600. Die neueste Auflage nennt sich Atari Flashback 8 Gold. Das ist ein Gerät in Optik der ersten Holz-Konsole von Atari, vorinstalliert sind 120 Spiele wie „Frogger“ oder „Pitfall!“. Atari Portable ist eine Handheld-Ausgabe des Atari 2600 – so etwas gab es in den 1970ern und 1980ern nicht. Das ist längst nicht genug: Das britische Unternehmen Funstock bringt ebenfalls 2017 einen „neuen“ Arcade-Joystick mit Atari 2600-Innenlebnen und 50 integrierten Games in den Handel, zusätzlich den Atari Retro Handheld. Das ist eine weitere tragbare Konsole in schicker Holzoptik.
Die größte Überraschung aus dem Hause Atari wird uns vermutlich 2018 erwarten. Diesen Herbst plant man eine Crowdfunding-Kampagne, mit der die sogenannte Ataribox finanziert werden soll. Das ist eine tatsächlich neue Spielkonsole von Atari, die Retro mit Moderne verbinden möchte. Ihr bekommt nicht nur zahllose Klassiker früherer Tage geboten, denn der Hersteller mit dem nach wie vor bekannten Namen möchte völlig neue Spiele entwickeln (lassen) – für eine neue und auf Retro ausgelegte Konsolen-Plattform. Ob das was wird? Ich zumindest bin gespannt und sogar etwas optimistisch. Denn auch hier wird deutlich: Atari will einen Markt bedienen, der sich vom AAA-Blockbuster für Highend-Konsolen entfernt. Und mit etwas Glück erhalten wir eine Technologie, die sich nicht so billig anfühlt wie eine (beliebige) Konsole von Atgames.
Wissenslücken schließen
Einen Aspekt sollte man ebenfalls nicht unterschätzen: Wer noch jung ist und vielleicht mit moderneren Konsolen wie Xbox 360, PS3 oder Wii aufgewachsen ist, wird auch die Retro-Flut wahrgenommen haben. Remakes alter Spiele, HD-Neuauflagen, Retro-Bereiche bei neuen Konsolen (Stichwort Virtual Console), neue Games in antiquiert anmutender Optik und teils sogar kostenlose Veröffentlichungen für Mobilgeräte (zum Beispiel die Sega Forever-App für iOS und Android) wecken das Interesse, sich mit der Vergangenheit zu beschäftigen. Und dann kommen solche verhältnismäßig preisgünstigen Konsolen gerade recht, um Wissenslücken zu schließen. Außerdem bieten zumindest Mini NES und Mini SNES moderne Anschlüsse und Optionen, mit denen die ollen Spiele auf neuen HDTVs halbwegs passabel aussehen.
Unkomplizierter Spaß
Downloads, Updates, DLCs, Firmware-Updates, Installationen, Online-Zwang – damals gab es das nicht. Und vielleicht ist das auch ein Grund, wieso wir uns gerne an das „Früher“ erinnern: Modul in den Slot, Konsole eingeschaltet, los kann es gehen. Zusammen auf der Couch verbrachten wir viele vergnügliche Stunden, ganz ohne Gängeleien und lange Wartezeiten. Sich dieses Gefühl wieder in die eigenen vier Wände zu holen, vielleicht sogar die Kumpels von damals einladen und in Erinnerungen schwelgen – auch das ist sicherlich ein Argument, das für Retro-Entertainment im Spielesektor spricht. Häufig waren die Spiele damals weit weniger komplex. Sie wollten nur Freude und Spaß vermitteln, nicht mehr. Zurück zum Einfachen; das ist für mich ganz klar ein Aspekt, den ich mit alten Spielen verbinde. Genau das bieten eben auch die „neuen“ Retro-Konsolen, die auf allzu viel Schnickschnack verzichten. Das ist Reduzierung auf das Wesentliche, wenn man es nimmt.
Retro-Entertainment abseits des Kommerzes
Abseits von Nintendo, Atari und Sega wächst übrigens seit Jahren ein lebendiger Markt, der die Bedürfnisse der speziellen Retro-Zielgruppe bedient. Hersteller Hyperkin beispielsweise verkauft die Konsole RetroN 5, mit der ihr originale Module vom NES, SNES, MegaDrive, Gameboy, Gameboy Advance und Gameboy Color verwenden könnt. Der Supaboy S macht eure SNES-Cartridges mobil, RetronN HD ist eine Alternative zum Mini NES, die allerdings die riesigen Module vom NES bzw. Famicon (japanische Version des NES) schluckt. Wie viele andere Firmen auch bietet Hyperkin allerlei Controller für aktuelle Plattformen an, welche sich jedoch am Design der Gamepads aus den 1980er- und 1990er Jahren anlehnen. Das ist beispielsweise das Hauptgeschäft des chinesischen Unternehmens 8bitdo, das sich sogar an einer eigenen Heimkonsole für Nostalgiker versucht. Beim Desktop Arcade Joy Stick treffen dann wieder Gegenwart auf Vergangenheit.
Eine Kuriosität, übrigens auch von Hyperkin: Der Smartboy macht aus eurem aktuellen Smartphone, am besten dem Samsung Galaxy S8, einen alten Gameboy. Verrückt.
Letztlich sind das nur exemplarische Beispiele, denn noch sehr viel weitere Firmen versuchen, Altes neu zu beleben. Retro-Bit möchte eine billigen Mini-NES-Kopie namens RES Plus etablieren, erst kürzlich wurde die Dreamcade Replay bei Kickstarter sehr erfolgreich finanziert. Das ist eine Windows 10-basierte Retro-Konsole mit Multimedia-Funktionalität.
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Creoqode 2048 ist sogar eine komplett neu entworfene Retro-Handheld-Maschine, die von Besitzern programmiert werden möchte. Und bei Analogue Nt handelt es sich um eine komplette Neuentwicklung des NES, allerdings ist das System nur für ein wohlhabenderes Publikum gedacht.
Nicht vergessen sollte man die eifrige Bastler-Szene, die alte Technik neu erfindet, in ein frisches Gewand steckt oder gar zu neuem Leben erweckt. Mit einem Raspberry Pi als Innenleben zum Beispiel. Der ZX Spectrum von Sinclair, ein legendärer Heimcomputer der 1980er Jahre, wurde dank Crowdfunding wieder Realität, eine Handheld-Konsole mit den 1000 (!) besten Spielen der Plattform steht in den Startlöchern. An den Computern von Commodore, allen voran C64 und Amiga, beißen sich seit Jahren sogar die Ambitioniertesten die Zähne aus. Doch auch hier gibt es viele Bestrebungen, den Kult in die Zukunft zu hieven.
Kein Ende in Sicht
Ich könnte die Liste vermutlich ewig fortführen, was verdeutlicht: Der Markt ist riesig und vielfältig, so „nerdig“ er für manche erscheinen mag. Mit Mini NES und Mini SNES ist Nintendo in das Bewusstsein des Massenmarktes vorgedrungen, Fans, Nostalgiker und ältere Gamer entdeckten dagegen schon Jahre früher ihre Leidenschaft für die verspielte Vergangenheit. Sicherlich schwingt eine gewisse Verklärung und vor allem Verherrlichung mit, schließlich sind sehr viele Spiele aus den 1980er Jahren echt Mist (unzählige Atari 2600- und ZX Spectrum- Titel). Abgesehen davon ist es trotzdem schön, die eigene Kindheit so einfach zurückholen zu können.
Ich persönlich freue mich schon sehr darauf, was die nächsten Jahre so kommt. Ich hoffe auf ein Mini N64, einen Mini Gamecube, eine Mini Dreamcast und gerne einen Mini Amiga. Letztgenanntes wäre schon genial. Hättet ihr auch einen Wunsch?
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