Manchmal kommen Ideen sofort und lassen euch dann nicht mehr los. Durch Zufall landete ich in diesem April bei einem Werksverkauf der Firma Ebility in Remagen und sah dort einen Kumpan 1950. Es war sofort um mich geschehen. Und ich sah mich schon darauf am Rhein entlang nach Bonn kutschieren…
Zwei Monate später endlich kam der große Tag. Nach Remagen selbst brachte mich von Bonn aus ein Verkehrsmittelmix aus Fuß, E-Scooter-Verleihservice, Regionalexpress und Taxi. Eine Mitarbeiterin von Ebility wies mich in alles ein, drückte mir Helm und Ladegerät in die Hand und gab mir noch den Hinweis mit auf den Weg: Es könne knapp werden mit den versprochenen 40 Kilometern. Testgerät und Akku nämlich seien schon etwas älter. Wird schon irgendwie, antwortete ich. 30 würden mir schon reichen.
32 Kilometer vom Remager Industriegebiet bis in den Bonner Norden und noch ein kleines Stück weiter sollte es den Rhein hinauf gehen, interessanterweise bei 30 Grad an diesem Tag. Eine Art Härtetest für die neue E-Revolution, entschädigt mit wundervoller Aussicht auf Schlösser und Burgen entlang des Rheins. Würde der Akku mitspielen? Würde ich unverschwitzt am Ziel ankommen? Würde ich vielleicht sogar den Akku unterwegs laden können?
Wird es heiß werden, hält der Akku?
Mit meinem Gefährt an diesem Tag, einem wunderschönen weißen Kumpan 1950, bin ich sofort per du. Ein angenehm breites Trittbreit, eine dynamische Beschleunigung. Ich setze den Helm auf und düse los. Einige Passanten gucken interessiert, was ich da mache, ein Autofahrer, der ausparkt, tritt aufs Gas, als er mich sieht, um noch vor mir am Kreisverkehr zu sein.
Schon am Ortsausgang von Remagen ist der Ladestand auf unter 90 Prozent gesunken. Mir wird ein wenig mulmig zu Mute. Wird das alles reichen? Ein Jugendlicher tritt in die Pedale und radelt eine Weile neben mir her: „Ha, ich bin genau so schnell!“. Nicht lange allerdings, dann gibt er auf. Der Kumpan 1950 gilt mit seinen 25-27 km/h Spitzengeschwindigkeit als Leichtmofa. Ein Kennzeichen ist notwendig, dazu auch der schon der beschriebe Helm.
Immer wieder fällt mein Blick skeptisch auf die „Tankanzeige“. Als ich im nächsten Ort Oberwinter ankomme, sind es schon weit unter 80 Prozent Akkuladung, in Rolandseck kurz vor dem südlichsten Zipfel Bonns 66 Prozent. Ich rechne im Geiste mit, dass es eng wird.
Einem Freund, dem ich von meiner geplanten Tour erzähle, rät mir, im Bahnhof Rolandseck im dortigen Café Zwischenstation zu machen. Ich komme auf die spontane Idee, dort nach einer freien Steckdose zu fragen.
Museum schickt mich zur Tankstelle
Im Arp-Museum im Erdgeschoss gibt man sich ratlos auf meine Frage. Die Mitarbeiterin lacht und will mich eine Straße weiter zu einer Tankstelle schicken. (Gar keine schlechte Idee übrigens, Tankstellenbesitzer! Wenn es euch in 20 Jahren noch geben soll, erfindet ihr euch selbst neu und stellt Ladestationen für E-Autos und E-Scooter bereit.)
Den schon fest eingeplanten Kaffee lasse ich mir aber nicht nehmen. Weil ich kein Schloss dabei habe, nehme ich den Kumpan kurzerhand im Aufzug mit nach oben. Eine Steckdose hat man oben für mich nicht. Erst auf dem Rückweg sehe ich im Erdgeschoss eine direkt gegenüber des Fahrstuhls und ärgere mich: Da hätte der Scooter immerhin 20 Minuten Saft tanken können.
Noch bevor ich auf der anderen Rheinseite in einiger Entfernung den Drachenfels sehe, ist der Ladestand auf unter 60 Prozent gefallen. Und ich habe noch nicht einmal die Hälfte des Weges geschafft. Ich beschließe, eine Weile den Motor auszuschalten und den Kumpan 1950 als Tretroller zu benutzen – was problemlos geht. Auf gerader Strecke erreiche ich so laut Tacho noch Geschwindigkeiten zwischen 13 und 17 km/h. (Mit Motor wären es etwa 10 km/h mehr.)
Alles ist im Fluss
Bis zum Drachenfels halte ich tretend durch, dann schalte ich den Motor wieder ein. Kurz hinter der Bonner Stadtgrenze im Ortsteil Mehlem lege ich eine Pause ein und nehme den Helm ab. Ich bin erstaunt, dass das Innenfutter doch recht nass geworden ist. Mir war gar nicht bewusst, dass ich viel geschwitzt hätte. Alleine vom Treten?
Während ich so auf der Parkbank sitze, den Kumpan direkt vor mir, fahren Radler mit und ohne E-Antrieb an mir vorbei. Gegenüber geparkt ist ein Fahrrad des örtlichen Radverleihs Nextbike. Auf dem Rhein schippert ein Kahn Richtung Süden. Am anderen Flussufer sehe ich einen Regionalzug über die Schiene brettern, direkt dahinter ein Güterzug und in der Gegenrichtung die Stadtbahn. Noch bevor ich mich wieder auf den E-Scooter stelle, fährt langsam eine ältere Frau mit einem E-Rollator an mir vorbei.
Alles ist in Bewegung.
Die Strecke am Rhein entlang zieht sich und der Ladestand fällt minütlich. Zu allem Überfluss habe ich mir ein sportliches Ziel gesetzt: Einmal ganz durch Bonn und am Ende mit der Fähre rüber ins benachbarte Mondorf. Und ich rechne im Kopf mit: Wenn ich bis zum Anfang der Rheinauen noch 33 Prozent Akku habe, müsste es eigentlich reichen. Tatsächlich werden es 29 Prozent. Und jetzt noch einmal fast durch ganz Bonn. Das wird eng werden.
Es wird knapp
Schon längst fällt mein Blick auf eventuell vorhandene Außensteckdosen von Restaurants, Cafés, Campingplätzen. Aber nichts ist vorhanden. Noch nicht? Wer sich hier etwas dazu verdienen will, sollte nicht zögern, sondern in den nächsten Jahren entlang von Radwegen Stromtankstellen anbieten, muss ja nicht kostenlos sein. Für E-Scooter, E-Bikes oder einfach nur Smartphones – der Bedarf ist da.
Als ich die Kennedybrücke im Herzen Bonns erreiche, ist der Akkustand bei gerade noch 10 Prozent. Jetzt wird’s eng, aber mal so richtig. Von der Süd- zur Kennedybrücke hat der Akku um mehr als 10 Prozent nachgegeben und noch immer liegen einige Kilometer vor mir. Längst fahre ich nur noch im Sitzen, was mit dem Kumpan 1950 zwar etwas wackelig, aber sonst problemlos möglich ist. Andere Verkehrsteilnehmer, die mich so sehen, gucken belustigt. Der Gegenwind bläst stark. Ich fürchte, durch den Windwiderstand bereits viel Ladung eingebüßt zu haben. 6 Prozent sind es nur noch unter der Bonner Nordbrücke.
Doch, Überraschung: Diese 6 Prozent halten sich sehr hartnäckig. Sie befördern mich noch hoch zum Containerhafen und am alten Solarworld-Gebäude vorbei. Schon bald aber sinkt die Anzeige auf 4, 3, 2 – einige hundert Meter vor der Graurheindorfer Fähre am nördlichsten Zipfel Bonns auf nur noch 0 Prozent. Ein paar Meter schenkt mir der Akku noch, dann geht der Motor aus. Etwa 400 Meter bis zur Fähre muss ich tretend zurücklegen.
Am Ziel, doch es fehlt die Ladestation
Der Fährmann begutachtet den Retro-Roller eine Weile und entscheidet dann: „Fahrrad! Eins-achtzig bitte!“ Auf der anderen Rheinseite in Mondorf versuche ich noch einmal mein Glück. Und siehe da: Der Kumpan springt an und befördert mich noch etwa 200 Meter weit, bis der Motor endgültig ausgeht. Ich lege den Rest des Weges bis zur Beach Bar tretend zurück.
Den Kumpan stelle ich dort mitsamt dem Helm in den Fahrradständer. Ein Fahrradschloss bringen mir Freunde erst später mit. Doch wer klaut schon einen E-Scooter mit leerem Akku? Nach der langen Fahrt vertraue ich für kurze Zeit in die Gutmütigkeit der Menschen. Wie ich so am Rhein sitze und ein alkoholfreies Weizen schlürfe, stelle ich fest, dass ich tatsächlich kaum geschwitzt habe. Trotz Helms und 30 Grad. 32 Kilometer habe ich gerade zurückgelegt. 30 bis 31 davon mit reiner Motorkraft.
Auch das Lokal hat leider keine Möglichkeit, den leeren Akku wieder aufzuladen. Angebote von Freunden, den Scooter bei sich aufzunehmen und über Nacht zu laden, schlage ich aus. Denn nun möchte ich die Chance nutzen herauszufinden, wie es sich auf längerer Strecke mit reiner Muskelkraft scootern lässt. Und so trete ich mitten in der Nacht den 7 Kilometer langen Heimweg an. Erst nach einigen Metern fällt mir ein, dass zumindest für die Lichtanlage noch Strom da sein müsste. Und so ist es auch. Munter tretend fahre ich durch die Siegaue und später am Rhein entlang in die Bonner Innenstadt.
Ökologisch wiederaufladen? Gar nicht so einfach…
Die letzte und größte Schikane ist die Auffahrt zur Kennedybrücke in der Bonner Innenstadt. Rund 250 Meter relativ steil bergauf. Hier zeigt sich schon, warum sich ein E-Motor lohnt. Ohne ist es eine schlimme Plackerei. Ab dem Scheitelpunkt rolle ich beäugt von interessierten Nachtschwärmern halbwegs entspannt nach Hause und hebe den recht schweren Roller durch das Treppenhaus in unseren Hof. Was für ein Abenteuer!
Als ich es am darauffolgenden Nachmittag erst mit meiner größten 100-Watt-Solarzelle versuche, den Akku wieder aufzuladen, zeigt sich der Kumpan unbeeindruckt. Ein Blick auf die technischen Daten erklärt warum: Der E-Scooter verlangt stolze 38 Volt bei 2 Ampere. Die Solarzelle schafft maximal 12 Volt.
Meinen letzten Versuch des ökologischen Wiederaufladens unternehme ich mit meiner voll aufgeladenen Monster-Powerbank, an die ich schon einen Fernseher erfolgreich angeschlossen und die ich alleine mit Solarstrom geladen habe. Und siehe da: Immerhin bis 28 Prozent steigt die Anzeige des E-Scooters. Dann ist die Powerbank leer.
Den Rest muss ich mit einem Verlängerungskabel an der Steckdose meiner Waschmaschine nachschießen. Letztendlich der einzig vernünftig gangbare Weg.
Resümee
E-Scootern macht Spaß. Selbst 30 Kilometer fast schnurgeradeaus werden nicht langweilig oder unangenehm zu fahren. Und sofern ihr es bei reiner Elektro-Energie belasst, kommt ihr dank des Fahrtwinds auch bei 30 Grad nicht in Schwitzen.
Wirklich ausbaufähig ist die Ladeinfrastruktur. Denn 30 oder eigentlich sogar 40 Kilometer, die der Kumpan 1950 schaffen soll, ist eher die Ausnahme. Andere E-Scooter schaffen weit weniger und müssen häufiger an die Steckdose. Viele Gaststätten entlang stark befahrener Radwege haben hier die Chance, passende Infrastruktur anzubieten. Und auch für Tankstellen ergibt sich hier ein interessantes neues Geschäftsfeld.
Wenn ihr es noch nicht ausprobiert habt: Gebt den Rollern eine Chance. E-Scooter sind ein praktisches, vergleichsweise umweltfreundliches Verkehrsmittel.
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Toller Artikel. Hat viel Spaß beim Lesen gemacht!
Wollte ich auch gerade schreiben. Immer wieder schön, deine Erlebnisberichte zu lesen. ????
Wieder ein schöner Erfahrungsbericht!
Danke euch, Kollegen! 🙂