Bluesky im Test: Im blauen Himmel ist es ruhig

Bluesky erinnert im Test an das Twitter früherer Tage. Das ist angenehm – aber kann das dauerhaft so bleiben?

Bluesky im Test: Im blauen Himmel ist es ruhig
Bluesky

„Seitdem der exzentrische Tech-Milliardär Elon Musk den Kurznachrichtendienst Twitter übernahm und ihn mittlerweile in „X“ umbenannte, sind viele Nutzer auf der Flucht. Eine gehypte Alternative ist Bluesky. Das neue Netzwerk erinnert an die frühen Tage von Twitter – die große Frage ist nur, ob wir die überhaupt zurück wollen.“

Inhalt:

Was ist überhaupt Bluesky?

Bluesky ist ein Microblogging-Dienst. In Posts mit 300 Zeichen kannst du deine Gedanken der ganzen Welt mitteilen. Darin unterscheidet sich das Netzwerk also nicht so sehr von Twitter / X oder Mastodon.

Die Ähnlichkeiten mit Twitter bzw. X sind auch nicht zufällig, denn hinter Bluesky steht auch der Twitter-Gründer Jack Dorsey, der 2019 eine kleine Gruppe beauftragte eine Alternative zu konzipieren. 2021, also ein Jahr vor der Twitter-Übernahme durch Musk, gliederte Twitter das Projekt aus.

Zum Zeitpunkt unserer Recherche hat Bluesky eine Million registrierte User. Das ist verglichen mit den 245 Millionen täglichen Usern auf Musks Microblogging-Dienst wenig. Doch das geringe Wachstum hat Kalkül.

Wie greife ich auf Bluesky zu?

Bluesky gibt es als App für iPhone im Apple App Store und auch für Android im Google Play Store. Der Dienst ist auch im Browser unter bsky.app verfügbar.

Falls du jetzt die App downloadest oder die Webadresse aufrufst, um dich für Bluesky zu registrieren, stehst du bald vor einer Hürde.

Denn neben Email-Adresse, Passwort und Nutzernamen brauchst du auch einen Einladungscode. Diese Codes gibt Bluesky von Zeit zu Zeit an registrierte und aktive User heraus, die diese „Invites“ dann frei verteilen.

So sollen Nutzer vor allem diejenigen gewinnen, mit denen sie ohnehin vernetzt sind. Zudem hat Bluesky eine gewisse Kontrolle, wie schnell und stark das Netzwerk wächst und kann so technische Schwierigkeiten vermeiden.

Wann sich wirklich jeder frei und ohne Code bei Bluesky registrieren kann, ist nicht bekannt. Schaut man sich aber beim größten Konkurrenten Twitter / X um, so geben viele Nutzer bereitwillig Einladungscodes heraus.

Was haben Bluesky und Twitter / X gemeinsam?

Auf den ersten Blick könnten beide Dienste eineiige Zwillinge sein. Aufbau und Icons der Smartphone-App sehen sich sehr, sehr ähnlich. Das gilt auch für die Browser-Versionen.

Bluesky sieht auf den ersten Blick aus wie ein Twitter-Klon. Das hat Gründe. (Eigener Screenshot)
Bluesky sieht auf den ersten Blick aus wie ein Twitter-Klon. Das hat Gründe. (Eigener Screenshot)

Was unterscheidet Bluesky von Twitter / X?

Die Unterschiede sind für Otto Normaluser auf den ersten Blick nicht ersichtlich. Bluesky möchte zuvorderst das AT-Protocol etablieren. Dieses Authenticated Transfer Protocol erlaubt das Aufsetzen dezentraler Netzwerke für jedermann und den Austausch aller Inhalte über verschiedene Dienste hinweg. So könnte es neben Bluesky auch einen Dienst mit dem Namen Redsunset geben, auf dem du aber auch die Bluesky-Inhalte einspeisen und mit Usern des anderen Dienstes reden kannst.

Das Konzept ist ganz ähnlich dem Fediverse rund um Mastodon und dessen Activity-Pub-Protokoll.

Laut Bluesky ist der Dienst „nur“ eine Art Demo fürs AT-Protocol – mit dem klaren Ziel, dass User einfach selbst andere Dienste aufsetzen. Bluesky kann aber auch abseits dieser großen Zukunftsvorstellung mit einer sehr eigenen Idee glänzen.

Killer-Features: Eigene Algorithmen, Filter und Verifikationen!

Und nun wird es richtig technisch. Was Twitter / X, Facebook oder Instagram auf deinen Bildschirm packen, folgt einem Algorithmus. Wie die Dienste Inhalte auswählen und ausspielen, bleibt häufig unklar. Zwar hat Musk für Twitter / X einen Großteil des Algorithmus öffentlich gemacht.

Einen direkten Einfluss auf den Algorithmus haben die User aber bislang bei keinem Dienst.

Die Algorithmen sind neben dem AT-Protocol ein Alleinstellungsmerkmal von Bluesky. (Eigener Screenshot)
Die Algorithmen sind neben dem AT-Protocol ein Alleinstellungsmerkmal von Bluesky. (Eigener Screenshot)

Anders bei Bluesky, wo User alsbald ihre eigenen Codes schreiben und einspeisen können. Erstmals haben sie also bei einem sehr großen Anbieter die Möglichkeit, die Inhaltsausspielung selbst zu bestimmen. Solltest du – wie ein Großteil der Bluesky-User – kein Programmierer sein, kannst du auch einfach die Algorithmen anderer User kopieren und nutzen. Viele weitere Infos dazu findest im offiziellen Bluesky-Blog.

Außerdem bietet Bluesky eine Verifikation über die eigene Domain an. Ganz ohne blauen Haken oder dergleichen kannst du feststellen, ob ein Account auch tatsächlich der Person, dem Unternehmen oder der Institution zugehörig ist, der du folgen willst.

Dass hier wirklich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock postet, ist am Handle diplo.de zu erkennen. (Eigener Screenshot)
Dass hier wirklich Bundesaußenministerin Annalena Baerbock postet, ist am Handle diplo.de zu erkennen. (Eigener Screenshot)

Was fehlt Bluesky noch zum Twitter/X-Konkurrenten?

Bluesky sieht aus wie Twitter und zunächst ist auch die Bedienung ganz ähnlich. Dann aber fallen Unterschiede auf, die dem neuen Konkurrenten nicht zum Vorteil gereichen.

So gibt es beispielsweise keine Hashtags, die aber seit den Twitter-Urzeiten zum Microblogging und zu Social Media generell gehören. Bluesky organisiert den Austausch in sogenannten Feeds, über die du verschiedenen Bluesky-Bubbles beitrittst. Interessant: Einige dieser Feeds, insbesondere der zur Wissenschaft, sind kuratiert.

Feeds gibt es auch in der Mobile-App. (Eigener Screenshot)
Feeds gibt es auch in der Mobile-App. (Eigener Screenshot)

Dass hinter den ausgespielten Posts jemand sitzt, der Ahnung hat oder moderierend eingreift ist in Zeiten der überbordenden Desinformation tatsächlich beruhigend. Wie Bluesky dem möglichen Missbrauch solcher Macht vorbeugen will, ist nicht bekannt.

Eigene Feeds kannst du nur über eigenen Code einrichten. Das will Bluesky alsbald komfortabler gestalten.

Statt Hashtags setzt Bluesky auf Feeds - die sind teils kuratiert, können aber die praktischen #-Handles nicht ersetzen. (Eigener Screenshot)
Statt Hashtags setzt Bluesky auf Feeds – die sind teils kuratiert, können aber die praktischen #-Handles nicht ersetzen. (Eigener Screenshot)

Teilen kannst du Links und Bilder – Videos und Hashtags fehlen. Direktnachrichten sind ebenfalls nicht möglich. Es kann sein, dass die Bluesky-Entwickler diese Features nach und nach implementieren. Derzeit fehlen sie aber.

Wie ist der Umgang auf Bluesky verglichen mit Twitter / X?

Für viele Twitter- bzw. X-Nutzer ist Bluesky eine willkommene Alternative, weil Hassrede und übergriffige Polemik im blauen Himmel kaum zu finden sind. Der Umgang und Austausch ist in der Regel zivilisiert und argumentativ fundiert.

Insgesamt ist das Klima vergleichbar mit den Twitter-Zeiten von vor ein paar Jahren. Diskussionen gibt es natürlich, auch hin und wieder heftige Meinungsverschiedenheiten.

Dass sich einschlägig politisch orientierte Profile über ein Abo (und damit den blauen Haken) mehr Reichweite einkaufen können und bevorzugt in den Drunterkommentaren zu finden sind, ist auf Bluesky nicht festzustellen.

Selbst wenn es sich ändern sollte, kannst du dank AT-Protocol oder einen eigenen Algorithmus sofort eingreifen und die Bluesky-Erfahrung wieder so herstellen, dass du dich wohl fühlst.

Wie finanziert sich Bluesky?

Elon Musk finanziert Twitter / X über Anzeigen und Abonnements. Bluesky will und kann diesen Weg als eingetragene gemeinnützige Gesellschaft nicht gehen. Derzeit stellen diverse Investoren Geldmittel zur Verfügung, um Bluesky zu entwicklen. Sicherlich ist das Interesse an der Technik dahinter größer, als die Daten von gut 1 Million User einzukaufen.

In naher Zukunft will Bluesky verschiedene Finanzierungsmodelle testen. Über diese will das Unternehmen transparent informieren. Derzeit kannst du dir als registrierter Nutzer spezielle Nutzernamen und URL-Namen kaufen. Die Preise rangieren zwischen 10 US-Dollar und mehreren tausend US-Dollar pro Jahr.

Einen gesteigerten Feature-Umfang hast du dadurch aber nicht.

Fazit

Ich weiß, ich weiß: Sich mit Bluesky zu beschäftigen gleicht mehr einem Technikseminar als einem ungezwungenen Review eines ausgereiften Netzwerks. Bluesky befindet sich aber am Anfang seiner Entwicklung. Daher die Zugangsbeschränkungen und fehlende Funktionen, allen voran die vakanten Hashtags.

Nimmt man das alles erst einmal zur Kenntnis und nicht zur negativen Kritik, hat Bluesky schon jetzt einige vielversprechende Features. Dazu gehören das perspektivisch offene AT-Protocol, der eigene Algorithmus und überhaupt das freundlichere Gesprächsklima.

Es bliebe daher zu hoffen, dass Bluesky seine Zugangsbeschränkungen alsbald aufhebt und alle Nutzer reinlässt – und die Diskussionskultur trotzdem konstruktiv bleibt, wie es auch bei Twitter früher einmal war.

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Ein Kommentar zu “Bluesky im Test: Im blauen Himmel ist es ruhig

  1. Bluesky sperrt willkürlich Beitäge. Sas ist kein freies soziales Netzwerk. Ich finde das sehr bedenklich.

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