Freiheit den Steckdosen! Die 10er-Jahre im Rückblick

Das Trendblog blickt auf ein Jahrzehnt zurück: Peter ist süchtig nach einer Internetverbindung, besitzt aber nur noch wenige Geräte, die an der Steckdose hängen.

Freiheit den Steckdosen! Die 10er-Jahre im Rückblick
Steckdosen in meinem Wohnzimmer (Bild: Peter Giesecke)

Ich bin alt. Technik habe ich kommen und gehen sehen. Mein erster Computer war ein Commodore PC 128. So alt bin ich schon. Doch was hat das letzte Jahrzehnt mit mir gemacht? Bitte alle mal die Stecker ziehen für meinen persönlichen Rückblick!

Hätte ich das im Januar 2010 gemacht (die Stecker gezogen), wäre der Bildschirm ausgegangen und der Rechner. Vom Router ganz zu schweigen. Damals arbeitete ich an einem Computer, den ich mir noch selbst zusammengebaut hatte.

Diesen Beitrag werden viele auf einem mobilen Gerät lesen. Da gibt es nichts auszustöpseln – keinen Monitor, kein Internet, kein Garnichts. Das hat sich geändert in den letzten zehn Jahren!

Mein Smartphone ist immer bei mir. Für meine Aufmerksamkeit ein schwarzes Loch. Aber der perfekte Klugscheißergehilfe.

Freiheit den Steckdosen

Damals hingen an vielen Steckdosen in meiner Wohnung noch zwei Dreier-Steckdosen – bei IKEA auf der Rolltreppe im Vorbeifahren geschnappt und in die übergroße Tüte gesteckt. Mittlerweile habe ich sie abgenommen.

In meiner Wohnung gibt es keinen Fernseher, keine Musikanlage mit Verstärker, Radiotuner oder CD-Player. Das gab es alles in den Nullerjahren in meinen vier Wänden – zumindest zeitweise und manchmal auch nur meiner Mitbewohnerin geschuldet.

Dreifach-Steckdose
So es früher in meiner Wohnung aus: Überall Dreifach-Steckdosen, alle komplett belegt (Bild: Pixabay-/Bru-nO)

Mein Rechner hatte sogar einen externen USB-Hub mit eigener Stromversorgung. Darin steckt ein Bluetooth-Adapter, der sich mit einem Headset von Plantronics verband, über den ich telefonieren konnte – auch am Rechner, nicht nur mit dem Handy.

Das war der Fortschritt, nur zum Musikhören war er nicht geeignet. Ein Audiokabel führte vom Rechner zum Verstärker. Für unterwegs hatte ich einen MP3-Player, der aber zuhause ständig am Ladekabel hing. Das gibt es alles nicht mehr.

Notebook und Smartphone bilden die Grundlage meines gesamten digitalen Lebens. Jedes braucht ein Ladekabel. Mehr nicht.

Wo ich mich verweigere

In den letzten zehn Jahren habe ich nicht jede Entwicklung mitgemacht. Geräte sind nicht nur verschwunden, auch neue sind hinzugekommen.

Ich möchte keine Mikrofone in meiner Wohnung haben. Ich nutze keinen Sprachassistenten. Daher haben wir vor einem halben Jahr einen älteren Lautsprecher von Sonos gekauft. Doch der will nun nicht mehr mit dem iPhone meiner Frau reden. Per Update zum Elektroschrott. Auch das war vor zehn Jahren noch anders.

Meine Musik habe ich auf meinem Smartphone, meine Frau ihre auf ihrem iPhone. Wir wissen gar nicht voneinander, was wir da hören. Wir müssen fragen. Und falls ich diese Frage nicht mitbekomme, liegt das nicht an der Lautstärke, sondern am Active Noise Canelling meines Bose QC35.

Sonos Play:1
No more iPhone: Meine Frau bittet mich Musik auf dem Sonos Play:1 abzuspielen, die nicht auf meinem Smartphone habe (Bild: Peter Giesecke)

Aber wir kaufen beide noch MP3s und laden uns diese herunter. Ich habe mich bewusst gegen Spotify und andere Streaminganbieter entschieden. Ich will den Künstler bezahlen und nicht beim Hören getrackt werden.

Doch das Herunterladen ist nicht mehr so leicht, da ich Google und Amazon kein Geld geben möchte, der MP3-Dealer meines Vertrauens aber gerade die Biege macht. Kleinen Händlern die Treue zu halten, ist in den letzten zehn Jahren schwerer geworden.

Bingen, bis das Sandmännchen kommt

Bei Serien ist es anders. Hier streame ich, bis ich ins Koma falle. Netflix bekommt jeden Monat einen Beitrag von mir zum Erhalt seiner Unabhängigkeit. Amazon Prime und Sky Ticket buche ich nur ab und zu für ein paar Wochen, um wieder auf den aktuellen Stand zu kommen.

Vor zehn Jahren noch musste ich tief ins Internet hineinkriechen, um aktuelle Serien im Original zu schauen. Dazwischen gab es Bildungsfernsehen der Öffentlich-Rechtlichen aus der Mediathek.

Notebook und Katze auf dem Sofa
Auf dem Sofa wird zusammen Netflix geschaut (Bild: Peter Giesecke)

Geschaut habe ich allein vor Rechner und Monitor sitzend. Heute machen meine Frau und ich es uns auf dem Sofa bequem. Das 1,3 kg leichte Notebook liegt auf dem Knie. Beide haben Kabel im Ohr, dazu Wein und Chips in Reichweite, manchmal auch eine Katze auf dem Schoß.

Von dem Getier mal abgesehen hat Fernsehgucken eine Leichtigkeit bekommen. Wir haben kein 4K und auch keinen 65-Zoll-Monitor. Der Mittelpunkt unseres Wohnzimmers ist das Sofa, vielleicht auch der Tisch, aber bestimmt nicht die Wand.

Zahlt für das, was ihr lest

Bücher lese ich nur noch auf dem Smartphone – es sei denn, ich bekomme sie geschenkt. In der neuen Wohnung haben wir uns ein großes Bücherregal eingerichtet. Es ist nur halb gefüllt. Vor zehn Jahren hätte meine Frau es doppelt bestücken können. Und ich auch. Aufgehoben haben wir nur die Schätze, die uns etwas bedeuten. Ähnlich macht es mein Kollege Jürgen Vielmeier, der sich von fast all seinen physischen Unterhaltungsmedien getrennt hat.

Wir besitzen auch keinen E-Reader, entsprechend auch kein Ladegerät dazu. Wieder eine Steckdose frei! Oder zwei.

Bücherregal
Gute Literatur: Ein Teil der Bücher, die nicht aussortiert wurden (Bild: Peter Giesecke)

2010 habe ich noch mehrere Zeitungen und Zeitschriften abonniert gehabt. Ich habe bestimmt 30-50 Euro im Monat für Wissen auf Papier ausgegeben. Diese Abos habe ich im Laufe der Zehner-Jahre alle abgeschafft.

Dennoch gebe ich weiterhin Redaktionen Geld, damit sie arbeiten können. Wenn sie mir Erkenntnisse verschaffen, die ich woanders nicht finde. Gerade erst habe ich vom Digitalabo der c’t auf das heise-Plus-Abo umgestellt.

Meine E-Books kaufe ich über die lokale Buchhandlung fünf Häuser weiter, damit diese eine Provision erhält und noch da ist, wenn ich mal ein Buch als Hardcover brauche.

Bye Bye Samsung?!?

Ich hatte schon Smartphones in der Hand, bevor es das iPhone gab. Doch ich habe nie ein Apple-Handy besessen und bin auch erst vor vier Jahren zu Android gewechselt. Davor hatte ich einen Palm mit Palm OS, einen Palm mit webOS, ein SonyEricsson mit UIQ, ein Nokia mit Symbian, ein Samsung mit Bada und einen Blackberry mit BB10.

Ihr merkt schon: Wenn ich mich für ein Smartphone entscheide, gebe ich damit den Todeskuss – fürs Unternehmen oder fürs Betriebssystem. Zuletzt nutzte ich ein Sony Z5 Compact, und Sony Mobile kämpft gerade mit sinkenden Verkaufszahlen. Zumindest gibt es keine kleinen Smartphones mehr.

Vor wenigen Tagen habe ich mir ein Samsung Galaxy S10e zugelegt – während alle Welt nur noch Chinahandys kauft. Alle mal die Daumen drücken, dass es Samsung anders ergeht.

Peters Startbildschirm
Anders, aber doch gleich: Mein Startbildschirm 2016 (links) und 2019 nur als Ausschnitt (Bilder: Peter Giesecke)

Das Smartphone habe ich ständig in der Hand, mehr als viele andere, doch konfiguriert ist es wohl nur wie wenige. Ich habe mich nicht mit meinem Google-Konto angemeldet und den Play Store gleich deaktiviert. Meine Apps beziehe ich über F-Droid oder APKMirror.

Ich habe Telefon und WhatsApp vom Startbildschirm verbannt. Dort läuft der Niagara Launcher, der viele an ein Seniorenhandy erinnern dürfte, aber einfach nur übersichtlich ist. Die Apps, die ich am häufigsten nutze, sind K-9 Mail, Inoreader und FBReader. Damit falle ich wohl aus der Zeit. Kommunikation und Information statt Spiele und Medienkonsum. Das erinnert doch sehr an 2010.

Meine Küchenmaschine – ein smarter Move

Ich habe weder ein Smart Home noch eine Smart Kitchen – und auch kein Interesse daran. Ich gehe gerne abends durch die Wohnung und schalte jede Lampe von Hand aus. So viele sind es ja nicht.

Wenn mein nächster Backofen einen neuen Sensor haben sollte, der ihm hilft, die Temperatur besser zu halten, gebe ich gerne etwas mehr Geld dafür aus. Ich brauche aber keinen Sensor, der lediglich die Daten für eine Smartphone-App liefert, damit ich auch vom Nebenraum aus sehen kann, wie heiß es im Ofen ist.

Küchenmaschine Bosch MUM 5 mit Laugenbrötchen
Dank der Küchenmaschine Bosch MUM 5 gibt es jetzt am Wochenende selbst gemachte Brötchen zum Frühstück (Bild: Peter Giesecke)

Die wichtigste Anschaffung in den letzten zehn Jahren war die Küchenmaschine. Die Bosch MUM 5 knetet mir den Brötchenteig am Wochenende. Mehr ist eigentlich nicht dazugekommen. Andere Geräte haben wir lediglich ausgetauscht – vor allem beim Umzug. Der Elektroherd wurde vom Gasherd abgelöst, dieser vom Induktionskochfeld.

Ingesamt habe ich in meiner Küche nicht viel mehr Geräte als vor zehn Jahren. Bei einer Neuanschaffung achte ich mehr auf Qualität als auf möglichst viele Funktionen.

Fazit: Nicht wirklich neu alles. So what?

In den letzten zehn Jahren hat sich viel verändert. Die Geräte sind leichter geworden und unabhängiger von Kabeln und Steckdosen. Musik, Serien, Bücher – alles lässt sich einfacher konsumieren. Dennoch bleibt das Gefühl, dass dies alles nur eine graduelle Verbesserung ist.

In den Neunziger Jahren kam das Internet zu mir ins Haus, seit den Nuller-Jahren kann ich es als Smartphone mitnehmen. In den Zehner-Jahren gab es nichts, das etwas so fundamental aufgebrochen hat. Keine Smartwatch hat diese Hoffnung erfüllt, kein Smart Speaker. Und auch keine bunte Lampe mit eigener Smartphone-App.

Aber mit dem Ultrabook auf dem Sofa zu chillaxen, fühlt sich gerade ziemlich geil an.

Dieser Beitrag ist Teil eines umfassenden Rückblicks auf die 2010er-Jahre und darauf, wie sich unser Leben seit der Jahrtausendwende verändert hat. Weitere Beiträge dazu folgen in den kommenden Wochen auf dem Trendblog. Welche Meinung habt ihr zu dem Thema? Sagt es uns in den Kommentaren!

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