Mit besserer Bildgestaltung, Belichtung und durchdachter Bildaussage können Hobbyfotografen selbst mit dem Smartphone schon viel erreichen. Und doch gelangt ihr irgendwann an den Punkt, an dem die Wahl einer richtigen Kamera ansteht. Es muss nicht gleich eine Vollformatkamera sein. Mit der gehobenen Klasse der APS-C-Systemkameras könnt ihr meist ausgezeichnet arbeiten. Das zeigte sich in meinem Test mit der Fuji X-T30, ausgerüstet mit dem Fujinon-Objektiv XF 18-55mm F2.8-4.
Bedienbarkeit: Fuji hat an fast alles gedacht
Eine gute Bedienbarkeit für Systemkameras heißt: Möglichst schneller Zugriff auf die wichtigsten Einstellgrößen. Die Fuji X-T30 bietet das auf verhältnismäßig kleinem Raum. Programmwahl, Verschlusszeit und Belichtungskorrektur haben ein eigenes Wahlrad. Weitere Größen erlaubt euch die Kamera über zwei weitere Rädchen rechts vorne und rechts hinten zu verstellen, zum Beispiel die Blende oder die Lichtempfindlichkeit (ISO).
Das einzige, was mir dabei fehlte, war ein schneller Zugang zum Weißabgleich. Hier musste ich über das Quick-Menü gehen oder die Funktion auf einen Schnellwahlknopf auslagern. Eine gute Hilfe hierbei übrigens: Fuji verbaut rechts neben dem sehr ordentlichen Display einen Joystick, der euch schnell im Menü navigieren lässt. Er kann außerdem dazu dienen, den Fokuspunkt schnell zu verschieben. Das gelingt mit etwas Übung auch gut. Seine Beweglichkeit war mir allenfalls in Teilen etwas zu nachgiebig.
Toll wiederum das QuickMenu, das ihr mit einem Druck auf das Q-Symbol ganz rechts öffnet. Hier habt ihr standardmäßig den Zugriff auf die meisten, zweitwichtigsten Eigenschaften wie eben Weißabgleich, Bildgröße, Dynamikbereich und vor allem ISO. Mit dem Joystick oder per Touschscreen wählt ihr die Funktion aus und passt sie mit dem vorderen Fokusring sofort an. Auch das QuickMenu könnt ihr laut Fujifilm frei mit euren Lieblingseinstellungen konfigurieren. Geht ohnehin davon aus, dass ihr in der Fuji X-T30 nahezu jede Kleinigkeit für euch einstellen könnt. Eine genaue Beschreibung, was alles möglich ist, liefert das fast 300(!)-seitige Handbuch.
Ganz nebenbei hat Fuji einen ausgezeichneten Sucher in die X-T30 eingebaut, der ein hervorragendes Bild liefert und kaum vor dem Gehäuse hervorsteht. Wie bei besseren Kameras üblich, könnt ihr den Sucher auf eure Sehstärke einstellen. Ich selber arbeite lieber mit dem Display – auch das bei der Kamera durchaus ein Vergnügen.
Fujifilm X-T30: Alles eine Frage der Einstellung
Über das Menü könnt ihr auswählen, ob ihr den Touchscreen zum Fokussieren oder Auslösen benutzen wollt. Beides geht allerdings auch wunderbar über den ganz gewöhnlichen Auslöser.
Ein kleiner Fehler ist mir an meinem Testgerät aufgefallen. Wenn die Kamera es mehrmals nicht schafft, auf einen Punkt zu fokussieren, kommt die beharrliche Bitte, die Kamera aus- und wieder einzuschalten, was für mich nach einem Bug klingt. Auf den Fehler aufmerksam geworden, vermutet Fujifilm einen Software-Fehler des Objektivs dahinter. Man würde sich um eine schnelle Lösung bemühen.
Kommt ihr beim Tippen auf auf das Display zu nah an den Sucher, schaltet die Automatik diesen ein und das Display aus. Leicht verwirrend, gerade für Kamera-Neulinge. Diese Funktion ist zumindest voreingestellt. Mit dem Knopf „Mode View“ direkt rechts neben dem Sucher könnt ihr die Sensorik ausschalten oder gleich den ganzen Sucher aus und nur das Display ein, oder umgekehrt. Fünf Einstellmöglichkeiten stehen euch hier zur Verfügung.
Schön, dass sich das Display um 90 Grad nach oben klappen lässt, wenn ihr etwa rückenschonende Aufnahmen aus der Froschperspektive schießen wollt. Sehr schade allerdings, dass sich das Display nicht um 180 Grad nach oben oder zur Seite wegklappen lässt. Die (hochqualitativen) Videos der Fuji X-T30 dreht ihr also nur als Kameramann. Wollt ihr Selfies schießen oder selbst vor der Kamera etwas präsentieren, habt ihr keinerlei Kontrolle darüber, wie das Ergebnis schließlich aussehen wird. Auch eine LED, die anzeigt, ob die Kamera gerade aufnimmt, leuchtet nur hinten, nicht vorne.
Dass ein eigener Videoaufnahme-Button fehlt, wie ihn viele Kameras (auch von Fuji) haben, habe ich derweil nicht als großes Problem empfunden. In der Programmwahl steht euch ein eigenes Videoprogramm zur Verfügung. Start und Stopp der Aufnahme ist dann jeweils mit dem Auslöser. Fujifilm weist außerdem darauf hin, dass die X-T30 in erster Linie für Foto-Enthusiasten konzipiert worden ist. Mehr Eigenschaften für Selfie-Videos gibt es etwa in der dafür prädestinierten X-T100.
Anschlüsse für Fernauslöser oder externes Mikrofon sind drin, ebenso Micro-HDMI und ein USB-C-Kabel zum Direktladen des Akkus. Das gelang mir sogar über eine Solarzelle und ging durchaus flott von der Hand. Der Akku ist nicht der allerausdauerndste der Welt, aber auf Niveau anderer Systemkameras. Wer von einer Spiegelreflexkamera zu einer spiellosen wechselt, erlebt ohnehin einen Kulturschock, was die kurze Akkulaufzeit anbelangt. Das ist bei der Fuji nicht anders. Vergleichbar ist das mit einem Wechsel vom Handy aufs Smartphone.
Einige Nachteile der Bedienung
Schade, dass Fuji den Einschub für Akku und Speicherkarte unten, direkt neben dem Stativanschluss unterbringt. Wer auf einer ausgedehnten Fotosession ist und mit Stativ fotografiert, muss das Stativ also immer erst abschrauben, bevor er mal eben schnell Akku oder Speicherkarte wechseln kann.
Das Spiegeln der Bilder auf ein Smartphone gelingt mit der Fuji Remote App. Damit könnt ihr neu geschossene Bilder direkt auf der App anschauen oder sogar die Kamera fernsteuern. Alles allerdings leider nur etwas zeitverzögert. Außerdem für meinen Geschmack ein Schritt zu viel. Bilder der Kamera sollten idealerweise sofort in der Smartphone-Galerie auftauchen und von Apps wie WhatsApp und Instagram dort gefunden werden. Das kann das Fuji-System allerdings nicht.
Zwischenfazit: Bedienung überzeugt
Im Einsatz kam ich mit der Fuji X-T30 schnell zum Zuge. Das Einschaltrad einmal kurz gedreht, und die Kamera ist praktisch sofort startklar. Die Einstellungen auf euch einzupassen, dauert ein wenig, aber dann beherrscht ihr praktisch jede Einzelheit der Kamera.
Zumindest wenn es hell ist. Bei einigen Nachtaufnahmen von der Bonner „Skyline“ konnte ich nicht erkennen, welche Werte in den oberen Einstellrädchen eingestellt waren. Ich musste die Taschenlampe meines Smartphones zur Hilfe nehmen. Fujifilm gab mir noch den Hinweis, dass ihr im eingeschalteten Sucher natürlich auch bei Dunkelheit die aktuellen Einstellungen ablesen könnt.
Kurzum: Handhabung und Design der Fuji X-T30 gehen bis auf einige Kleinigkeiten voll auf. Für meine Ansprüche hätte die Kamera sogar noch ein klein wenig kompakter sein können, aber ich habe dennoch nicht das Gefühl, dass Fuji hier viel Platz verschenkt.
Allein dass Fujifilm die X-T30 ohne hochklappbares Displays als reinen „First-Person-Shooter“ konzipiert hat, ist ein kleines Manko. Videos dreht die Generation YouTube eben meist vor der Kamera und nicht dahinter. Fairerweise sei aber auch auf Fujifilms Argument hingewiesen, dass die X-T30 in erster Linie für Fotografen konzipiert worden ist und es für Selfie-Videoaufnahmen besser geeignete Kameras aus eigenem Hause gibt.
Bildqualität: Kann sich sehen lassen
Lassen wir Bilder sprechen. Mit der Fujifilm X-T30 nahm ich einige Bilder auf, von denen ich begeistert bin. Dass es dazu oft mehrerer Versuche bedurfte, sei aber auch nicht verschwiegen. Ob ein Bild hell genug oder verwackelt ist, erfuhr ich nicht selten erst bei der Betrachtung am Rechner. Auf dem Display sah alles hell und scharf genug aus. Nicht immer war das die Wahrheit.
Hier zahlte ich etwas Lehrgeld, obwohl ich die Faustregel: Verschlusszeit gleich umgekehrte Brennweite eigentlich immer beherzigte. Zu dunkel ist weniger ein Problem, verwackelt schon eher. Ärgerlich aber wurde es, wenn der Autofokus nicht mitkam. Als ich ein festhalten wollte, wie Nachbars Katze auf Besuch durch meine Wohnung stolzierte, kam der Autofokus trotz ausreichender Lichtverhältnisse schlicht nicht mit. Aus diesen Gründen hier zur Verdeutlichung auch ein Blick auf einige meiner misslungenen Bilder mit der Fuji X-T30:
Wer meistens mit dem Smartphone fotografiert, der kann sich eigentlich darauf verlassen, dass das Bild schon irgendwie hell genug wird. Im schlimmsten Falle ist es dann verrauscht, aber nicht verwackelt. Dass professionelle Kameras wie die Fuji X-T30 in der Goldenen Stunde oder bei Indoor-Fotografien bei Verschlusszeiten von 1/60, Blende 3.5 und ISO 3200 zu Weilen immer noch nach mehr Licht schreien, ist für den Anfänger schwer nachzuvollziehen, aber wohl auch nur für den.
Schöne Bilder mit der Fuji X-T30
Beherzigt ihr alle Einstellungen und nutzt die Möglichkeiten von Blende, Verschluss und Weißabgleich voll aus, kommen selbst bei hohen ISO-Zahlen mit der Fuji X-T30 noch fantastische Bilder heraus. Hier eine kleine Auswahl:
Wunderschön sind die Filmsimulationen der Fuji X-T30. Provia ist der Standard. Wer möchte, kann auf das lebhaftere Velvia, die weicheren Astia und Classic Chrome und weitere für Schwarzweißfotografie oder schönere Porträts auswählen. Für die Videoaufzeichnung steht die Kinosimulation Eterna zur Verfügung. Hier der gleiche Roller in drei verschiedenen Filmsimulationen geschossen. Die X-T30 bietet auch ein Bracketing dafür an, nimmt also eine Belichtungsreihe mit unterschiedlichen Filmtypen auf.
Fazit: Liebe auf den ersten und dann noch einmal auf den dritten Blick
Die Fujifilm X-T30 ist als Retro-Kamera konzipiert und deswegen gleich beim ersten Anblick wunderschön. Das ungewöhnliche Motivrad, einige nicht perfekt gewählte Voreinstellungen und die fehlende Möglichkeit, den Spiegel für Videos nach vorne zu klappen, trüben den zweiten Eindruck ein wenig. Ihr müsst euch erst einmal durch die schier endlosen Möglichkeiten durchhangeln und dazu auch hin und wieder das daumendicke Handbuch zu Rate ziehen.
Habt ihr die Funktionen erst einmal verinnerlicht und dann schon festgestellt, dass ihr beinahe alles auf eure eigenen Bedürfnisse abstimmen könnt, kommt ihr von der Fuji X-T30 nicht mehr los. Zumal ihr – ganz nebenbei – wunderschöne Fotos mit ihr schießen könnt. Ich muss sie nun schweren Herzens wieder abgeben. Bisher war ich eigentlich immer mit Sony unterwegs und damit auch sehr zufrieden. Aber Fujifilm ist nun zumindest eine gut vorstellbare Alternative für mich.
Update mit einzelnen Stellungnahmen Fujifilms.
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