Wichtiger als Gigabit: Geld zurück, wenn das Internet stockt

Erst wurde Breitband-Internet für jeden versprochen, jetzt sogar Gigabit-Geschwindigkeit. Doch der Kunde steht mit seinen Problemen oft alleine da. Das muss sich ändern!

Wichtiger als Gigabit: Geld zurück, wenn das Internet stockt
Durch die Verschlüsselung des VPN-Tunnel sinkt die Bandbreite, durch den längeren Weg die Latenz (Bild: Unsplash/cadop)

Ganz gleich, welche Regierung wir demnächst bekommen, bis 2025 soll das Internet in Deutschland „flächendeckend“ zu Gigabit-Netzen ausgebaut werden. Jeder Haushalt soll dann Daten mit einem Gigabit pro Sekunde herunterladen können, also mit 1.000 Megabit pro Sekunde. Doch so schön die Vorstellung auch ist, sie kommt mir irgendwie bekannt vor.

Glasfaser bis ins Haus? Oder nur zum Kabelverzweiger?

2014 wurde bereits angekündigt, bis 2018 allen Haushalten in Deutschland einen Breitbandanschluss mit 50 Mbit/s zu ermöglichen. Doch nur drei von vier können derzeit einen solchen bestellen. Das ist eine große Lücke. Und wenn sich die Fehler der letzten Jahre wiederholen, wird auch das Gigabit-Ziel verfehlt werden.

Die Bundesnetzagentur zeigt, dass sich der Breitbandausbau in Deutschland verlangsamt. Nur 77 Prozent der Haushalte konnten Mitte 2017 einen Internetanschluss mit 50 Mbit/s buchen (Screenshot vom Tätigkeitsbericht 2016-2017)
Die Bundesnetzagentur zeigt, dass sich der Breitbandausbau in Deutschland verlangsamt. Nur 77 Prozent der Haushalte konnten Mitte 2017 einen Internetanschluss mit 50 Mbit/s buchen (Screenshot vom Tätigkeitsbericht 2016-2017)

Das Allheilmittel heißt diesmal Glasfaser. Im Ergebnispapier, das CDU, CSU und SPD zum Abschluss der Sondierungsgespräche vorgelegt haben, heißt es, dass zukünftig nur die Ausbauschritte förderfähig sein sollen, die mit Glasfaser ausgebaut werden. Das hört sich gut an, lässt jedoch einige Fragen offen.

So wird nicht klar, ob damit die Häuser bzw. Wohnungen, in denen die Menschen leben, angeschlossen werden sollen oder bloß die Kabelverzweiger in den Straßen. Per VDSL-Vectoring müssten die Daten dann auf den letzten Metern noch über Kupferkabel geleitet werden. Um herauszufinden, was wirklich gemeint ist, werden wir wohl den Koalitionsvertrag abwarten müssen und dann, was Bundestag und Ministerien daraus machen.

Nicht aus den Fehlern gelernt

Die politischen Vorgaben für Vectoring waren eines der Probleme, die zum verzögerten Ausbau geführt haben. Vectoring ist eine Erweiterung des VDSL-Standards. Sie soll das Übersprechen zwischen einzelnen Kupferleitungen verhindern, die im Bündel direkt nebeneinander liegen. Das Übersprechen stört nicht nur Sprachverbindungen (fremde Stimmen in der Leitung), sondern auch die Internetsignale, so dass letztlich Bandbreite verloren geht.

Glasfaser kann bis in die Wohnung reichen oder auch nur bis zum Kabelverzweiger (Bild: Telekom)
Glasfaser kann bis in die Wohnung reichen oder auch nur bis zum Kabelverzweiger (Bild: Telekom)

Durch die Vectoring-Technik lassen sich diese Störungen herausrechnen. Doch dafür müssen alle Leitungen in der Hand eines Anbieters liegen. Meist ist dies der Ex-Monopolist Deutsche Telekom – aber nicht immer. Andere DSL-Anbieter können das fertige Produkt dann zwar mieten, haben aber keine Möglichkeit mehr, sich technisch zu differenzieren. Den DSL-Anbieter zu wechseln, ergibt dann keinen Sinn mehr.

In Wohngebieten mit hoher Kaufkraft haben deshalb DSL- und Kabel-Anbieter ihre Netze parallel ausgebaut, um möglichst viel vom Kuchen abzubekommen. Das hört sich erst einmal nach mehr Wettbewerb an. In abgelegenen Gebieten jedoch stockte der Ausbau: zu hohe Investitionen, zu wenig potentielle Kunden. Und die bisherigen Kunden zahlten auch für wenig Leistung.

Zählt auch Breitband über Mobilfunk?

Dieser ungleiche Ausbau war einer der Gründe, dass jetzt nur Dreiviertel der Haushalte 50 Mbit/s haben können, obwohl eine Versorgung zu huntert Prozent versprochen worden war. Und falls die Glasfaser-Förderung auch für die Erschließung neuer Kabelverzweiger für Vectoring-Anschlüsse gelten sollte, wird sich daran auch nicht viel ändern.

5G wird mehr Bandbreite bringen, auf dem Land aber kaum neue Standorte. Ob dann Gigabit-Internet wirklich beim Nutzer ankommt? (Bild: Telekom)
5G wird mehr Bandbreite bringen, auf dem Land aber kaum neue Standorte. Ob dann Gigabit-Internet wirklich beim Nutzer ankommt? (Bild: Telekom)

Ebenfalls gefördert werden soll die nächste Mobilfunkgeneration 5G. Die Lizenzen werden wohl an Auflagen beim Aufbau gekoppelt. Doch zählen Mobilfunkmasten auf dem Land, die in einer Funkzelle theoretisch mit Gigabit senden können, bereits als erreichtes Ziel? Wer dort schon Breitband-Internet aus der Luft erhält, kann zwar mit 50 Mbit/s surfen, aber nur so lange, bis das Datenvolumen aufgebraucht ist. Echte Flatrates gibt es dort nicht, die ersten Gigabit-Smartphones aber schon.

Schade finde ich, dass die Diskussion um den Ausbau der Breitbandnetze sich immer nur um die Leitungen dreht, die ins Haus führen, nicht aber bis in die Wohnung. Die Vorgabe der Politik lautet: Liebe Wirtschaft, verlegt das Kabel bis ins Haus, macht einen Speedtest. Wenn dort die richtige Zahl erscheint, war’s das auch schon.

Wir Kunden resignieren immer mehr

Doch was passiert, wenn ihr Vectoring habt, aber DSL nicht funktioniert, weil schlechte Leitungen im Haus liegen? Sicherlich könnt ihr euch beim Provider beschweren, sogar x-mal, bis endlich ein Techniker vorbeigeschickt wird. Doch wenn der keinen Fehler findet, den der Provider verschuldet hat, muss der Nutzer sogar noch dafür zahlen.

Jetzt den Internet-Provider anrufen? Viele warten einfach ab, bis es wieder etwas schneller ist. (Screenshot von fast.com)
Jetzt den Internet-Provider anrufen? Viele warten einfach ab, bis es wieder etwas schneller ist. (Screenshot von fast.com)

In meinem Bekanntenkreis trauen sich viele nicht, sich zu beschweren. Hohe Latenz oder sogar sekundenlange Aussetzer im Stream? Sie nehmen es hin, denn sie können das Problem nicht ausreichend beschreiben. Sie fragen sich: Warum ist das Internet so langsam? Die Resignation setzt spätestens dann ein, wenn sie in der Hotline beschimpft worden sind. Auch das kommt nicht selten vor.

Ich finde, die Vorgabe der Politik dürfte nicht lauten: 50 Mbit/s im Jahr 2018 für den Hausanschluss bzw. Gigabit im Jahr 2025. Stattdessen sollten 90 Prozent der Nutzer mit ihrem Anschluss zufrieden sein. Oder achtzig. Die Unternehmen werden das viel zu schwammig finden, doch untereinander machen sie es auch so. Service Level Agreements nennt sich das im BWL-Sprech.

Speedtest als Grundlage für Beschwerden

Erste Ansätze gibt es bereits. Die Bundesnetzagentur bietet unter breitbandmessung.de und alternativ als App ein Tool an, dass erst einmal ein normaler Speedtest ist. Doch die Messungen darüber können Grundlage für eine Beschwerde bei der Aufsichtsbehörde sein. Warum sollten die Nutzer auf diese Weise nicht auch einen Teil ihrer Grundgebühr erstattet bekommen, wenn das Internet mal wieder im Schneckentempo ins Haus kommt? Wenn der ICE Verspätung hat, geht dies doch auch.

Doch jetzt mal Hand aufs Herz: Wer braucht denn wirklich einen Internetanschluss mit Gigabit-Geschwindigkeit? Zweifelsohne wird der Datenverkehr in Zukunft anwachsen, doch das sind vor allem neue Anwendungen: autonomes Fahren, Telemedizin, Internet der Dinge, E-Learning, Gaming und dessen Videoübertragung. Dafür muss vor allem der Backbone erweitert werden und wie die einzelnen Provider im Peering Daten untereinander austauschen.

Fazit: Neue Prioritäten beim Inernetausbau

Ich persönlich brauche kein Gigabit, nicht einmal 50 Mbit/s. Bestellt habe ich mal 32 Mbit/s. Vodafone Kabel hat mich einfach auf 100 Mbit/s hochgestuft – ohne zu fragen. Das hätte ich angeblich einen Mitarbeiter an der Tür gesagt. Momentan stört es mich nicht: Zwei Jahre haben alle Anschlüsse den gleichen Preis. Doch dann muss ich darauf bestehen, den niedrigen Preis zu zahlen – weil ich nicht so viel Geld ausgeben möchte und mir etwas weniger Bandbreite einfach reicht.

Ich wünsche mir von Unternehmen und Politik nicht mehr Bandbreite, sondern vor allem Ausfallsicherheit, niedrige Latenz, Zukunftssicherheit und eine Kommunikation mit dem Provider, die es für mich rechtssicher macht.

Beitragsbild: Unsplash/cadop

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2 Kommentare zu “Wichtiger als Gigabit: Geld zurück, wenn das Internet stockt

  1. Wie schon zuvor mal bei euch geschrieben: ich gehöre zu den 3/4, die mit „mind. 50 Mbit/s“ buchen können, seit Juli ´14 VDSL 50, seit Februar ´15 VDSL 100, von denen auch 95000 kommen.

    Und wer die Versprechen von Politikern als das nimmt, was sie sind…der konnte nix anderes erwarten und wird nix anderes erwarten – alles andere ist blauäugig.

    Mit dem „brauchen“, nun ja. „Haben ist besser als brauchen“ sag´ ich immer – wobei die Mehrkosten heute SO doll nicht sind. Wieviel sparst du denn ein, bei etwas weniger Bandbreite? 5,- im Monat, oder mehr?
    ——————————-
    Ich traue mich auch durchaus, mich zu beschweren – ich könnte auch ausreichend beschreiben. Und wenn mich jemand per Telefon beschimpft, ich kann zur Not zurückschimpfen, dass dem die Ohren abfallen – habe das in anderem Zusammenhang auch schon mal getan…

    …z.B. einem ~ Inder/Asiaten gegenüber (so habe ich dessen Englisch eingeschätzt), der mir vorlügen wollte, das er von/für Microsoft anruft. Der (oder die) haben es an zwei Tagen drei Mal versucht – zuerst habe ich nur zurückgesagt, er soll sich einen anderen Dummen suchen, beim letzten Male bin ich seeehr deutlich geworden.

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