Der Artikel wurde am 3. September 2019 veröffentlicht und am 19. September 2019 aktualisiert.
Der Begriff Smart Feature Phones stammt von den Schöpfern des Betriebssystems KaiOS, das in erster Linie für klassische Mobiltelefone gedacht ist. Es bietet aber auch moderne Elemente, die wir heutzutage erwarten. Die Smart Feature Phones sind gewissermaßen einfache Smartphones zu einem attraktiven Preis. Für manche könnten diese Nischenprodukte besonders nützlich sein.
Was sind Smart Feature Phones?
Der Name deutet es schon an: Wir reden hier über Feature Phones, also klassische Handys mit echten Tasten und kleinen Displays. Wie die alten „Knochen“ vor der Smartphone-Ära halten die Akkus gut und gerne zwei, drei Wochen im Standby-Betrieb. Zugleich aber verfügen sie über smarte Funktionen. Appstore, Internet, 4G, WIFI-Hotspot, Mail, Speicherkartenslot, NFC, GPS, WLAN, Kamera, Social Media, YouTube und Messenger – alles dabei, was wichtig sein könnte.
Der meiner Meinung nach eigentliche Clou ist, dass die Smart Feature Phones oftmals wie Retro-Telefone aus den 1990ern aussehen, aber doch ein zumindest halbwegs zeitgemäßes Innenleben besitzen. Ebenso sind sie in der Regel sehr günstig, die teuersten Vertreter hierzulande kosten um die 100 Euro.
KaiOS – das Betriebssystem für smarte Feature Phones
Während die simplen Feature Phones (gerne auch Dumbphones genannt) wie das Nokia 3310 auf teils antike Betriebssysteme aufbauen, geht KaiOS Technologies seit einigen Jahren einen anderen Weg. Basierend auf dem in seiner Ursprungsform gescheiterten Firefox OS beziehungsweise Linux für mobile Systeme entstand eine Plattform für billige Telefone, die sich vor allem (aber nicht nur) in Entwicklungsländern größter Beliebtheit erfreuen. Über 100 Millionen Geräte mit dem OS verkauften diverse Hersteller in mehr als 100 Ländern – darunter auch Deutschland.
2018 investierte Google 22 Millionen US-Dollar in das Startup, um die Verbreitung eigener Anwendungen zu steigern. Daher schafften es auch Google Maps, YouTube oder gar der Google Assistant auf Millionen KaiOS-Telefone. Seit einigen Wochen gilt das auch für WhatsApp, das KaiOS Technologies ab dem 3. Quartal 2019 quasi auf allen neuen Smart Feature Phones vorinstalliert.
Die Eigenheiten von KaiOS
Ein weiterer interessanter Aspekt: KaiOS verlangt keine anspruchsvolle Hardware. Bereits auf einfachen Handys mit 256 MB Arbeitsspeicher ist es lauffähig. Das ermöglicht es Herstellern, günstige Telefone in den Handel zu bringen. Da KaiOS die populären Programmiersprachen HTML5, Javascript und CSS nutzt, lassen sich Apps leicht programmieren, was die Einstiegshürde für Entwickler senkt. Und die Software-Basis ist es, die zu einem Akku-schonendem Betrieb führt.
Doch das Ganze hat auch Schattenseiten: Den Komfort heutiger Smartphones kann KaiOS nicht erreichen. Denn wie damals tippt ihr mit Tasten Texte, statt bequem eine Tastatur auf einem Touchscreen zu verwenden. Zwar ist die Oberfläche bewusst für kleine Bildschirme mit zum Beispiel 2,5 Zoll optimiert, das Anschauen von YouTube-Videos bei recht niedrigen Auflösungen ist allerdings nicht wirklich ein Erlebnis. Dafür lassen sich Smart Feature Phones mit KaiOS individuell gestalten und dank des KaiStore im Funktionsumfang erweitern. Der App-Marktplatz ist gut gefüllt, auch wenn er nicht die gleiche Vielfalt wie der Google PlayStore oder der Apple AppStore bieten kann.
Welche Telefone verwenden KaiOS?
Wie angedeutet: Telefone mit KaiOS sind gegenwärtig vor allem für Schwellenländer gedacht. Erfolgreich sind dort zahlreiche JioPhone-Modelle. Das WizPhone WP006 oder Positivo P70S dürften niemals in hiesige Gefilde kommen, die Produzenten verkaufen diese in Indien, Indonesien oder Brasilien.
Doch erste Firmen wagten sich mit KaiOS-Handys auch nach Deutschland. Und das aus gutem Grund: Das Betriebssystem ist modern, erhält regelmäßig Updates und ist gegenüber der Software bisheriger Feature Phones und Seniorenhandys wahrlich ein Quantensprung Richtung Gegenwart. Trotzdem: Das Angebot ist noch überschaubar…
Nokia 8110 4G: Comeback des Kults
Das Nokia 8110 4G (Shoplink) ist der prominenteste Vertreter aus dieser Liste. Das liegt freilich daran, dass es sich um eine Neuauflage des „Matrix“-Handys aus den späten 1990er-Jahren handelt. Das Betriebssystem nennt sich Smart Feature OS, ist aber ein KaiOS-Ableger mit dezenten Anpassungen. Im Inneren werkelt ein Qualcomm Snapdragon 205 Prozessor (Dualcore), der Unterstützung von 512MB RAM erhält. 4GB Flash-Speicher, 2 Megapixel-Kamera, WIFI, GPS, UKW-Radio und Bluetooth 4.1 gehören zum Standard. LTE, DualSim und microSD-Speicherkartenslot bekommt ihr auch.
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Das „Banana Phone“ sieht auch im Jahr 2019 gerade in der gelben Ausgabe sehr cool aus und eroberte sogar mein Herz recht schnell. Die Akkulaufzeit beträgt zweieinhalb Wochen, dafür müsst ihr euch mit einem 2,45 Zoll großen TFT (240 x 320 Pixel) abfinden. Und der tolle Schiebemechanismus, der die Tastatur verbirgt, ist leider – wie ich bei einem Test feststellte – etwas wackelig. Andererseits ist der Preis sehr verlockend…
Alcatel Go Flip: Klapphandy mit zwei Displays
Obwohl das Alcatel Go Flip nur in den USA erhältlich ist, sei es an dieser Stelle erwähnt. Denn es handelt sich um ein praktisches Klapphandy der klassischen Art. Abgesehen vom dezent kleineren Akku (1350 mAh) und Bluetooth 3.0 ist es technisch mit dem Nokia 8110 4G identisch.
Clever am Go Flip ist das zweite Display auf dem oberen Klappteil, auf dem ihr Benachrichtigungen erhaltet. Gerade für (ältere) Klapphandy-Liebhaber wäre das Go Flip ein guter Kauf.
Cat B35: Für Outdoor-Freunde
Das Cat B35 (Shoplink) ist fast unkaputtbar. Es ist bis zu 35 Minuten in 1,2m Tiefe wasserdicht, kann aus 1,8m Höhe auf Beton fallen und ist vor Staub geschützt (IP68). Extremtemperaturen hält es auch Stand. Der 2300 mAh starke Akku soll eine Standby-Zeit bis zu 30 Tage ermöglichen – beeindruckend.
Auch hier gibt’s einen ausreichend bemessenen Qualcomm-Prozessor, 512MB RAM, 4GB Flash-Speicher, LTE, GPS, WIFI und Bluetooth 4.1. Von dem 2,4 Zoll großen Bildschirm solltet ihr keine Sensationen erwarten. Der ist nun einmal… klein.
Doro 7060: Das Senioren-Telefon
Der Hersteller Doro ist auf Senioren-Telefone spezialisiert. Und an die richtet sich auch das Doro 7060. Interessanterweise bietet dieses Smart Feature Phone ein paar bessere Elemente als die anderen KaiOS-Mitbewerber. 3-Megapixel-Kamera, 2,8-Zoll-Display (also etwas größer), ein besonders lauter sowie klarer Klang und Zweitdisplay wie beim Alcatel Go Flip könnten sogar ein (etwas) jüngeres Publikum ansprechen.
Technisch orientiert sich das Doro 7060 (Shoplink) an den anderen hier erwähnten Telefonen. Die so gesehen weitgehend einheitliche Hardware hat den Vorteil, dass das Betriebssystem via Autoupdate-Funktion stets aktuell gehalten wird. Derzeit verfügen alle aktuellen Smart Feature Phones über KaiOS 2.5.
Nokia 800 Tough: Für den harten (Arbeits-)Alltag
Mit dem neuen Nokia 800 Tough möchte HMD in erster Linie dem Mitbewerber Cat Paroli bieten. Bezogen auf die technischen Daten unterscheidet sich das erste Outdoor-Handy von Nokia/HMD kaum von den Konkurrenten: Qualcomm 205-Chip, 512MB RAM, 2,4 Zoll QVGA-Display. Interessanter ist sicherlich die IP68-Zertifizierung. Ohne schaden übersteht das Gerät einen Fall aus 1,8m Höhe.
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Das Nokia 800 Tough verfügt über zwei SIM-Slots, 4G, microSD-Speicherkartenslot und einen 2100 mAh Akku. Der hält mit einer SIM-Karte und aktiviertem 4G 34 Tage. Das ist beeindruckend. Bei 3G verlängert sich die Laufzeit sogar auf 43 Tage. Generell möchte HMD nicht nur Outdoor-Anhänger, sondern auch Business-Kunden ansprechen, die ein stabiles Handy benötigen. Zum Beispiel auf der Baustelle.
Nokia 2720 Flip: Klapphandy von Nokia/HMD
Nokia hat ein großes Retro-Herz. Anders kann man sich die Rückkehr des klassischen Flip-Phones wohl nicht erklären. Das sieht in den verschiedenen Farben recht hübsch aus, unterscheidet sich aber gegenüber dem Alcatel Go Flip kaum. Denn auch hier gibt’s den damals beliebten Klappmechanismus und einen zweiten Bildschirm (1,3 Zoll, 240 x 240 Pixel) auf der (geschlossenen) Oberseite.
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Der 1500 mAh Akku schafft immerhin bis zu 21 Tage bei 4G und mit einer SIM-Karte, was gegenüber eigentlich jedem Smartphone noch immer ein sensationeller Wert ist. Im Inneren werkeln KaiOS-typische Komponenten, also Qualcomm 205, 512MB RAM und 4GB Flash-Speicher. Für ältere Semester praktisch: Nokia bietet extra große Tasten sowie einen „Emergency Button“ für Notfälle. Hier schielt man sicherlich Richtung Senioren-Handys von Doro.
Für wen sind Handys mit KaiOS geeignet?
Erwartet uns mit den Smart Feature Phones künftig ein kleiner Trend? Denn in Zeiten, in denen wir schon selbst bemerken, dass ein zu intensiver Smartphone-Konsum nicht gesund sein kann, suchen wir vielleicht bald nach Lösungen für dieses Problem. Und hier könnten solche Telefone dabei helfen, einerseits (lange) Erreichbarkeit (auch über WhatsApp) zu gewährleisten, andererseits die Gefahr der Ablenkung vom Leben etwas zu verringern.
Denn ein gewaltiges Vergnügen ist es nicht, auf kleinen Bildschirmen im Netz zu surfen oder in den sozialen Netzwerken zu agieren. Es ist möglich und geht im Notfall. Das genügt womöglich manchen im Alltag. In den kommenden Jahren erwarten Analysten, dass über 350 Millionen solcher Geräte weltweit verkauft werden – das ist schon eine beachtliche Zahl.
Smart Feature Phones eignen sich auch gut für Senioren, die komplexe Smartphones ablehnen, aber trotzdem mit ihrer Familie in Kontakt bleiben wollen. WhatsApp ist schließlich (neuerdings) dabei. Nostalgiker, die eine klassische Bedienung bevorzugen, kommen sicherlich ebenso auf ihre Kosten. Und es sind nicht wenige Leute, die am Smartphone nur Google Maps und eine einfache Kamera für Schnappschüsse brauchen. Wozu sollten sie sich ein Smartphone für 300 Euro und mehr zulegen, wenn ein Smart Feature Phone reicht? Ach, und ein solches Telefon ist natürlich ein prima Zweithandy mit einer fantastischen Akkulaufzeit, von der Smartphones nur träumen können.
Was haltet ihr von diesen Smart Feature Phones beziehungsweise einfachen Smartphones wie dem Nokia 8110 4G? Würdet ihr euch so etwas zulegen?
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