WTF?! 109 Entsperrungen und fast drei Stunden Nutzungsdauer zeigte mir die App „Quality Time“ für einen eigentlich ganz normalen Wochentag an. Die Anwendung ist in der Lage, eure Aktivitäten am Smartphone zu protokollieren und euch so zu zeigen, wie viel Zeit ihr an eurem Telefon hängt. Etwas Sorge bereiteten mir diese Informationen schon. Ist das die allgegenwärtige Smartphone-Sucht, von der Forscher, Experten, Kritiker sprechen? Vermutlich.
Was tun gegen die Handysucht? Wie wäre es mit Apps?
Ich bin kein Psychologe oder Wissenschaftler, sondern in erster Linie ein Mensch mit blöden Angewohnheiten. Eine davon ist es, wirklich viel zu häufig aufs Smartphone zu starren. Und das nervt nicht nur mein Umfeld, sondern mittlerweile auch mich. Also suchte ich nach Möglichkeiten, meine „Handysucht“ – so nenne ich diese furchtbare Marotte einfach mal – etwas zu kontrollieren. Denn ich glaube, dass ich mit eigenen Mitteln in der Lage bin, meinen Konsum wieder in vernünftige Bahnen zu lenken.
Ein Blick in den Google Play Store oder in den iTunes AppStore zeigt: Es existieren längst geeignete Apps, die viel über euer Verhalten verraten. Besagtes Tool „QualityTime“ nutze ich seit einiger Zeit – und ja, das ist durchaus erschütternd. Manchmal freue ich mich sogar darüber, dass ich unter zwei Stunden mit meinem Smartphone „vergeudet“ habe. Und da geht noch einiges – nach unten.
Wie „QualityTime“ funktioniert? Zeigt dieses Video…
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In eine ähnliche Richtung bewegen sich Apps wie „OffTime“ (Google Play), „App Usage“ (Google Play), „Space“ (Google Play) oder „Forest“ (iTunes). Mal lasst ihr einen virtuellen Wald wachsen, wenn ihr euer Telefon längere Zeit zur Seite legt. Ein anderes Mal erhaltet ihr Warnungen oder lasst euch häufig gestartete Apps sperren.
Ich bin kein großer Fan von Gängelei, darum entschied ich mich erst einmal für pure Statistiken. Aber auch die animieren mich bereits, das Handy mal weiter weg zu legen, nicht gefühlt im Minutentakt auf das Display zu blicken oder sofort eine Nachricht bei Whatsapp, Twitter, Facebook oder Instagram beantworten zu müssen. Kann warten. Ist’s wichtig, darf diejenige Person auch anrufen. Das funktioniert nach wie vor. Ob ihr es glaubt oder nicht: Ein klein wenig helfen solche Apps gegen die Smartphone-Sucht schon.
Benachrichtigungen abschalten und Emails nicht abrufen
Es müssen nicht unbedingt (teils kostenpflichtige) Apps sein, möchtet ihr etwas zum Positiven ändern und euch so vielleicht euren persönlichen Stresspegel senken. Ich selbst deaktivierte bereits vor einigen Monaten nahezu alle Benachrichtigungen, die Apps sonst aufpoppen lassen. Stattdessen schaue ich lieber direkt bei WhatsApp, im Facebook Messenger oder bei Instagram, ob es etwas Neues gibt.
Mir hilft das, um nicht auf jede Vibration oder leuchtende LED am Smartphone reagieren zu „müssen“. Probiert es doch einmal aus. Die passenden Optionen findet ihr bei iOS unter Einstellungen -> Mitteilungen, dort könnt ihr auch für jede einzelne App eine Konfiguration vornehmen. Soll etwas im Sperrbildschirm dargestellt werden? Mein Tipp: NEIN!
Unter Android findet ihr die Benachrichtigungen-Features unter Einstellungen -> Anwendungen -> Anwendungsmanager oder unter Benachrichtigungen. Das ist abhängig von eurem Smartphone und der Android-Version.
Ohne Emails, ohne Apps
Worauf ich bereits seit zwei, drei Jahren verzichte: Email. Auf meinem Smartphone frage ich keine (geschäftlichen) Mails ab, sondern ausschließlich auf dem Laptop oder stationären Rechner im Home-Office. Und bisher klappt das ganz gut.
Ein weiterer Lösungsansatz: Löscht rigoros Apps. Umso weniger ihr auf eurem Telefon installiert, umso weniger Versuchungen gibt es. Kein Facebook, kein Twitter, kein Ebay Kleinanzeigen? Dann nutzt ihr diese Angebote nur noch am Desktop-Rechner oder Tablet daheim. Ein weiterer Vorteil wäre: Ihr macht nicht mehr einfach alles nebenbei, sondern ganz bewusst zu einem festen Zeitpunkt. Eine Stunde nach dem Feierabend fürs „Surfen im Internet“ – das klingt fast ein wenig nostalgisch, könnte aber der Handysucht entgegenwirken.
Greyscaling: Verzichtet auf Farbe und kämpft gegen die Handysucht
Es ist derzeit von einem Trend die Rede: Das sogenannte Greyscaling sorgt dafür, dass das bunte Treiben auf eurem Smartphone der Vergangenheit angehört. Die farbigen Apps seien mitverantwortlich für das Suchtverhalten, das wir als Nutzer an den Tag legen. Wie wäre es also, sämtliche Inhalte vom Handy in einen weniger attraktiven Schwarz-Weiß-Stil zu verwandeln?
Ich selbst habe noch nicht ausgiebig ausprobiert, ob mir dies hilft. Erste Stimmen im Netz klingen jedoch optimistisch. Wie ihr darauf reagiert, könnt ihr einfach herausfinden:
- iPhone: Wählt in den Einstellungen unter Allgemein -> Bedienhilfen bei Display-Anpassungen die Option Farbfilter und entscheidet euch für „Graustufen“.
- Android: In den Einstellungen unter Über das Gerät sieben Mal auf „Buildnummer“ tippen. Die Entwickleroptionen werden freigeschaltet, dann findet ihr die Option unter Faubraum simulieren -> Einfarbig. Alternativ entdeckt ihr ähnliche Modi unter Eingabehilfe -> Sehhilfe -> Farbanpassung, zum Beispiel bei Samsung-Geräten.
Handy bewusst nicht mitnehmen
Es ist etwas, was mir wirklich schwer fällt: Das Smartphone einfach mal zu Hause lassen, während man einkaufen, spazieren oder einen Freund besuchen ist. Eine Stunde genügt sicher für den Anfang. Und schnell vermisst ihr euren mobilen Begleiter gar nicht mehr. So erging es mir schon häufig.
Aber trotzdem trenne ich mich ungern von meinem Smartphone. Eben WEIL es auch mein Terminkalender, meine Digitalkamera und mein Kommunikationsmittel ist. Daher ist ein wenig Überwindung leider jedes Mal nötig. Doch wenn das Telefon mal längere Zeit nicht mit dabei ist, erfreue ich mich an den guten Statistiken meiner „QualityTime“-App. Wie praktisch. Ich schätze, dass „Aus den Augen, aus dem Sinn“ durchaus funktioniert.
Dumme Telefone gegen die Smartphone-Sucht
Dass ich lange nicht alleine mit meinem Suchproblem bin, zeigt unter anderem das Light Phone 2. Gerade entwickelt sich das minimalistische Smartphone auf der Crowdfunding-Plattform Indiegogo zu einem großen Erfolg. Wieso? Weil es auf ein hochauflösendes Display verzichtet und stattdessen einen e-Ink-Bildschirm nutzt. Auf dem verwendet ihr Messenger und die Telefoniefunktion, viel mehr nicht. Minimalismus ist ohnehin ein Trend, der hier fortgeführt wird.
Das Light Phone 2 wäre für mich ein spannender Ansatz, um die eigene Smartphone-Sucht zu bekämpfen. Ich vermisse nur eine tolle Kamera, die in dieser Form leider nicht geboten wird. Und vielleicht ist der Preis von anvisierten 250 US-Dollar etwas zu hoch, bekomme ich für diese Summe doch längst ein Feature Phone wie das Nokia 3310. Es ist kein Smartphone, aber ich darf mit dem Teil telefonieren, Musik hören und sonst kaum etwas machen, womit ich meine Freizeit verschwenden könnte.
Aber: Mit einem Feature- bzw. Dump Phone würde mir vermutlich ebenfalls meine Kamera fehlen. Ich müsste also zumindest noch eine Kompaktkamera mit mir herumschleppen. So weit bin ich noch nicht. Stattdessen versuche ich mich an Apps, bewusstem Verzicht, deaktivierten Notifications und Greyscaling. Das scheinen mir auch Ansätze zu sein, die funktionieren könnten. Dies hoffe ich zumindest.
Habt ihr eure Handysucht im Griff? Oder was tut ihr dagegen? Ich freue mich über Kommentare unter diesen Zeilen.
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Hätte HMD bei den „Originals“ eine 5-8 Mpix Kamera an Bord, würden die Leute sicherlich mehr in diese Richtung schauen. An den Kosten für Module wird es wohl kaum liegen, oder?
Ja, das wäre schon genial: Richtig gute Kameras in Feature Phones von Nokia – wäre für mich ein Kandidat. Ich glaube auch nicht, dass es am Preis liegt. Vielleicht packt die restliche Hardware ja nicht die guten Kameras? Der Rest is ja antik. Das Betriebssystem ebenfalls.
Zwei der Tips „beherzige“ ich ja selbst: ich habe ein dummes Handy von Anfang 2007 und lasse es immer auf dem Sideboard liegen ~ alle 10/11 Tage lade ich es auf.
Aaaber, das ist ja nur die eine Wahrheit grins! Die andere: alles, was einer mit seinem Smartphone macht, mache ich ja auch – zu Hause im Stübchen. Und habe Zahlen, wie lange ich es mache – ziemlich genaue sogar. Vom 8.12.15 – 18.1.18 habe ich durchschnittlich
– 7 h 40 min/Tag
an irgendeinem meiner mehreren Rechner gesessen und irgendetwas gemacht. Bei den Win-Rechnern habe ich einfach das Tool CrystalDiskInfo befragt, wie lange die Festplatten jeweils gelaufen sind – die ruhen ja 100%, wenn die Rechner in Standby sind. Ich schreibe mir die ab/ an in eine .txt-Datei und brauchte nur ein bißchen zu rechnen.
Zusätzlich gucke ich ja nur noch selten lineares Fernsehen, sondern lade herunter und streame vom NAS > TV – das hat ja auch iwi was mit „Computerei“ zu tun. Einige Stunden kommen da auch zusammen…
Ich betrachte das aber nicht als vergeudete Zeit – besser als vor dem TV sitzen, sich in Echtzeit von DSDS, Dschungelcamp o.ä. berieseln lassen und dabei Bier süffeln ist das alle Male.