Update: Mit dem Razer Phone 2 wurde auch schon der Nachfolger angekündigt.
Für den auf Gaming-Zubehör spezialisierten Konzern Razer war die Ankündigung des Razer Phones Anfang des Monats die größte Vorstellung des Jahres. Ab dem 17. November 2017 kann das Smartphone hierzulande sogar für stolze 749,99 Euro (UVP) erworben werden. Nur ob das Gerät ein Erfolg wird? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Best of Smartphone-Technik
Das muss man Razer lassen: Das Unternehmen verbaut im Razer Phone das Beste, was der Smartphone-Markt hergibt. Der Qualcomm Snapdragon 835 gehört zu den schnellsten mobilen Chips der Gegenwart, Unterstützung erhält er von beachtlichen 8GB RAM. Ein Highlight ist ebenso das 5,7 Zoll große Display mit einer Auflösung von 2560 x 1440 Pixeln. Der IGZO-Bildschirm verfügt über eine 120 Hz-Technologie, der Verzögerungen (Lags) und Bewegungsunschärfe (Tearing) gar nicht erst entstehen lassen soll. Im Mobiltelefon-Sektor zweifelsohne ein Novum.
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4000 mAh Akku, 64GB Flash-Speicher, microSD-Speicherkartenslot, Fingerabdruck-Scanner, Quickcharge 4+-Schnelllade-Technologie (von 0 auf 85 Prozent in nur einer Stunde), Dolby-Atmos-zertifizierte Speaker, USB-Type-C-Port mit THX-zertifiziertem DAC-Adapter, Dual-Kamera (12 MP f/1.75 & 12 MP f/2.6) – das hört sich spektakulär an. Was gibt’s da zu meckern?
Das Razer Phone ist kein Gaming-Smartphone
Eigentlich bleibt Razer kaum eine Wahl: Obwohl die Firma in der Vergangenheit unter anderem die Marke THX erwarb und sich sogar den Smartphone-Hersteller Nextbit einverleibte, wird der Name immer mit Gaming in Zusammenhang gebracht. Tastaturen, Mäuse, Mauspads, Rechner – dafür ist Razer bekannt. Kein Wunder also, dass sich das Razer Phone an diese Zielgruppe richtet, obwohl ich persönlich gar keine Gaming-relevanten Besonderheiten erkennen kann.
Das Razer Phone ist vielmehr ein Highend-Smartphone, das sich mit den Top-Geräten der viel größeren Konkurrenz messen möchte. Samsungs Galaxy S8 zum Beispiel. Bezogen auf den mächtigen Snapdragon 835 ist das Razer Phone mit dem Sony Xperia XZ1, HTC U11 oder dem Nokia 8 ähnlich. In diesen Telefonen steckt ebenfalls der für mobile Spiele bestens geeignete Chip. 8GB RAM und 120Hz-Display setzen die Messlatte zusätzlich nach oben, das haben die (teils günstigeren) Mitbewerber nicht zu bieten.
Meiner Meinung nach möchte das Razer Phone die Technik-Enthusiasten begeistern, nicht explizit die Gamer. Denn die profitieren nicht wirklich von der Power, die das Telefon bietet.
Wozu so viel Power?
Ein Blick in die Google Play-Charts verdeutlicht: Die beliebtesten Spiele laufen ohne weiteres auf Smartphones, die gut und gerne die Hälfte kosten. 8GB RAM, Snapdragon 835, IGZO-Display sind potentiell wahnsinnig verlockend, praktisch dagegen unterstützt kaum ein Spiel dieses Potential. Immerhin versucht Razer, ein paar Entwickler ins Boot zu holen, die angepasste Versionen ihrer Spiele veröffentlichen wollen. Mit dabei sind Square Enix („Final Fantasyx XV Pocket Edition“), Eden Games („Gear Club“, Netmarble („Lineage 2: Revolution“), Bandai Namco („Tekken“), Nexon („Titanfall: Assault“) oder Wargaming („World of Tanks Blitz“).
Für eine Handvoll Spiele, die minimal besser aussehen dürften, ein neues Telefon kaufen? Das fühlt sich wenig sinnvoll an.
Niemand braucht ein Gaming-Smartphone
Ohnehin frage ich mich, was ein Gaming-Smartphone ausmachen soll. Die schnell verständlichen, einfach zu spielenden und auf Touchscreen ausgelegten Games sind genau das, was ich an mobilen Spielen schätze. Keine komplexen Monster, sondern eingängige Unterhaltung immer und überall. Und vor allem dort, wo ich mein Telefon dabei habe. Und das steckt stets in der Hosentasche.
Ich kann einfach nicht glauben, dass 8GB und Highend-Prozessor dringend gebraucht werden, um mir unterwegs noch schönere Spielwelten zu servieren, die aber nichts an ihrer Eingängigkeit ändern. Vielleicht liege ich falsch und Gamer brauchen stets das Beste – auch in Form eines Smartphones. Dann könnte das Razer Phone eine gute Wahl sein. Unabhängig davon, ob die Performance jemals abverlangt wird.
Aus der Geschichte auch etwas gelernt?
Womöglich ist schlicht das Wort „Gaming-Smartphone“ negativ besetzt? Erinnert ihr euch noch an den Gizmondo? Das war eine Handheld-Konsole basierend auf Smartphone-Technik. Sie scheiterte kläglich und aus verschiedenen Gründen. Ähnliches gilt für den Nokia N-Gage, mit dem ihr sogar telefonieren konntet.
Handheld und Smartphone – das traut sich nicht einmal Nintendo, obwohl die Nintendo Switch zumindest ein wenig ein gewisses Smartphone/Tablet-Gefühl versprüht. Nur telefonieren werdet ihr mit der Switch nie können. Das wäre eben nichts Halbes und nichts Ganzes.
Was ist das Razer Phone denn nun?
An und für sich ist das Razer Phone ein sogar reizvolles Produkt. Viel Hardware zu einem Preis, der den Platzhirschen der Branche Angst bereiten könnte. Klar, das Samsung Galaxy S8 gibt’s mittlerweile für weniger Geld. Das anstehende LG V30 oder das Motorola Moto Z² Force, die in die gleiche Richtung wie das Razer Phone gehen, sind allerdings noch etwas teurer.
Über der Gamer möchte Razer Fuß im mobilen Sektor fassen, verkauft aber letztlich ein Highend-Smartphone zum mehr als fairen Preis. Dumm nur, dass diese Ansprache meiner Meinung nach falsch verläuft: Hardcore-Gamer brauchen kein explizit als ein solches getauftes Handy. Zudem reduziert der Hersteller sein eigenes Produkt zu sehr, denn eigentlich wäre das Smartphone auch für Audiophile und Hobby-Knipser eine gute Wahl.
Ich befürchte, Razer hat gegenüber den Giganten wie Samsung, Sony, LG oder HTC kaum eine Chance, das Razer Phone an viele Menschen zu bringen. Der Versuch ehrt sie, Käufer erhalten wahrscheinlich ein tolles Telefon (wobei die Optik echt eine Frage des Geschmacks ist), aber es eben als Gaming-Smartphone vorzustellen – damit tut man sich keinen Gefallen, möchte man ernst genommen werden. Und dann ist noch nicht einmal von Virtual Reality die Rede…
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