Daniel Wendorf
Game-Streaming galt vor einigen Jahren mal als das nächste große Ding in der Gamingbranche, durchgesetzt haben sich aber nur wenige, darunter Xbox Cloud Gaming oder nVidia GeForce Now. Google Stadia, Magenta Gaming der Deutschen Telekom oder Tencents Penguin Esports haben ihre Pforten bereits wieder geschlossen.
Mit Amazon Luna steigt nun der größte Online-Versandhändler als Schwergewicht ein. Und technisch sieht das meistens gut aus, es hapert aber noch an der Auswahl.
Inhalt:
- Amazon Luna in der Praxis
- Die Luna-Spieleauswahl unter der Lupe
- Ubisoft veredelt die Spieleauswahl
- Der Controller als Killer-Feature
- Luna läuft auf fast allen Geräten
- Was du für Amazon Luna brauchst
- Fazit: Lunas Erfolg hängt von den Spielen ab
Amazon Luna in der Praxis
Gleich am Anfang sei vorweggenommen: Die Spielerfahrung mit Amazon Luna ist positiv. Natürlich kommt das Game-Streaming nicht ganz an die Erfahrung heran, selbst auf der Konsole oder dem PC zu spielen. Dafür ist die grafische Qualität nämlich durchwachsen und schwankt zwischen kristallklarem Full HD und krisseligen 540p.
Immerhin bleibt die Latenz niedrig – einen echten Schluckauf haben wir nicht feststellen können. Das ist bei Titeln wie Ubisofts „The Division 2“ der „Far Cry 4“ durchaus etwas, das über Erfolg oder Game Over entscheidet.
Die Spielbarkeit der Titel war durchweg gut – egal, ob das nun den AAA-Blockbuster großer Studios betrifft oder die kleine Indie-Produktion wie „Horizon Chase“.
Bugs gibt es auch häufiger in der Spiele-Bibliothek. Nach einer ersten Spiele-Session des Ubisoft-Titels „The Division 2“ drängte Amazon Luna nach erneutem Seitenaufruf zum Abschluss eines Abos.
Obwohl das Spiel bereits gekauft ist, wollte der Service also ein kostenpflichtiges Monatsabo abschließen. Nach dem Ablehnen und Neuladen der Seite war „The Division 2“ dann wieder ganz regulär mit der Schaltfläche „Jetzt spielen“ in der Bibliothek verfügbar – ohne weiteres Abo.
Die Luna-Spieleauswahl unter der Lupe
Die Technik ist wichtig, aber noch entscheidender ist die Spieleauswahl!
Stadia, Magenta Gaming und Co. sind nämlich nicht an der Technik gescheitert. Vielmehr war die Spieleauswahl der mittlerweile eingestellten Services wohl nie so attraktiv, als dass sie viele Gamer für sich gewinnen konnten.
Eine Handvoll Gaming-Highlights wiegen eben nicht Dutzende nischiger Spiele auf – und nur über ein extrem attraktives Angebot rechtfertigt sich der Abo-Preis.
Amazon Luna bietet für 9,99 €/Monat um die 100 Titel. Darunter sind mit Alien Isolation, Control, Resident Evil 2 und 3 sowie einiger Yakuza-Titel namhafte, aber auch schon etwas ältere Spieleperlen dabei. Ein Großteil des Angebots setzt sich aus eher kleinen oder älteren Titeln zusammen.
Besonders obskur: Mit einem ganzen Sack voller Neo-Geo-Games (Metal Slug, King of Fighters und auch Shock Troopers) sind auch die Titel im Streaming-Abo inklusive, die du als Prime-Kunde ohnehin gratis downloaden kannst. Wo da der Mehrwert liegt? Eben.
Immerhin: Prime-Kunden können ganz ohne Zusatzkosten in Luna reinschnuppern. Vier Games rotieren monatlich, die du dann aber ohne Einschränkungen spielen kannst.
Amazon Luna hat unterm Strich noch mit einem durchwachsenen Spielekatalog zu kämpfen. An das Angebot von Microsofts Xbox Cloud Gaming kommt der Versandriese derzeit noch nicht heran.
Eine komplette Übersicht findest du hier.
Ubisoft veredelt die Spieleauswahl
Wobei es eine kleine Ausnahme gibt, die auf den Namen Ubisoft hört. Der französische Videospielgigant ging nämlich eine Kooperation mit Amazon ein. Hast du PC-Spiele des Herstellers bei Ubisoft registriert und diesen Ubi-Account mit dem Amazon-Konto verknüpft, kannst du die bereits gekauften Spiele gratis streamen. Ohne weiteres Abo. Ohne Fallstrick.
So löblich das zunächst ist, offenbart Luna hier doch kleinere Probleme. Neuerwerbungen aus dem Ubisoft-Katalog synchronisiert Luna nämlich auch nach Tagen nicht. In unserem Fall haben wir „Far Cry 3 Blood Dragon“ registriert und gewartet. Ohne Erfolg.
Auch kam es vor, dass Luna uns zunächst in ein Abo drängen wollte, als wir versuchten, einen der bereits gekauften Ubisoft-Titel zu starten. Erst nach dem Ablehnen erschien die Schaltfläche, die uns direkt ins Spiel springen ließ. Einmal gestartet, konnten wir aber keinen Unterschied zwischen den Luna-Spielen und dem Ubisoft-Portfolio ausmachen. Denn auch diese Titel liefen sehr gut.
Der Controller als Killer-Feature
Wir haben uns einen Luna-Controller besorgt und sind nach dem eher durchwachsenen Ersteindruck mittlerweile richtig angetan! Die Verarbeitung ist top, das Layout dem Xbox-Standard entnommen.
Einzig die Tatsache, dass der Controller mit AA-Batterien bzw. -Akkus zu füttern ist, mutet angesichts des Preises von 70 Euro komisch an. Da bietet die Konkurrenz aus Nintendo Pro Controller und Sony Dual Sense für PlayStation 5 integrierte Akkus.
Das absolute Killer-Feature des Controllers ist jedoch die Möglichkeit, das Gerät direkt mit dem WLAN statt via Bluetooth mit dem Endgerät zu verbinden. Die WLAN-Konnektivität senkt die Latenz spürbar, was einen der größten Kritikpunkte zum Cloud-Gaming abmildert.
Luna läuft auf fast allen Geräten
Positiv hervorzuheben ist Amazon Lunas grundsätzliche Kompatibilität zu Windows-Rechnern, Mac, iPad und iPhone sowie Android-Smartphones und Fire-TV-Geräten aus dem Hause Amazon. Für all die genannte Elektronik gibt es einen eigenen Amazon-Luna-Client zum kostenfreien Download.
Luna läuft aber auch in allen Chromium-basierten Browsern und sogar in Apples Safari-Browser, der bei Google Stadia außen vor war. Ob du einen Browser oder die Luna-App verwendest, ist unserem Eindruck nach herzlich egal. Beides funktioniert genauso gut. Was nicht ausschließlich positiv gemeint ist…
Was du für Amazon Luna brauchst
Um mit Amazon Luna zu starten, brauchst du generell einen Internetzugang und ein Amazon-Konto. Besitzt du eine Prime-Mitgliedschaft, kannst du monatlich vier verschiedene Titel ohne Aufpreis streamen.
Um vollen Zugriff auf Luna zu bekommen, musst du aber ein Abo zu 9,99 Euro/Monat abschließen. Dann hast du Zugriff auf einhundert rotierende Titel.
Zudem bietet Amazon noch die Möglichkeit, auf dem PC gekaufte Ubisoft-Titel kostenfrei zu streamen und für gut 5 Euro/Monat die Jackbox-Partyspiele im Abo freizuschalten.
Einen Controller brauchst du nicht – Luna unterstützt dein Smartphone als Eingabegerät, wofür du nur die kostenfreie App für dein iPhone von iTunes oder die Gratis-Software für Android aus dem Google Play Store laden musst. Am PC funktioniert bei den meisten Spielen übrigens die klassische Maus-Tastatur-Kombo.
Einen echten Gaming-Controller empfehlen wir dennoch, weil es sich damit erheblich bequemer zocken lässt. Hier schlägt sich aber der eigene Luna-Controller, wie oben erwähnt, sehr gut.
Fazit: Lunas Erfolg hängt von den Spielen ab
Amazon Luna ist ein gelungener Streaming-Service, wenn man nur die technische Seite betrachtet. Gerade in Verbindung mit dem Luna-Controller und dessen Niedriglatenz-WLAN-Option entfaltet der Service einen ganz eigenen Reiz. Dass die Spiele nicht nativ auf dem Smartphone, Fernseher oder Monitor laufen, fällt nur dann auf, wenn die Bildauflösung in den Keller rauscht.
Das aber sind Probleme, die Amazon in den Griff bekommen dürfte. Ob der Service sich nachhaltig am Markt behaupten kann, hängt sicherlich von der Spielauswahl ab.
Ja, es gibt einige Highlights. Und ja, die Auswahl ist bunt gemischt. Und ja, die gekauften Ubisoft-Titel ohne Aufpreis zu streamen ist eine sehr schöne Dreingabe.
Aber ob jemand als „echter“ Gamer bereit ist, 9,99 Euro pro Monat zu investieren, um Titel zu spielen, die es für wenige Euro an jeder Ecke im Netz gibt? Das wird sich zeigen.
Amazon Luna ist ab sofort als Service in Deutschland verfügbar. Prime-Mitglieder können vier monatlich rotierende Titel ohne Aufpreis spielen, auch viele Ubisoft-PC-Spiele sind ohne weitere Kosten streambar. Der Zugriff auf die gesamte Luna-Bibliothek kostet pro Monat 9,99 Euro. Der Luna-Controller kostet derzeit 69,99 Euro.
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