Neues wagen – auch im Studium
Ich brauchte einen neuen Studien-Laptop und wollte Neues wagen. Kein Windows, kein Linux, kein Apple-Rechner. Stattdessen sollte ein Chromebooks den Vorzug erhalten.
Googles Notebook-Kategorie ist auch nach Jahren vielen Nutzern unbekannt. Die einst für den Always-online-Einsatz konstruierten Geräte eignen sich für die meisten Alltagsaufgaben und einige spezielle Anwendungsgebiete. Zudem sind sie meist günstiger als Windows-PCs oder Macs.
Als Doktorand der Geschichte sollte ein Notebook es mir ermöglichen, mobil zu arbeiten. Dazu gehört das Texteschreiben, Recherchieren und die Literaturverwaltung über Anwendungen wie Citavi. Das bedeutet zudem, dass das Display entspiegelt, auf der Tastatur bequem zu tippen und die Akkulaufzeit lang sein sollte. Meine Wahl fiel auf das Acer Chromebook 315 für 380 Euro.
Sieht aus wie ein typisches Windows-Notebook und verfügt über USB-C, USB-A-Buchse, MicroSD-Slot und 3,5-mm-Klinke: Das Acer Chromebook 315. Meine Wahl als neues Studien-Notebook.
Seit dem Kauf sind fünf Wochen vergangen. Wenngleich das Notebook häufig begeistert, gibt es Aspekte, die negativ auffallen oder wenig verständlich sind. Dass Chromebooks ihr Potential nicht entfalten, haben wir in einem 2019 erschienen Artikel eingehend beleuchtet. Weiterhin geben wir Infos dazu, wie ihr von Windows auf Chrome OS umgeseigen könnt. Und doch bleibt es eine Herausforderung.
Top und Flop: Betriebssysteme und App-Auswahl
Was sollten Studierende von ihrem Chromebook erwarten können? Zunächst einmal die Erfüllung des ADEL-Prinzips aus unserem Studien-Special. Akkulaufzeit, Display, Ergonomie und Leistung müssen stimmen. Darüber hinaus sollten die im Studium sinnvollen Anwendungen darauf laufen.

Dafür stehen die Zeichen gut. Chromebooks vereinen drei Betriebssysteme unter einer Oberfläche. Neben Chrome OS könnt ihr mit Android und einer Linux-Umgebung arbeiten. Parallel, ohne das Notebook neu zu starten. Klingt gut? Schon, wenn Google sich hier nicht den Stock zwischen die Beine hauen würde. Nur im Entwicklermodus stehen alle Funktionen zur Verfügung. Versucht ihr es ohne, sind beispielsweise Installationen von Android-Apps außerhalb des Google Play Stores unmöglich. Vielleicht tut sich hier etwas, wenn Google den nächsten Schritt geht und über die Virtualisierungsumgebung Parallels auch Windows-Anwendungen zum Laufen bringt.
Für Schreibwütige perfekt
Studiert ihr in einem recherche- und schreibintensiven Fach wie Geschichte, Philosophie oder Sprachwissenschaften, findet ihr auf dem Chromebook die gängigen Anwendungen. Mit Chrome ist ein flotter Webbrowser vorinstalliert. Dokumente speichert das Chromebook im internen Speicher und wahlweise im Google Drive.

Microsoft Word könnt ihr mit eurem Uni-Account nutzen. Und es gibt eine Reihe von (größtenteils kostenlosen) Alternativen zu den genannten Desktop-Apps.
Die Lücken klaffen bei spezieller Software, die vorrangig in MINT-Fächern, ingenieurstechnischen Studiengängen und im Zuge empirischer Erhebungen zum Einsatz kommen. CAD-Software, SPSS und Co. auf diesen Geräten zum Laufen zu bringen, ist nahezu unmöglich. Was ich vermisste, war Citavi. Die auf Windows so populäre Literaturverwaltung gibt es nicht für Android oder Chrome und in der VM-Umgebung Crossover läuft sie trotz eingetragener Kompatibilität nicht.
Kurzum: Setzt euer Studienfach viel Recherche und Lektüre voraus, ist das Chromebook eine geeignete Alternative zu Windows, Linux und Mac. In technischen Studiengängen ist das Google-Notebook bislang wenig brauchbar.
Top: Akkulaufzeit und Alltagsperformance
Manche Chromebooks sind echte Dauerläufer und halten mit einer Akkuladung 8 Stunden oder länger durch. Das von mir gekaufte Acer Chromebook 315 (2018) spart diesen Punkt im Datenblatt aus. Ich rechnete mit 4 bis 6 Stunden, was okay wäre. Dass es einen ganzen Studientag (8 Arbeitsstunden) durchhält, überraschte mich daher positiv.

Googles Notebook-Sparte setzt auf flotte SSD-Speicher. Unabhängig vom Hersteller brauchen die Geräte wenige Sekunden, bis sie betriebsbereit sind. Daten schreiben, verschieben oder duplizieren geschieht in Windeseile.
Ähnlich flink sind die Anwendungen. Chrome-Browser, Microsoft Word, im Hintergrund ein Videoschnittprogramm und zwei Spiele sind gleichzeitig geöffnet? Damit kommt es dank cleverem Speichermanagement klar. Im Studium heißt das, alle relevanten Seiten und Anwendungen zeitgleich nutzen zu können. Ohne dass die Performance in die Knie geht oder ein Absturz droht.
Gemischte Gefühle: die Modellauswahl
Chromebooks fristen ein Nischendasein in der öffentlichen Wahrnehmung und in den Elektromärkten. Verschämt sind eine Handvoll Google-Notebooks aufgebaut, erdrückt von Windows-Rechnern und Apples MacBook-Avantgarde.
Dabei lohnt es, sich mit den aktuellen Modellen auseinanderzusetzen. Denn für jeden Geschmack ist etwas dabei. Der 10,1-Zoll-Minirechner Lenovo IdeaPad oder ein voll ausgewachsenes 15,6-Zoll-Monstrum? Brillantes OLED-Panel oder entspiegeltes Display? Flip-Funktion á la Asus Chromebook C436?

Je klarer eure Vorstellung davon ist, welche Ausstattung euer Chromebook haben soll, umso schneller kommt ihr zu diesem einen Modell, das eure Bedürfnisse erfüllt. Das könnt ihr auch umgekehrt lesen: Manchmal bleibt nur ein Modell übrig. Für mich waren ein entspiegeltes 15,6-Zoll-Display, Nummernblock und ein stabiles Scharnier entscheidend. Zwei Geräte von Acer boten das, das günstigere nahm ich.
Das geht besser: Google Assistent, Desktop-Funktionalität und Rechte-Management
Ursprünglich sollten Chromebooks immer mit dem Internet verbunden sein. Davon verabschiedete sich Google bald, Überbleibsel des Ansatzes findet ihr dennoch. Die Tastatur schmückt statt einer Feststell- eine Suchen-Taste. Drückt ihr sie, öffnet sich sofort ein Eingabefeld, in das ihr eure Suchanfrage schreibt. Die Ergebnisse erscheinen binnen Sekundenbruchteilen. Wozu tippen? Der unter Android etablierte, sprachgesteuerte Google Assistent schaffte es mittlerweile irgendwie nach Chrome OS. »Irgendwie«, weil er nicht standardmäßig aktiv und nur über kleine Umwege zu erreichen ist. Schade, denn durch die Ok-Google-Anfragen könnten Chromebooks die Internetsuche noch komfortabler gestalten.

Ebenfalls ein Überbleibsel frühester Chrome-OS-Tage ist der leere Desktop. Den Hintergrund könnt ihr mit einem eigenen Bild verzieren, das war es aber schon. Anwendungen und Dateimanager sind in der Ablage am unteren Bildschirmrand und im App-Drawer gesammelt. Wie praktisch aber wäre es, den Desktop effektiv zu nutzen? Verknüpfungen anzulegen, Widgets für Kalender und Wetter einzurichten und damit viele Informationen auf einen Blick zu erhalten? Ein Gedankenspiel, das Google so schnell wohl nicht umsetzt.

Was eher verwirrt, ist die Rechteverwaltung. Wie bereits erwähnt, könnt ihr den vollen Umfang (darunter den Sideload von Android-Apps) nur im Entwickler-Modus nutzen. Schaltet ihr in diesen aus oder wechselt zurück in den regulären Nutzermodus, dann tilgt das Chromebook alle Apps und Dateien aus dem Speicher. Ihr startet demnach wieder mit einer frischen Installation ohne »Altlasten«. Mit einem Update für Chrome OS ließe sich dieser Mangel beheben. Analog zu Android wären ein paar Häkchen in den Systemeinstellungen meiner Meinung nach ausreichend, um Nutzerinnen und Nutzer vor schädlichen Sideloads zu schützen. Im Gegenzug profitierten sie von einer erheblich erweiterten Anwendungswauswahl.
Fazit: Ja, Chromebooks eignen sich fürs Studium, aber…
Ihr studiert in MINT-Fächern oder einer Ingenieursdisziplin? Dann sind Chromebooks keine Geräte, die euch im Studium helfen. Studierenden aller anderen Richtungen sei empfohlen, neben Windows und Mac die Google-Alternative zu checken. Das Preis-Leistungsverhältnis der Chromebooks ist top, die Akkulaufzeit im Studienalltag ohnegleichen.
Aus der breiten Modellpalette findet ihr ein passendes Gerät, sofern ihr vorab wisst, was es können und bieten soll. Gemischte Gefühle haben wir nur bei der stiefmütterlichen Behandlung, die Google seinem Chrome OS zuteil werden lässt. Diese Gerätekategorie könnte so viel mehr, wenn der Suchmaschinenhersteller die offensichtlichen Baustellen abräumte.
Eine Auswahl an Chromebooks findet ihr bei Euronics.
Hallo Herr Wendorf,
Ihre Rezession ist schon etwas älter, mein Sohn studiert jetzt Deutsch , Geschichte und wollte fragen, was Sie mir, aktueller Stand ,für ein Chromebook empfehlen würden ., da weder er noch ich mich auf dem Gebiet auskenne.
MFG
Astrid Lübke
Hallo Frau Lübke!
Generell ist die Frage nicht ganz klar zu beantworten: Gerätegröße, Ergonomie und Ausstattung sollten immer zu einem persönlich passen. Für mich beispielsweise ist es mittlerweile wichtig, eine hintergrundbeleuchtete Tastatur zu haben, was mir auch bei schlechten Lichtbedingungen das Schreiben vereinfacht.
Ein aktuelles Chromebook sollte aber über 8 GB Arbeitsspeicher und mindestens 128 GB Flashspeicher verfügen, um alles während das Studiums zu handeln. Was die Apps angeht, ist der Beitrag tatsächlich stark updatewürdig. Mittlerweile gibt es Microsoft Word online und auch das für Deutsch und Geschichte so wichtige Citavi als Literaturverwaltung ist in einer Online-Version erschienen. Voraussetzung ist aber eine aktive Online-Verbindung, was Uni und Unibibliothek aber bieten sollten.
Würden Sie mich jetzt auf ein Gerät festnageln wollen, das *meine* Ansprüche erfüllt, wäre es dieses hier: Lenovo IdeaPad 3 15IJL6
Viele Grüße
Daniel Wendorf
Hallo, ich habe auch ein Chromebook und bin mit dem genannten Problem, dass Citavi nicht funktioniert, gibt es denn (bestenfalls) kostenlose ALternativen für Chrome?