Wenn ich eine gute Serie sehen möchte, werde ich auch weiterhin Netflix einschalten. Daneben gönne ich mir monatsweise einen Zugang zu Amazon Prime Video oder Sky Ticket – um aufzuholen, was ich dort verpasst habe. Bei meinem Neffen hat diesen Stellenwert Youtube. Das kostet nichts und bietet auch die Clips, die er lieber schaut. Doch welche Rolle spielt nun Facebook mit seinem neuen Angebot Facebook Watch? Das soziale Netzwerk finanziert sogar Shows, wie man es von Netflix kennt. Original Content heißt das auf neudeutsch. Doch Facebook greift damit nicht Netflix an, sondern Youtube. Deren Kunden will das soziale Netzwerk abgreifen – und damit meine ich vor allem die Werbekunden.
Noch mehr Werbung auf Facebook
Das neue Videoangebot lebt in einem eigenen Tab auf Facebook. Unter Watch lassen sich denn die einzelnen Video-Shows entdecken, die von Facebook freigegeben wurden. Selbst hochladen wie bei Youtube könnt ihr nichts. Aber auch dort werden die professionellen Youtuber mittlerweile mehr wertgeschätzt als die normalen Nutzer. Wie zu erwarten zeigt Facebook nicht allen die gleichen Videos, sondern macht das abhängig davon, was die Freunde so schauen und wo diese ihr Like setzen genauso wie ihr selbst. Dafür gibt es sogar eigene Rubriken: „Most talked about“, „What’s Making People Laugh“ und „What Friends Are Watching“. Um keine neuen Folgen einer Show zu verpassen, lässt sich diese auch auf eine Watchlist setzen.
https://www.facebook.com/facebook/videos/10156285678786729/
Die Shows, die zum US-Start abzurufen sind und zum Teil von Facebook finanziert werden, zähle ich hier jetzt nicht auf. Darunter sind persönliche Vlogs, Comedy und auch Sport. Es gibt kurze Formate, aber auch längere. Noch ist alles ein großes Experiment. Erst mit der Zeit wird sich zeigen, was bei den Nutzern ankommt und was sich auch refinanzieren lässt. Dafür wird in den Shows Werbung eingebettet, die Video-Produzenten erhalten 55 Prozent der Einnahmen. Dieses Geschäftsmodell kennen wir von Youtube. Zu Beginn wird es sich wohl um Unterbrecher-Werbung handeln. Facebook hat aber gerade auch ein deutsches Startup übernommen, das eine Technik entwickelt hat, Werbung so in Videos einzubauen, dass sie als Schriftzug auf einem Plakat oder einer Wand erscheint. Die kann dann auf jeden Zuschauer individuell abgestimmt sein.
Kommentare direkt in die Live-Show schicken
Facebook Watch bietet auch die Möglichkeit, direkt zu kommentieren, was auf dem Bildschirm läuft. Es braucht also keinen Second Screen mehr. Facebook integriert das einfach. Auch Youtube hat gerade einen Chat hinzugefügt. Richtig dynamisch wird das natürlich erst, wenn alle zur gleichen Zeit vor der Mattscheibe sitzen – wie früher beim Fernsehen. Dafür experimentiert Facebook Watch auch mit Liveshows.
In der Live-Sendung kann dann sogar auf die Kommentare der Zuschauer reagiert werden. Damit ist kein Vorlesen langweiliger Tweets wie in deutschen Talkshows gemeint, sondern: Wer vor dem Bildschirm sitzt, kann demjenigen Anweisungen erteilen, der vor der Kamera sitzt. Auch das ist nicht neu, sondern wird schon längst im digitalen Zweig des ältesten Gewerbes der Welt praktiziert.
Noch ist von Facebook Watch nichts zu sehen, zumindest nicht hierzulande. Der Videodienst startet zuerst in den USA – im Desktop-Browser, auf dem Smartphone und in der Facebook-App auf dem TV-Gerät. Wann Facebook Watch auch nach Deutschland kommt, ist noch unbekannt. Ich werde weiter Netflix gucken und auch gerne dafür zahlen.
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