Warum die Rekordstrafe gegen Google niemandem nützt

Die EU-Kommission feiert eine Milliardenstrafe gegen Google. Zu Unrecht, denn nutzen wird diese Strafe kaum jemandem.

Warum die Rekordstrafe gegen Google niemandem nützt
Google Android Oreo

Feste druff: Die EU-Kommission hat Google in dieser Woche eine saftige Strafe aufgebrummt. 4,34 Milliarden Euro, zahlbar binnen 90 Tagen. Warum? Weil Google seine Marktmacht beim Android-Betriebssystem ausgenutzt und vorinstallierte, eigene Apps wie den mobilen Chrome-Browser bevorzugt habe. Das ist viel Geld, sogar für Google.

Marktbeherrschung ausgenutzt? Das kennen wir doch woher

Und es ist ein Fall, der einem sonderbar bekannt vorkommt. Richtig, das gab es doch schon einmal. Vor ein paar Jahren hieß der Angeklagte Microsoft. Auch der hatte seine Marktmacht damit ausgenutzt, indem es den Browser Internet Explorer in seinen jeweiligen Windows-Versionen vorinstalliert und nicht über Alternativen informiert hatte. Die EU-Kommission verklagte Microsoft hier mehrfach: unter anderem 2004, 2008 und 2013 auf insgesamt 2,2 Milliarden Euro. Damals ging es um den Desktop, heute um mobile Plattformen. Der jeweilige Marktführer hat’s übertrieben und muss zahlen. Ansonsten alles gleich?

Nein, nicht ganz. Microsoft war um die Jahrtausendwende ein noch größerer Monopolist, als Google es – gemessen an allen internetfähigen Geräten – heute ist. Eine echte Alternative zu Windows gab es zum Beispiel um die Jahrtausendwende nicht. Windows kostete Geld. Kaufte man nicht gerade einen neuen Rechner mit einer Vorinstallation, musste man ein Windows-Update oder eine Vollversion bezahlen.

Microsoft Internet Explorer 6: Trieb Millionen von Menschen in den Wahnsinn. Screenshot: Softonic
Microsoft Internet Explorer 6: Trieb Millionen von Menschen in den Wahnsinn. Screenshot: Softonic

Und noch eins ist an dieser Stelle wichtig zu erwähnen, wenn auch vielleicht nicht juristisch relevant: Was Microsoft damals in die Welt geschossen hatte, war übler Mist. Windows 98 zum Beispiel, worum es im ersten Prozess ging, war ein fehlerhaftes, hochanfälliges Betriebssystem. Der unsägliche Internet Explorer, vor allem in der Version 6, raubte Webdesignern, IT-Sicherheitsexperten und Nutzern jahrelang den letzten Nerv.

Zumindest hier liegen die Verhältnisse heute anders. Android ist ein stabiles, durchdachtes Betriebssystem. Und es ist für Mitglieder der Open Handset Alliance ebenso kostenlos wie für Nutzer. Der mobile Chrome-Browser ist vielleicht nicht der beste seiner Klasse, aber er ist in Ordnung.

Andere Verhältnisse als bei Microsoft

Der Deal ist der, dass Google mit Daten Geld verdient und dafür seine Marktmacht einsetzt. Und deswegen gerne mit einem ganzen Reigen eigener Apps von Google Drive bis GMail das Smartphone volllädt. Einige kann man davon löschen, die meisten nicht. Nein, das ist nicht hübsch, gerade nicht bei Smartphones und Tablets, die von Haus aus mit knappem Speicher bemessen sind. Aber ganz ehrlich: Um dafür ein solides, kostenloses Betriebssystem zu bekommen, ist das ein Kompromiss, der in Ordnung geht.

Viele, viele bunte Apps, vor allem eigene, installiert Google jeder Android-Version vor. Bis auf Google mag das kaum jemand.
Viele, viele bunte Apps, vor allem eigene, installiert Google jeder Android-Version vor. Bis auf Google mag das kaum jemand.

Und wenn ich nun lese, dass erste Dritt-Entwickler wie Mozilla sich bereits über die Strafe freuen, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Wenn ihr wollt, dass die Leute kein Chrome mehr benutzen, dann sorgt doch lieber dafür, dass eure nächste Firefox-Version so genial wird, dass sich das herumspricht. Aber so viel besser seid ihr eben auch nicht.

Und noch etwas ist anders als damals im Falle von Microsoft. Denn diesmal gibt es einen potenten Konkurrenten. Er heißt Apple und er hält es mit nicht löschbaren Eigen-Apps nicht viel anders als das nun bestrafte Google. Müsste man da nicht konsequenterweise auch Apple mit einer Strafe belegen?

Nicht die Strafen haben Microsoft angespornt, sondern die Konkurrenz

Wenn wir die vergangenen Jahre noch einmal Revue passieren lassen, hat sich Microsoft seit den Auseinandersetzungen mit der EU-Kommission bedeutend gewandelt. Man ist innovativer geworden, hungriger, hat plötzlich begonnen, Teil der einst verteufelten Open-Source-Gemeinde zu werden. Heute hat Microsoft nicht nur endlich ein solides Betriebssystem am Start (Windows 10), sondern auch andere begehrte Produkte wie Office oder im Hardware-Bereich (Xbox One, Surface Pro). Welchen Browser die NutzerInnen für Windows 10 verwenden, können sie sich aussuchen.

Also hatten die Strafen der EU-Kommission doch etwas Gutes?

Der Grund, warum Microsoft sich heute zu einem Konzern mit freundlichem Antlitz gewandelt hat, dürfte ein viel profanerer sein: Konkurrenz. Aber nicht im Bereich der Browser, die fallen heute unter „ferner liefen“. Microsoft hat Konkurrenz in modernen Kernmärkten bekommen. Ein wieder erstarktes Apple auf Desktops und Notebooks, vor allem aber mobilen Geräten. Und hier genauso Google. Desktop-Geräte wurden immer weniger relevant, den Kampf um mobile Betriebssysteme hat Microsoft verloren. Die einzige Chance, die man noch hatte: (kunden)freundlicher werden.

Irgendwann verpasst auch Google mal den Anschluss

Eine Strafe hilft also nicht wirklich weiter, weder im Falle von Microsoft, noch im Falle von Google oder (hypothetisch) Apple. Hier hilft nur Konkurrenz. Könnten die Smartphone-Hersteller vielleicht eigene Betriebssysteme auf den Markt bringen? Unwahrscheinlich. Zu hoch die Kosten, zu viele sind bereits daran gescheitert. Der Leidensdruck müsste schon sehr hoch sein. Dass Google bereits erwägt, seine Hardware-Partner künftig für Android zahlen zu lassen, klingt ebenfalls wenig kundenfreundlich. Die Gebühr würde in Form höherer Verkaufspreise weitergegeben.

Kann eine "kleine" Strafe vielleicht doch schon etwas Großes bewirken? Eher nicht. Bild: Google
Kann eine „kleine“ Strafe vielleicht doch schon etwas Großes bewirken? Eher nicht. Bild: Google

Wahrscheinlicher ist ein anderes Szenario: Eine neuer Massenmarkt entsteht, bei der andere Anbieter führend sein werden. Und Google als schwerfälliger Konzern könnte hier den Anschluss verpassen und müsste sich wandeln. So ging es damals Microsoft, als Apple das iPhone vorstellte, Google ein Jahr später Android nachreichte und Microsoft schlicht keine Antwort auf beides fand. Könnte Google etwas Ähnliches passieren? Aber wann? Und mit welchem neuem Massenmarkt? Das ist noch nicht absehbar.

Aber wer möchte, dass Google flexibler wird, der sollte eher auf eine neue Konkurrenzsituation setzen, weniger auf Strafen.

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3 Kommentare zu “Warum die Rekordstrafe gegen Google niemandem nützt

  1. Genau auf den Punkt gebracht. Bei dem Verhalten der EU-Kommission kann man sich nur Fremdschämen. Hier treffen sich kranke Selbstverherrlichung, Geldgier und Politik auf höchstem Kindergartenniveau.

  2. Ach, so „schwarz-weiss“ würde ich das nicht sehen. Es geht ja eher ums Prinzip, wie das Ganze von Google angegangen wird, nicht um einzelne Apps. Darin liegt auch der Unterschied zu Apple, bzw. vormals WP und BB. Man kauft (hat gekauft) ein Gerät mit einem „geschlossenen“ System, und hat für die Software mit gezählt. Google dagegen „zwingt“ die Hersteller mit „Softpower“ das ganze Paket zu nehmen. Eine Abgabe für Android wäre der bessere Weg, wer es „sauber“ haben will, kann bezahlen, und wenn man bewusst Geld für ein Betriebssystem ausgibt, entsteht vielleicht auch wieder ein Markt für mobile Betriebssysteme, oder? Aber, den meisten Leuten ist das wahrscheinlich eh egal, Hauptsache „kostenlos“ und stabil. Ich denke es wird viele sogar etwas ärgern, das man ein zusätzliches Auswahlmenü abhacken muss. 🙁

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