Die Geschichte des Walkman
Wer hat den Walkman erfunden? Sony zufolge war das Akio Morita, Gründer des japanischen Konzerns. Auch in seiner Autobiografie betonte er dies, doch ganz stimmt das wohl nicht. Denn als das erste Walkman-Modell 1979 erschien, gab es bereits einen ähnlich kompakten Kassettenplayer als Patent von dem Deutschen Tüftler Andreas Pavel. Der entwickelte den Stereobelt, den er als „körpergebundene Kleinanlage für die hochwertige Wiedergabe von Hörereignissen“ beschrieb – und das zwei Jahre vor der Markteinführung des Walkmans.
2004 einigte sich Sony mit Pavel in einem außergerichtlichen Vergleich – ein paar Jahre nach dem Tod von Akio Morita. Zufall? Vermutlich nicht.
So oder so sind die Ursprünge des Walkmans spannend, die Geschichte bis zur Gegenwart auch. Denn das Hosentaschen-Abspielgerät für Musikkassetten schaffte eine bis dahin unbekannte Freiheit. Menschen auf der ganzen Welt konnten ihre Lieblingsmusik stets mit sich herumtragen und sie überall genießen – dank kabelgebundener Kopfhörer.
Ein Abbild aktueller Trends
Was mich persönlich am meisten am Walkman fasziniert, das ist der Einfluss, den der Player vor allem in den 1980ern besaß. Er galt als Statussymbol für Jugendliche, als Zeichen für Individualität und Modernität. Er traf einen Zeitgeist, was den Erfolg erklären dürfte. Bis zum Einstellen des klassischen Walkmans mit MCs im Jahr 2010 konnte Sony weltweit rund 200 Millionen Exemplare verkaufen. Von den zig Millionen Klonen anderer Hersteller ganz zu schweigen.
Sony versuchte immer, am Puls der Zeit zu bleiben: Als die CD aufkam und langsam die Kassette ablöste, folgte der CD-Walkman 1984. Heute ist er vielen sicher besser als Discman bekannt. Auch Walkman mit Digitalkassetten oder MiniDiscs durften nicht fehlen. In den 2000ern sorgten die Walkman-Handys von Sony Ericsson für klingelnde Kassen.
Doch irgendwann verpasste Sony den Anschluss. Apples iPod bereitete den Japanern große Sorgen. Das Interesse an klassischen Walkman-Playern sank, während die stylischen und leicht zu bedienenden iPods für Aufsehen sorgten. Vielleicht lag es an Sonys eigenem Audio-Format Atrac und der (furchtbaren) Transfer-Software SonicStage, dass sich langsam das Ende der Walkman-Ära andeutete?
Verlust der Identität und Neuanfang
Auch wenn neue Walkman-Geräte seit 2005 vor allem leichter und komfortabler zu bedienen waren sowie später auf Atrac und SonicStage verzichteten, konnte Sony kaum noch neue Akzente setzen. Und bei der rasant steigenden Beliebtheit der Smartphones kam der Elektronik-Riese nicht mehr hinterher. Wer brauchte schon einen MP3-Player, wenn ein modernes Mobiltelefon ebenfalls in der Lage war, Musik abzuspielen?
Es mag schon erstaunlich und hartnäckig sein, dass sich die Japaner nie vom Walkman verabschieden konnten und wollten. Mit den Video Walkman wollte man dem iPod Touch Paroli bieten. Und mit dem Walkman NWZ-Z1000 präsentierte Sony im Herbst 2011 den ersten Walkman mit dem Android-Betriebssystem. Das Smartphone ohne Telefonier-Funktionalität führte allerdings nicht zu einem nennenswerten Erfolg.
Doch die Android-Walkmen stellen einen Neuanfang dar. Es folgte 2014 der ersten High-Resolution-Walkman, der höchste Qualität beim Audio-Genuss versprach. Während die A-Serie mit 24-bit-FLAC-Unterstützung, ALAC sowie DSD punkteten und noch erschwinglich waren, stiegen die Preise mit der noch einmal höherwertigen ZX-Serie schon einmal auf um die 900 Euro. Die seit 2016 erhältliche WM-Serie zeigt, dass Sony mit dem Walkman wieder einen Platz gefunden hat: Im Highend-Segment für mobile Audioplayer.
Angekommen im Luxus: Walkman für Audiophile
Während Sony viele Jahrzehnte versuchte, den Massenmarkt mit trendigen Walkman-Produkten zu bedienen, scheinen die Verantwortlichen jetzt eine sicherlich auch ertragreiche Nische besetzen zu können. Aktuelle Spitzenmodelle sind der Walkman NW-WM1ZM2 und der NW-WM1AM2 – zwei echte Premium-Musikplayer aus der besonders edlen Signature-Edition.
Der NW-WM1ZM2 für unverbindliche 3.699 (!) Euro verspricht ein „reines Hörvergnügen“ durch die Verwendung hochwertiger Materialien, sagt Sony. Das Gehäuse besteht aus einem vergoldeten und sauerstoffreien Kupfer mit einer 99,99-prozentigen Reinheit. Das führe zu einer stabileren digitalen Masseverbindung. Die S-Master-HX-Digitalverstärkertechnologie erlaubt eine hohe Klangtreue. Hinzu kommen optimierte Kondensatoren (mehrere FT-CAP3-Kondensatoren und ein Hochplymer-Kondensator). Linke und rechte Klangsignale trennt der Walkman, was den Signalübertragungsverlust minimiert.
Die Signature-Walkman möchten das Maß aller Dinge darstellen – auch wenn es sich letztlich um Android-basierte Mediaplayer mit 5-Zoll-Display und Wi-Fi handelt. Surroundsound durch 360 Reality Audio, Unterstützung für unkomprimierte DSD-Dateien (Direct Stream Digital), MQA-Technologie und diverse Sound-Verarbeitungstechnologien lassen sicherlich die Herzen von Audio-Liebhabern höherschlagen. Aber da ist natürlich der stolze Preis….
Brauche ich einen (Highend-)Walkman?
Der Walkman der 1980er- und 1990er ist gerade für die junge Generation vermutlich ein befremdliches Stück Geschichte, über das man auf einem Trödelmarkt mal schmunzeln kann. Aber gerade Menschen, die heute mitten im Leben stehen und damals einen solchen Player voller Stolz immer dabei hatten, könnten vielleicht mit dem Walkman der Gegenwart liebäugeln. Sony haucht dem legendären Namen (unverändert) neues Leben ein und macht das auf eine vielleicht kostspielige, aber zugleich auch sehr reizvolle Weise.
Ich selbst finde es schön, dass der Walkman wieder eine echte Daseinsberechtigung hat, auch wenn ich mich nicht als Audio-Experte bezeichnen würde. Das kleine Ding weckt Begehrlichkeiten und Erinnerungen an die eigene Jugend. Ich griff kurz nach der Wende übrigens zu einem Walkman-Klon von Aiwa, nachdem mein erster tragbarer Kassettenplayer vom Woolworth-Wühltisch nicht wirklich Freude bereitete…
Aufgrund des Preises richtet sich die aktuelle Walkman-Generation an ein ausgewähltes Publikum, das diesen Audio-Luxus auch schätzt. Aber machen wir uns nichts vor: Wäre ein Walkman aus dem Jahr 2022 „nur“ ein gewöhnlicher Audioplayer, kaum jemand würde sich für diesen interessieren. Musik kann heute sogar eine Smartwatch zu den kabellosen Kopfhörern streamen. Und vielleicht ist gerade der ab April 2022 erhältliche Sony Walkman NW-WM1AM2 mit seinem Preis von knapp 1400 Euro gar nicht so teuer? Also der erste Walkman (TPS-L2) in Deutschland im Jahr 1980 in den Handel kam, kostete dieser stolze 500 DM. Und der konnte „nur“ analoge Kassetten abspielen…
Jetzt kommentieren!