Nach der Arbeit noch eine Runde joggen wenn es schon dunkel ist, oder nachts zu Fuß nach Hause gehen. Besonders Frauen und ältere Menschen fühlen sich dann oft nicht sicher. Das Smartphone kann hier helfen – mit Notfall-Apps oder digitaler Heimwegbegleitung.
Inhalt:
Standortverfolgung durch Freunde und Familie
Heimwegbegleitung mit Hausmitteln
Notfall-Apps
Life360
iSharing
KommGutHeim
SafeNow
Grenzen der Notfall-Apps
Heimweg-Apps, die dich begleiten, bis du zu Hause bist
Neben dem Heimwegtelefon, bei dem ehrenamtliche Mitarbeiter mit dir telefonieren während du nachts unterwegs bist, gibt es auch Apps, die digital an deiner Seite sind.
Die meisten Apps setzen dabei darauf, dass Freunde oder Familie bereit sind dich auf einer Karte zu verfolgen, bis du sicher zu Hause angekommen bist. Was aber, wenn du als Schichtarbeiter:in regelmäßig morgens um vier zu Fuß nach Hause gehst? Dann sieht es leider in Deutschland aktuell schlecht aus. Denn dafür gab es mal Lösungen, die aber alle eingestellt worden sind.
Von 2016 bis 2022 gab es die Notfall-App Wayguard, von Axa und der Polizei Köln, die allerdings nicht mehr verfügbar ist. Mit Wayguard konntest du dich sogar kostenlos von einem Mitarbeiter (der mit der Polizei verbunden war) auf seinem Weg verfolgen lassen. Ebenso ist die App Vivatar scheinbar heimlich vom Markt verschwunden, dort gab es zumindest in der Premiumversion die Möglichkeit sich von einem Mitarbeiter begleiten zu lassen.
Standortverfolgung durch Freunde und Familie
Die Auswahl an Apps ist groß, das Konzept immer ähnlich: du teilst einer einzelnen Person oder einer Gruppe von vertrauenswürdigen Personen mit, dass du unterwegs bist, und diese können dann auf einer Karte den Standort verfolgen.
Das ist für viele Anwendungsfälle eine gute Option. Ob es der Heimweg von einem langen Abend mit Freunden ist, oder ob du dich in einer fremden Stadt unsicher fühlst: Solange Freunde oder Familie bereit sind ihr Smartphone im Auge zu behalten, bist du damit gut versorgt.
Heimwegbegleitung mit Hausmitteln
Für die Basisfunktion – Standortfreigabe für eine andere Person – braucht es genau genommen nicht mal eine App. Als Android-Nutzer kannst du mit Google-Maps deinen Live-Standort mit einer anderen Person teilen, das lief allerdings bei meinen Tests nicht so reibungslos, wie es sollte. Als ich einen Freund digital auf einem Weg begleiten wollte, fror der Standort immer wieder ein. Und sobald ich zu einer anderen App wechselte, war er bei Rückkehr zu Google Maps oft nicht mehr zu sehen, so dass ich den Link zur Freigabe neu raussuchen und anklicken musste.
Die Freigabe bei Apple Maps funktionierte zuverlässiger, aber natürlich nur im Apple-Universum.
Notfall-App-Empfehlungen
Wenignutzer, die nur in seltenen Fällen mal eine Heimwegbegleitung haben möchten, sind mit Glympse gut bedient. Denn dafür braucht das Gegenüber keine App oder Anmeldung. Du kannst einfach den Link verschicken und damit live verfolgt werden, was Glympse zu einem sehr niedrigschwelligen Angebot macht. Zumal die Standortverfolgung auch in einem Browser funktioniert – es braucht also nicht mal ein Smartphone dafür. Auch über WhatsApp kannst du deinen Standort temporär freigeben.
Es gibt aber auch spezialisierte Apps. Getestet habe ich „KommGutHeim“, „Life360“, „iSharing“ und „SafeNow“. Um es vorweg zu nehmen: Gewonnen haben dabei KommGutHeim und SafeNow.
Der Funktionsumfang ist bei allen Apps sehr ähnlich, teilweise sind Funktionen aber nur mit einem Premiumabo nutzbar.
In allen Apps fügst du Freunde oder Verwandte hinzu und kannst diese dann aus der App heraus benachrichtigen, wenn du eine Begleitung wünschst. Und alle Apps haben einen Notfallbutton, bei dessen Nutzung dann die Freunde innerhalb der App und teilweise noch weitere Kontakte außerhalb informiert werden.
Notfallapp 1: Life 360
Unser Start ist holprig, denn um die App zu nutzen, muss ich meine Handynummer und E-Mail-Adresse angeben und der Nutzung und Analyse meiner Daten zustimmen – sowie der Weitergabe an Partner. Das gefällt mir gerade bei einer App, die meinen Standort verfolgt, meine Freunde und Verwandtschaftsbeziehungen kennt und der ich mitteile wo ich wohne und arbeite, so gar nicht. Im weiteren Anmeldeprozess wird auch der Zugriff auf Bewegungssensoren und Bluetooth verlangt.
Was mir hingegen gut gefällt, ist, dass auch ohne Premium alle wichtigen Funktionen verfügbar sind. Der Alarm löst zuverlässig aus und du kannst weitere Notfallkontakte außerhalb der App angeben. Du kannst zudem Orte anlegen und dich informieren lassen, wenn andere Personen aus deiner Gruppe an diesem Ort ankommen oder ihn verlassen. Das funktioniert ziemlich gut – allerdings konnte ich nicht herausfinden, wie ich dem widersprechen kann.
Wenn also jeder aus meinem „Circle“ sich ungefragt darüber informieren lassen kann wann ich mein Zuhause verlasse, wie oft ich einkaufen gehe und welche Freunde ich gerade besuche, ist das für meinen Geschmack übers Ziel hinaus geschossen.
Es mag Szenarien geben, in denen dieser Funktionsumfang passt. Aber wenn es dir nur um eine Heimwegbegleitung geht, du aber nicht möchtest dass die Menschen in deinem Circle jederzeit nachschauen können wo du dich befindest, ist diese App nicht die richtige für dich.
Notfallapp 2: iSharing
Auch iSharing will deine Handynummer und deine E-Mail-Adresse haben, dazu noch dein Geburtsdatum und den Zugriff auf „Aktivitätsverfolgung“. Der Zugriff auf das Adressbuch bleibt aber freiwillig.
Ebenso wie bei Life360 kannst du bei iSharing jederzeit den Standort deiner Freunde abrufen und dich informieren lassen, wenn diese Orte betreten oder verlassen. Du kannst das zwar pro Person ausschalten, aber dann macht die App keinen Sinn mehr, da sie dann nicht mal den Notfall-Alarm durchstellt.
Ein weiterer Nachteil von iSharing ist der enorme Akkuverbrauch.
Notfallapp 3: KommGutHeim
Auch bei KommGutHeim fügst du Freunde und/oder Verwandte hinzu – allerdings können diese deinen Standort nicht dauerhaft sehen, sondern nur, wenn du eine Heimwegbegleitung startest. Das ist nicht nur für den Akku gut, sondern auch für deine Privatsphäre – und es macht KommGutHeim für mich zum Testsieger.
Auch in dieser App kannst du einen Alarm auslösen. Wenn du dich gerade aktiv begleiten lässt, bekommen die Begleiter eine Push-Benachrichtigung. Notfallkontakte außerhalb der App können ohne Premium allerdings nur per E-Mail benachrichtigt werden, was bei meinem Test auch nicht funktionierte und konzeptionell fragwürdig ist. Ein weiterer Kritikpunkt ist, dass die App lautstark Sirenen beim Hilfesuchenden abspielt, was natürlich auch nicht in jeder Situation passend ist. Positiv zu erwähnen ist aber, dass du schnellen Zugriff auf die lokalen Notrufnummern bekommst.
Notfallapp 4: SafeNow
SafeNow ist wirklich im strengen Sinn eine Notfall-App. Auch hier erstellst du deine Gruppen, allerdings kann SafeNow noch etwas mehr. Befindest du dich in sogenannten Safe Zones wie Bahnhöfen, wird zusätzlich das Sicherheitspersonal vor Ort benachrichtigt.
In dieser App startest du keinen Weg, sondern du hältst den Alarmbutton gedrückt. Lässt du ihn los, wird automatisch Alarm ausgelöst. Auch das funktioniert besser als bei den anderen Apps. Denn dein Telefon bleibt stumm, während bei den Telefonen deiner Helfer lautstark Sirenen angehen. Die können sich – wenn du es freigegeben hast – über deinen „Nicht stören“-Modus hinwegsetzen.
Wenn es also darum geht, im Notfall andere Menschen zu benachrichtigen, scheint mir SafeNow die mit Abstand durchdachteste Lösung zu sein.
Die Grenzen der Notfall-Apps
Du lässt dich nachts auf dem Heimweg per Notfall-App von Freunden begleiten und wirst plötzlich bedroht. Du löst sofort den Alarm aus und deine Freunde wissen, dass du in Gefahr bist und wo du bist.
Und dann?
Wenn du dich nicht gerade um die Ecke vom Aufenthaltsort eines digitalen Begleiters befindest, kann er dir aber nicht schnell zur Hilfe eilen. Aber einfach so die Polizei rufen um ihnen mitzuteilen, wo du bist, aber ohne eine Ahnung was los ist? Die Hemmschwelle ist hoch. Da würde deine Fernbegleitung wohl vorher anrufen oder eine Nachricht schicken und nachfragen. Aber wenn du tippen oder telefonieren könntest, hättest du das wohl auch getan…
Was mir bei meinem Test gefehlt hat, war die Option, meinen Begleitern die Art des Notfalls mitteilen zu können. Ich würde gerne neben dem generellen Notfallbutton noch die Option haben ein „Ruf die Polizei!“, „Ruf einen Krankenwagen!“ oder „Komm her!“ mitschicken zu können, damit mein Gegenüber weiß, welche Art von Hilfe ich benötige.
Übrigens: Wenn du in Deutschland von deinem Handy aus den Notruf wählst, sendet es deinen Standort immer mit!
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