E-Mobility: Es geht noch nicht ohne (eigenes) Auto

Das eigene Auto verkaufen und nur noch mit Rad oder ÖPNV unterwegs sein? Schöne Idee, aber das geht selbst als Stadtmensch nur in der Stadt.

E-Mobility: Es geht noch nicht ohne (eigenes) Auto
Lastenrad als Teil-Alternative fürs Auto (Bild: Jürgen Vielmeier)

Warum habe ich noch ein eigenes Auto? Diese Frage muss man sich als halbwegs umweltbewusster, moderner Stadtmensch ja hin und wieder stellen.

Direkt vor meiner Tür parken zwei Mietwagen des Carsharing-Anbieters Miles und seit neuestem sogar zwei öffentliche Lastenfahrräder. Ein Bus fährt mich in 15 Minuten zum Hauptbahnhof, die nächste Tram ist 10 Gehminuten entfernt, mein E-Bike steht im Hinterhof. Die Stadt würde von mir am liebsten heute als morgen, dass ich mein Auto verschrotte und Platz mache für urbane Freiflächen. Meine ehrliche Meinung dazu: Nichts lieber als das – aber wie soll das gehen?

Raus aus der Stadt, und es wird kompliziert

Denn die Probleme beginnen ja erst dann, wenn es darum geht, aus der Stadt heraus zu kommen. Letzten Sommer etwa fuhr ich mit einer Freundin zu Rock am Ring am Nürburgring in der Eifel. Mein Auto stand am Ende drei Tage fast nur auf der Parkwiese, klar. Aber mit ÖPNV wäre dort schlicht nicht hinzufahren gewesen. Die Shuttles? Nur auf gut Glück von beiden Nachbarstädten aus zu besetzen, nicht vorab zu buchen, hoffnungslos überfüllt und – die ganze Campingausrüstung?

Die Alternative? Einen Mietwagen buchen – nur um den dann ebenfalls drei Tage dort auf der Wiese zu parken? Auch nicht wirklich nachhaltig.

Ähnliches Szenario: Mit drei Freunden pilgerte ich an einem verlängerten Wochenende den Eifel-Jakobsweg von Waxweiler bis Trier. Wir kamen auf dem dortigen Campingplatz unter, der noch ein bisschen außerhalb des Ortes liegt. Vernünftige andere Unterkünfte gab es nicht. Also jeden Morgen von dort zum Ziel des Vortags, zu Fuß zum nächsten Ort und von da wieder zurück zum Campingplatz. Wir fuhren am Ende mit zwei Autos hin, mit denen wir uns gegenseitig chauffierten. Taxi? Gibt es nicht an jedem Ort. Carsharing-Konzepte? Hätten einen Mondpreis gekostet. Mit einem Leih-E-Scooter runterfahren? FreeNow schlug das tatsächlich vor:

Mit dem E-Scooter von Bonn in die Osteifel. FreeNow hält das tatsächlich für eine gute Idee.
Mit dem E-Scooter von Bonn in die Osteifel. FreeNow hält das tatsächlich für eine gute Idee. (Screenshot)

Mit guter Planung kann ein Mietwagen die Lösung sein. Aber die Option fällt flach, wenn es darum geht, kurzfristig weiter raus zu fahren. Ein Freund ist auf dem Weg liegengeblieben, der ADAC kommt nicht? Dann hoffen, dass gerade ein Miles in deiner Stadt verfügbar ist. Einem Verwandten ist mitten in der Nacht etwas zugestoßen und du musst schnell hin. Wie soll das mit Bus oder Bahn gehen?

Konzepte sind zur Hälfte da: So ginge es noch besser

Sportwettbewerbe im Breitensport wie Meisterschaftsspiele oder Turniere sind nicht selten in irgendwelchen Vororten. Kommt man mit ÖPNV in der dreifachen Zeit vielleicht noch hin, aber spätabends ganz sicher nicht mehr zurück. Dann jedes Mal einen Miles oder Flinkster für den ganzen Abend buchen? Ganz schön teuer, und zumindest bei Miles gibt es keine Garantie, dass du kurzfristig einen Wagen bekommst. Eine Reservierung ein paar Stunden oder gar Tage im Voraus: nicht möglich.

Dabei stimmt die Richtung ja. Carsharing ist eine tolle Ergänzung, und sie ist bezahlbar. In meiner Stadt gibt es Miles, am Nachbarort ShareNow, in wieder anderen Städten: AnyMove.

Carsharing müsste sich nur noch flexibler aufstellen, das könnte eine Lösung sein:

  • Ein noch viel größeres Einzugsgebiet
  • Mehr unterstützte Städte für die gleichen Dienste
  • Fairere Tarife für Fahrten ins Umland
  • Notfall-Verfügbarkeit von Fahrzeugen
  • Reservierungsmöglichkeit Tage im Voraus, zur Not gegen eine faire Gebühr.

Dann hätten wir eine echte Ergänzung zum 49-Euro-Ticket.

Ach so, und ach ja: Worüber wir bisher kaum gesprochen haben, ist das Thema ÖPNV als KFZ-Ersatz. Kurz gesagt: Versuch doch mal, von Bonn nach Waxweiler und wieder zurück mit dem öffentlichen Nahverkehr zu kommen, dort von einem Ort zum nächsten zu wandern und jeden Abend mit dem Bus wieder zurück zum Campingplatz zu fahren.

So viel zum Thema ÖPNV…

Nein, ohne (eigenes) Auto geht es noch nicht.

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