Radio auf dem Smartphone: Fünf Apps gegen den UKW-Schwund

Top-Smartphones kommen fast immer ohne UKW-Radio daher. Daniel Wendorf weicht deswegen widerwillig auf Radio-Apps aus. Eine davon überzeugt ihn dann aber doch.

Radio auf dem Smartphone: Fünf Apps gegen den UKW-Schwund

Analoge Hörfreuden

In mancherlei Hinsicht bin ich altmodisch. Das betrifft vor allem meine Hörgewohnheiten. Statt fetziger Podcasts und Hörbücher fröne ich dem klassischen Radio. Die Liebe zu diesem Medium geht so weit, dass ich meine Smartphone-Kaufentscheidung von einem Feature abhängig mache: Bietet es einen UKW-Empfang? Wenn nicht, ist es schon nicht mehr interessant.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass nur wenige Spitzenmodelle der Wischtelefone diesen analogen Hörgenuss überhaupt anbieten. Mein im Alltagsgebrauch befindliches Samsung Galaxy S9 (US-Edition) ist davon ausgenommen, für das nächste Telefon sehe ich aber schwarz.

Es hilft nichts: Ich muss mich mit Radio-Apps auseinandersetzen. Und sie sollten einige Anforderungen erfüllen. Eine große Sender-Auswahl ist wünschenswert, um auch mal in exotische Programme reinzuhören. Die Klangqualität sollte mindestens auf MP3-Niveau sein, aber gleichzeitig nicht zu sehr am Datenvolumen zehren. Selbstverständlich müssen sie im Hintergrund laufen können. Die Navigation wünsche ich mir simpel, Podcasts sind keine Voraussetzung, um mich zu überzeugen.

Aus der Vielzahl an Radio-Apps habe ich mir fünf herausgepickt:

ARD Audiothek – ÖR-Platzhirsch

Schon für 17,50 Euro pro Monat erhaltet ihr die ARD Audiothek – ist ja schließlich in der Rundfunkgebühr inklusive. Alle öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten sind vertreten, vom Jugendnetzwerk funk über MDR und NDR bis zum SWR und BR.

Neben Live-Streams könnt ihr bereits Sendungen nachhören oder gezielt einzelne Formate abonnieren, die dann einem Podcast ähnlich in hübscher Regelmäßigkeit mit neuen Folgen aufwarten. Für Hörbuch- und Krimi-Fans ist die Audiothek ein schier unerschöpfliche Quelle. So ist die Vorlage zu „Babylon Berlin“ – das Buch „Der nasse Fisch“ – in epischer Länge zu hören und nur eines von vielen Highlights. In 27 Kategorien wie Sport, Satire oder Dokumentationen findet ihr bestimmt etwas für eure Ohren.

Die ARD Audiothek bietet viele (leider unsortierte) Kategorien (links), in denen ihr auch zahlreiche Hörbücher findet (Mitte). Schade: Um zu den Streams zu gelangen, müsst ihr euch zunächst durch die Sender-Reiter hangeln (rechts). Das sollte einfacher sein. (Screenshots: Daniel Wendorf)

Der App-Funktionsumfang ist überschaubar: Favoriten markieren, Abonnements abschließen, nach Inhalten und Titeln suchen. Das ist erwartbar. Geregelt im Rundfunkstaatsvertrag ist aber, dass jedes (!) Hörstück zum kostenfreien Download verfügbar sein muss. Seid ihr also unterwegs und wollt euch von der Welt abnabeln, ladet ihr die einzelnen Stücke vorab herunter.

Das schont das Datenvolumen, das ansonsten bei ungefähr 75,70 MB pro Hörstunde liegt. Gibt es etwas zu bemängeln? Leider ja, denn die Navigation brüllt geradezu nach einer Überarbeitung. Es ist lobenswert, dass ein Dark Mode inklusive ist – dass man die Live-Streams aber erst nach drei Klicks erreicht und die Kategorien in scheinbar wahlloser Folge ins Menü geworfen sind, stört den ansonsten hervorragenden Gesamteindruck.

Die ARD Audiothek gibt es kostenfrei für Android im Google Play Store und iOS im Apple Store.

Radio.de – App-Klassiker mit großen Macken

Seit vielen Jahren gehört die Radio.de-App zu den prominentesten Anwendungen ihrer Art. Schon wegen ihres Umfangs kommen Radiohörerinnen und -hörer kaum an ihr vorbei. Satte 30.000 verschiedene Sender findet ihr hier und neuerdings auch 900.000 Podcasts. Damit ihr euch in dieser Auswahl nicht verliert, könnt ihr Radiostationen zu Favoriten hinzufügen und die Podcasts abonnieren. Eine Suchfunktion ist selbstverständlich auch dabei.

Radio.de fragt euch, ob ihr mobiles Datenvolumen beanspruchen möchtet (links) – vorbildlich! Dass aber immer wieder Werbung den Bildschirm flutet (mittig), nervt. Die Suche (rechts) ist umfangreich und vielen anderen Apps voraus. (Screenshots: Daniel Wendorf)

Als besonders positiv hervorzuheben ist die Navigation. Trotz des Umfangs sind die Kategorien übersichtlich und die Einstellungsmöglichkeiten auf ein Minimum reduziert.

In punkto Klang liefert Radio.de echte DAB-plus-Qualität. Da ein rein digitales Übertragungsformat zum Zuge kommt, rauschen Programme nicht oder wirken verzerrt. Verbesserungspotential gibt es bei der Latenz. Mit bis zu einer Minute Verzögerung kommt das Signal auf dem Telefon an, hin und wieder springt die Wiedergabe einige Sekunden vor oder zurück.

Nicht das einzige Problem, das die App plagt. Weil ihr die Klangqualität nicht einstellen könnt, zieht Radio.de eine große Menge an Daten. Eine Stunde Hörgenuss unter Android wiegt gut 115 MB – es können aber auch weniger sein, wenn der Sender in einer geringeren Bitrate streamt. Weil sich die Plattform über Werbung finanziert, spielt sie während des Starts Videowerbung aus und garniert die Menüs mit Grafiken.

Die Senderliste (links) überzeugt mit den erwartbaren Sendern und kleinen Überraschungen. Die Integration von Podcasts (rechts) erweitert den Audio-Umfang merklich. (Screenshots: Daniel Wendorf)

Radio.de ist trotz dieser kleinen Einschränkungen eine empfehlenswerte Alternative zum UKW-Empfang. Die App gibt es für Android im Google Play Store und iOS auf Apples Marktplatz. Eine Integration in Android Auto und Apple CarPlay bietet die App ebenfallsan.

Radio FM – Internationales Leichtgewicht

Kompakt, international, benutzerfreundlich. Drei Worte, mit denen Radio FM präzise beschrieben ist. Eine Stunde Radio-Genuss zwackt 68,03 MB vom Datenvolumen ab. Das ist nur etwa halb so viel wie bei Radio.de. Radio FM hantiert mit verschiedenen Bitraten, welche die Radiostationen selbst festlegen. Den Brandenburger Jugendsender Fritz empfangt ihr mit 48 kbps, den Deutschlandfunk hingegen wahlweise mit 64 kbps oder 128 kbps. Selbst bei niedrigerer Signalauflösung ist der Klang noch okay und weit vom analogen Rauschen entfernt.

Eine hakelige Übersetzung muss man wohl in Kauf nehmen. Warum ich mein Lieblings-Radio „werfen“ sollte, weiß ich nicht – den Favoriten füge ich es aber gerne zu (links). Toll ist, Netzwerke wie das der BBC aufzudröseln und sich durch die verschiedenen Stationen zu hören (mittig). Es kann euch gar nicht nischig genug sein? Dann hört doch den Technosender katzenpuff oder das untergrund-webradio (rechts). 

Radio FM führt über 50.000 Sendestationen aus aller Welt. Tschechisches Contemporary-Programm, österreichischen Talk oder die News aus den USA sind schnell gefunden. Podcasts bleiben außen vor. Die App-Navigation könnte etwas simpler gehalten und optisch eleganter sein. Das ist aber auch der einzige negative Aspekt. Selbst die Werbung ist dezent gehalten. Zum App-Start spielt der Betreiber eine kleine Grafik aus, die ihr nach wenigen Sekunden überspringt.

Erhältlich ist Radio FM im Google Play Store und bei Apple.

TuneIn – Luxus gegen Geld

Zwei Millionen Podcasts, 70.000 Radiostationen in 43 Genres. Nach Zahlen kann kaum eine App TuneIn das Wasser reichen. In der Basisversion ist TuneIn gratis, nervt aber mit eingeblendeter Werbung in der Mitte oder am unteren Rand des Bildschirms. Für etwa 9 Euro pro Monat schaltet ihr die Einblendungen aus und profitiert von der Aufnahmefunktion. Fein: Aktiviert ihr die GPS-Ortung, schlägt euch TuneIn zunächst lokale Sender vor.

TuneIn ist zwar gratis, kokettiert aber mit einem Premium-Abo, das ihr gratis testen könnt (links). Nehmt ihr das wahr, entfällt die Werbung. In den zahlreichen Kategorien (mittig) stöbern wir auch nach Podcasts. Und stolperten über das Hörformat mit Oliver Pocher (rechts). Hörenswert? Entscheidet selbst… (Screenshots: Daniel Wendorf)

Für die durchgehend gute Klangqualität werdet ihr dazu noch mit einem niedrigen Datenverbrauch von nur 49,20 MB pro Stunde belohnt. In einer Hinsicht sticht TuneIn aus der Radio-App-Masse heraus: Ihr könnt Streams pausieren und später an selber Stelle fortsetzen oder direkt zum Live-Stream wechseln.

Eine fast perfekte App also, die aber an jeder Ecke danach schreit, ein Abo abzuschließen. TuneIn gibt es für Android und Apples iOS in der kostenfreien Basis-Version.

Radio Player, MP3-Rekorder + Podcasts von Audials

Ich kann nicht verstehen, wieso Audials seine Radio-App als „Radio Player, MP3-Rekorder und Podcasts von Audials“ nennt. Geht es noch sperriger?

Sei es drum: Mit 63.000 Radiostationen und etlichen Podcasts ist die Sendervielfalt beeindruckend. Dass ihr das Programm aufnehmen könnt, ein schönes Feature, für das TuneIn Geld verlangt und das andere Apps gar nicht erst an Bord haben. Reicht euch das einfache Clipping nicht aus, greift ihr zur Pro-Version für etwa 5 Euro. In dieser könnt ihr gezielt einzelne oder mehrere Tracks aus dem Programm schneiden, auch nachträglich, solltet ihr den Ohrwurm verpasst haben.

Das Kachel-Design ist sicher Geschmackssache (links). Einmal verinnerlicht, navigiert ihr euch flott zu den Podcasts oder Radiostationen (mittig). Audials möchte außerdem den vorinstallierten Musik-Player eures Smartphones obsolet machen (rechts). (Screenshots: Daniel Wendorf)

Die Bezahlfassung lässt euch außerdem nach Künstlern suchen und listet deren Songs in der History auf. So könnt ihr noch gezielter nach aktuellen Charthits und zeitlosen Oldies suchen. Obendrein ersetzt Audials noch die vorinstallierten Musik-Player eures Smartphones.

An anderer Stelle rangiert der Funktionsumfang hinter den Konkurrenz. Eine Rückspulfunktion gibt es nicht, die Navigation ist ausbaufähig. Warum Audials trotzdem mein Favorit ist? Weil die App nicht mit Werbung nervt, dafür aber unaufgeregt Tugenden alten Radiohörens neu belebt. Die gute Klangqualität belastet das Datenvolumen allerdings. Eine Stunde Audio wiegen 95,85 MB.

Die kostenfreie Version findet ihr im Google Play Store und auf Apples iOS-Marktplatz. Die erweiterte Pro-Version führt nur der Google Play Store.

Das Fazit: Umfang ist nicht alles

Kann ich mich vom UKW-Radio trennen? Angesichts der Smartphone-Entwicklung und den Alternativen schon, glaube ich. Von den vorgestellten Apps hat mich Audials am meisten überzeugt. Gute Klangqualität, enormer Funktionsumfang und eine faire Aufteilung zwischen Gratis- und Pro-Version sprechen für die App.

Knapp dahinter rangiert die ARD Audiothek, deren Hörbuch- und Podcast-Pool unerschöpflich ist. Möchte ich Daten sparen, greife ich zu Radio FM, das eine gute Wahl für internationale Radio-Expeditionen ist. Einen klaren Verlierer gibt es aber auch: Radio.de. Das Vor- und Zurückspringen und nervende Werbung verhageln den Hörspaß gehörig.

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5 Kommentare zu “Radio auf dem Smartphone: Fünf Apps gegen den UKW-Schwund

  1. Hallo,
    Habe mich gerade sehr gefreut: denn Sie sagen, Sie hätten auf ihrem Galaxy S9 UKW Radioempfang hinbekommen. Ich würde mich total freuen, wenn Sie mir verraten könnten, wie sie UKW Radio ohne Internet mit dem S9 empfangen! Ich habe das s9 plus. Da geht das einfach nicht. Kann das sein? Auch gibt es gibt – für mich absolut erstaunlich – auch so gut wie keine neueren Kommentare im Internet dazu, ob/wie dies beim S9Plus möglich sein soll.
    Würde mich wirklich sehr über Ihre Hilfe freuen! Schöne Grüsse, Mathias B.

    1. Hallo, ich besitze ein US-Modell des Galaxy S9. Dort ist UKW-Empfang möglich. Ich präzisiere das noch im Artikel.

      Gruß

      Daniel

      1. Hallo Herr Wendorf,

        das ist doch grober Unsinn, was Sie hier schreiben. Mglw. hat Ihr US Smartphone UKW Empfang aber die Apps, die sie hier vorstellen, streamen ausschließlich Internet Radio, natürlich auch von Sendern, die über UKW Funk zu empfangen wären. Das werden Sie merken, wenn Sie WLAN und Mobile Daten ausschalten – dann ist ihr Radio aus. Mit ihrem US Smartphone werden Sie in Deutschland keinen Sender empfangen.
        Mein Xiaomi hat einen UKW Empfänger und eine nicht wirklich prickelnde Radio App, die wirklich über UKW Funk empfangen kann.
        Aber sobald Sie von Datenvolumen reden, geht es ums Streaming. und natürlich kann man UKW Sender per Internet Radio hören. Dazu braucht man aber keinen UKW Empfänger.

        Gruß
        Frank

        1. Hallo Frank,

          es wäre grober Unfug, wäre diese Trennung (UKW oder Streaming über App, um Radio zu hören) nicht der Aufhänger des gesamten Beitrags.

          Viele Grüße

          Daniel Wendorf

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