Money kills the Podcast Star

Spotify und Apple Music führen kostenpflichtige Podcasts ein. Das wird sie nicht besser machen. Im Gegenteil.

Money kills the Podcast Star
Frau bei Podcast-Aufnahme (Bild: Unsplash/Soundtrap)

Fest & Flauschig war mal geil. Ihr wisst schon, als es noch Sanft & Sorgfältig war. Das hörte aber auf, als Böhmermann & Schulz zu Spotify gingen. Nicht sofort. Der Sound blieb erst einmal gleich. Etwas anderes ging kaputt.

Böhmermann & Schulz versprachen, der Podcast werde immer frei zu hören sein. Hand aufs Herz. Großes Indianerehrenwort. Sie zwangen mich aber, die Spotify-App herunterzuladen. Mit der Podcast-App meiner Wahl konnte ich Fest & Flauschig nicht mehr hören.

Nicht schlimm? Vonwegen. Das machen jetzt alle so. Immer mehr Podcaster sind exklusiv über eine Plattform zu hören. Und ich muss mein Smartphone mit immer mehr Podcast-Apps zumüllen.

Eigentlich sind es auch keine Podcast-Apps. Es sind Plattform-Apps, die ihre Präsenz auf meinem Smartphone nutzen, um möglichst viel über mich zu erfahren – und dieses Wissen dann zu monetarisieren.

In der neuen Podcast-Welt bin ich nicht mehr der Kunde. Ich bin die Ware.

Wird die Podcast-Szene zum Bordell?

Nach der ersten Hürde kommt eine zweite: Ihr müsst bezahlen, wenn ihr exklusive Podcasts hören wollt. Den Podcastern gönne ich die Einnahmen von Herzen. Wer Zeit investiert und Qualität produziert, soll daran auch verdienen.

Bislang – so hört man – haben die Macher exklusiver Podcasts eine Fixsumme dafür erhalten. Doch in Zukunft wird das Podcasten auf Spotify und Apple Music so aussehen: Was dem Podcaster ausgezahlt wird, ist variabel. Wer mehr Abonnenten hat und oft gehört wird, bekommt mehr Geld.

Fest und Flauschig
Mit dem Wechsel von Böhmermann und Schulz zu Spotify fing alles an

So funktioniert das auch jetzt schon beim Musik-Abo von Spotify. Und was passiert? Die Auszahlungen pro gespieltem Song sind sehr gering. Kleine Künstler darben. Sie verdienen wenig und sind darauf angewiesen, Geld über Konzerte und Merchandising einzunehmen. Eine nicht endende Ochsentour.

Große Künstler verdienen mehr. Nicht pro Lied, aber die Algorithmen helfen ihnen. Spotifys Technik schiebt ihre Lieder auf beliebte Playlists. Sogar die Songs selbst haben sich schon verändert: keine langen Intros mehr, eine eingängige Line, extremst snackable.

Auf diese Weise ist die Produktion von Musik keine Kunst mehr, sondern Marketing. Mir graut schon davor, wenn Podcasts, die ich wegen ihrer besonderen Stimme mag
– also für eine abweichende Meinung – diesem Anpassungsdruck unterliegen.

Viele Podcasts werden immer glatter werden – und damit langweiliger.

Mehr Geld = weniger Podcasts (die ich höre)

Je weniger die Künstler verdienen, desto mehr verdienen die Betreiber der Plattform. Jeder Nutzer zahlt monatlich einen Fixpreis. Für Spotify & Co. ein lukratives Geschäft.

Bei den Streamingdiensten für Serien und Filme hat das dazu geführt, dass es nicht mehr nur Netflix, Amazon Prime Video und Sky Ticket gibt, sondern jetzt auch Disney+, bald sogar noch mehr. Alle wollen ein Stück vom Kuchen.

Mann hört Podcast (Bild: Unsplash/neonbrand)
Welche Podcast-App, äh, -Plattform darf es denn sein? (Bild: Unsplash/neonbrand)

Nicht wenige Leute hatten vor ein paar Jahre alle (drei) wichtigen Serien-Streamer abonniert. In Zukunft wird das nicht mehr so leicht möglich sein. Es werden nicht nur mehr, auch die monatlichen Gebühren steigen.

Ich verpasse jetzt schon Serien, weil ich gar nicht mehr alle Dienste abonnieren kann. Auch nicht im Wechsel. Genauso wird es Podcasts geben, die ich mir nicht mehr leisten kann – weil ich nicht für alles (gleichzeitig) zahle.

Wenn Podcasts auf exklusive Plattformen ziehen, wird das Angebot nicht unbedingt besser werden, aber die Reichweite kleiner.

0190 – W E R B U N G

Sponsoring haben inzwischen einige bekannte Podcasts. Aber warum finanzieren sie sich eigentlich nicht wie YouTuber über Werbung? Die Werbung wäre soweit. Technisch ist es bereits möglich, beim Abspielen individualisierte Werbebotschaften in den Podcast hineinzuschneiden.

Zwischen zwei inhaltlichen Blöcken ruft der Podcast mein Werbeprofil bei Google und/oder Facebook ab und ich höre zum Beispiel: Peter, du hast dir gestern im Internet ein rosa Schlauchboot angeschaut, bestell es jetzt unter geilesgummizeugdaskeinerbraucht.de!

Okay, so stark personalisiert wird es wohl nicht werden. Aber die Werbung wird so passend sein, wie sie jetzt überall im Internet passend ist (oder auch nicht).

Smartphone mit Kopfhörern (Bild: Pixabay)
Werbung im Podcast ist auch nicht die Lösung – jedenfalls nicht für mich (Bild: Pixabay)

Dazu gibt es auf jeden Fall dann noch den Bestellcode für einen Rabatt, der so individualisiert wurde, dass sich messen lässt, dass ich über diesen Podcast auf die beworbene Website gekommen bin.

Diese Art der Finanzierung nimmt keinen direkten Einfluss auf den Inhalt der Podcasts. Wenn die Einnahmen jedoch zum Leben nicht reichen, werden mehr Werbeblöcke eingebettet. Und der Inhalt wird dann schließlich doch danach ausgerichtet, was mehr Abonnenten bringt – und damit mehr Einnahmen. Welcome to the Beauty Palace.

Podcasts, die es nicht auf eine Streaming-Plattform schaffen, landen letztlich auf einer Werbe-Plattform.

Was ist dann die Alternative?

Natürlich ist Geld die Lösung. Niemand kann erwarten, dass die Podcast-Produktionen immer professioneller werden, diese aber weiterhin nichts kosten. Für Jubel & Krawall habe ich 10 Euro gezahlt. Einmalig. Mein Zugang ist jetzt lebenslang gültig.

Das Risiko, dass der Podcast schon nach zwei Folgen wieder eingestellt wird, war klein. Dafür hören die beiden sich zu gerne reden. Bei aktuell 43 Folgen habe ich 23 Cent pro Folge gezahlt.

Wer ein Podcast mag, zahlt auch gerne dafür – am besten direkt (Bild: Unsplash/Siddharth Bhogra)

Einziger Wermutstropfen: Ich habe jetzt die Amazon-Audible-App auf meinem Smartphone, die nicht nur grottenschlecht ist, sondern vermutlich auch ein wenig die Augen offen hält, was ich auf dem Gerät so treibe.

Ob die Rechnung für Audible aufgehen wird, wage ich zu bezweifeln. Wenn viele neue Hörer gewonnen werden – gerade am Anfang –, kommt Geld rein. Aber wenn nicht mehr viel neue hinzukommen, bleiben auch die Einnahmen aus – bei weiterhin hohen Produktionskosten.

Deshalb stellen auch so viele Softwareentwickler von Einmalzahlungen auf Abomodelle um.

Podcasten lohnt sich nur, wenn dauerhaft Geld hereinkommt.

Podcaster bezahlen, nicht die Plattformen

Podcaster, die sich an keine Plattform binden möchten, können sich trotzdem dafür bezahlen lassen. Und ich könnte weiterhin meine Podcasts nur über eine einzige App hören, die im besten Fall sogar Open Source ist.

Ich müsste lediglich beim Podcaster ein Passwort oder Token kaufen, das/den ich in meine App eingebe und schon kann ich für beispielsweise ein Jahr alle neue Folgen des Podcasts hören. Dann muss ich wieder zur Kasse.

Auf Patreon sind schon einige Podcaster, allerdings kaum aus Deutschland (Bild: Screenshot)

Technisch ist das kein Wunderwerk, sondern in den Standards bereits enthalten. RSS-Feeds großer, kostenpflichtiger Newsletter funktionieren so.

Sicher wird dann auch das Unternehmen die Hand aufhalten, das die Zahlungen abwickelt. Doch ich habe kein Problem damit, dass andere mitverdienen. Wenn sich die Podcast-Landschaft jedoch so entwickelt wie die der Serien-Streamer, dann will ich das nicht.

Mit Substack und Patreon gibt es übringens schon zwei Kreativ-Plattformen, die diesem Grundgedanken folgen.

Podcast-Produzenten sollten sich nicht an Plattformen binden, die ihnen die Butter vom Brot nehmen. Podcast-Hörer sollten alle Podcasts in einer schlanken, aber gut designten App hören können.

Fazit: Warum nicht anders?

Je mehr Podcasts es gibt, desto mehr Schrott ist darunter. Ich habe nichts dagegen, dass die alle zu Spotify und Apple Music gehen, um ein paar Cent zu verdienen. Das sind die beiden Platzhirsche, die jetzt kostenpflichtige Podcasts anbieten und damit die Podcast-Landschaft verändern werden.

Mir geht es um die Podcaster, die viel Liebe und Zeit in ihre Podcasts stecken, aber nicht davon leben können. Ihnen würde ich gerne möglichst direkt das Geld geben, dass sie in der Summe davon leben können, ohne dass sie sich dabei dem Massengeschmack anpassen müssen.

Beitragsbild: Unsplash/Soundtrap

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