Seit Anfang März 2023 greift in der EU eine neue Stufe der Ökodesign-Richtlinie, die unter anderem die Energie-Effizienz von Displays wie in TV-Geräten stärker reglementiert. Allerdings sind deswegen einige Falschmeldungen im Umlauf. Denn ein Verkaufsverbot von 8K- oder sogar 4K-Fernsehern bedeutet das nicht.
Seit wann gibt es die Ökodesign-Richtlinie?
„Neu“ ist die vieldiskutierte Ökodesign-Richtlinie nicht. Im Gegenteil! Bereits seit 2005 ist die EU-Kommission bemächtigt, für die Mitgliedsstaaten der Europäischen Union die ökologischen Anforderungen an bestimmte Produktgruppen festzusetzen. Sie umfassen Aspekte von der Produktherstellung über die -nutzung bis zur -entsorgung.
Die Vorgaben sind in der Ökodesign-Richtlinie zu finden, die in ihrer aktuellsten Form seit Mai 2021 beschlossen ist und nunmehr auch in Deutschland Anwendung findet.
Was sind die Ziele der Verordnung?
Das Ziel war und ist nicht nur die Senkung des Stromverbrauchs – wofür es seit 2021 neue Energieeffizienzklassen gibt. Vielmehr sollten Produkte eine umweltgerechte Gestaltung aufweisen. Wie genau diese ausseht, regeln verschiedene Unterverordnungen.
Die Ökodesign-Richtlinie gilt beispielsweise für:
- Bürobeleuchtung
- Drucker
- Elektromotoren
- Fernseher
- Geräte zur Bild-Ton-Verarbeitung
- Geschirrspüler
- Haushaltsbeleuchtung
- Klimatechnik
- Kopierer
- Kühlschränke
- Ladegeräte
- Monitore
- Netzteile
- PCs (Desktop/Laptop)
- Scanner
- Smartphones
- Staubsauger
- Tablets
- Umlaufpumpen
- Ventilatoren
- Wäschetrockner
Oder kurzum: Alles, was mit Strom betrieben ist, muss bestimmte Kriterien erfüllen. Diese sind öffentlich auf den Seiten der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung einsehbar.
Was unterscheidet die Ökodesign-Richtlinie von den Energieeffizienzklassen?
Die neuen Energieeffizienzklassen ab 2021 sollen vor allem Kunden bei der Kaufentscheidung helfen. Dafür gibt es die überarbeiteten Energielabel. Neben der groben Klassifizierung gibt es – je nach Produktkategorie – zusätzliche Informationen zum Jahresverbrauch an Strom und den wichtigsten Eckdaten, z.B. Nutzinhalt und Lautstärke eines Kühlschranks.
Die Ökodesign-Richtlinie hingegen adressiert vor allem die Hersteller. Diese sollen nur noch Produkte für den Privatanwender auf den Markt bringen dürfen, die strenge Vorgaben einhalten. Neben der Energieeffizienz betrifft das vor allem die Nachhaltigkeit:
- Produkte müssen ein Design besitzen, das den leichten Austausch von Komponenten garantiert. So sollen beispielsweise auch Laien einen defekten oder ausgelaugten Smartphone-Akku tauschen können, ohne dass dazu spezielles, herstellerspezifisches Werkzeug notwendig ist.
- Für eine solche Reparatur sollen Hersteller für mindestens sieben Jahre Reparaturanleitungen und Ersatzteile bereitstellen.
- Software-Updates sollen nun fünf Jahre nach Marktstart verfügbar sein und die Hardware nicht beeinträchtigen, also etwa die Leistung drosseln.
Sind 4K- und 8K-Fernseher nun verboten?
Ein Reizthema bezüglich der Ökodesign-Richtlinie scheinen moderne, ultrahochauflösende UHD-Fernseher zu sein. Und an diesen zeigen sich die eklatanten Schwächen der Richtlinien-Ausgestaltung, die letztlich das gut gemeinte Vorhaben ad absurdum führen.
Vielfach war zu lesen, dass durch die in Kraft getretene Richtlinie generell ein Verkaufsverbot der neuen 4K- und 8K-Fernseher (insbesondere mit OLED) einherginge.
Das ist nur bedingt richtig. Es stimmt zwar, dass die EU-Kommission die Energieeffizienz dieser Produkttypen neu festsetzte und somit die Ingenieure massiv unter Druck setzt.
Es gäbe derzeit tatsächlich keinen 8K-Fernseher, der die Ökodesign-Richtlinie ohne weiteres erfüllen würde.
ABER: Auf die Details kommt es an! Auf Seite 20 (!) der entsprechenden Richtlinie 2009/125/EG ist ein Punkt erwähnt, durch den viele Produkte bereits wieder von der derzeit heiß diskutierten Ökodesign-Richtlinie ausgenommen sind. Sie müssten dann weder leicht reparierbar sein, noch die Effizienzmaßstäbe erfüllen.
Denn die Richtlinie greift nur bei Produkten (nicht Produktkategorien, wie viele Redaktionen meinen), von denen der jeweilige Hersteller EU-weit 200.000 Stück absetzt.
Angesichts der Vielfalt an Fernsehgeräten und dem stark fragmentierten Markt, dürften die Produzenten hier kaum auf Probleme stoßen – ohnehin sind von einem TV-Modell je nach Anbieter und Markt in der Regel mehrere, minimal veränderte Geräterevisionen mit verschiedener Typ-Bezeichnung im Umlauf. Damit dürften die Richtlinien in Bezug auf das Handelsvolumen für kaum einen Hersteller eine echte Herausforderung sein.
Ein zweiter Hebel sind die TV-Einstellungen im Auslieferungszustand. Die passen TV-Hersteller nun so an, dass diese die Energieeffizienz erfüllen. Hier könnte aber alsbald ein EU-Riegel vorgeschoben sein.
Die Ökodesign-Richtlinie übt sanft Druck auf die Hersteller aus
Millionenfach verkaufte Spiele-Konsolen (von denen es auch hin und wieder Revisionen gibt), Smartphones oder andere Unterhaltungselektronik fallen derweil ganz klar unter die Ökodesign-Richtlinie.
Und hier zeigen sich ihre Stärken. Wer seine Nintendo Switch künftig reparieren kann, ohne auf die teuren Reparaturen des Herstellers angewiesen zu sein, dürfte die Bestellung von Ersatzteilen dem Neukauf vorziehen.
Wer seinen Smartphone-Bildschirm tauschen kann, weil offizielle Ersatzteile und Anleitungen im Netz verfügbar sind, dürfte einen Fix nach zerschlagenem Display ebenfalls dem Neuerwerb vorziehen.
Du traust dir keine Reparatur zu? Selbst dann hat die Ökodesign-Richtlinie ganz klare Vorteile für dich! Schließlich dürften Reparatur-Services (wie sie dir Euronics für viele Produktkategorien anbietet) wegen der Bauteileverfügbarkeit und der offiziellen Anleitungen ihren Dienstleistungskatalog ausweiten.
Wer entscheidet über Inhalte der Richtlinien?
Jetzt, wo du weißt, dass es nicht nur die eine Ökodesign-Richtlinie gibt, bliebe zu klären: Wer entscheidet eigentlich, wie die einzelnen Verordnungen für diese oder jene Geräte-Kategorie ausgestaltet sind?
Kurzum: Expertengremien aus Vertretern der EU-Kommission, der EU-Mitgliedsstaaten und der Wirtschaft. Der Prozess selbst soll vorgeblich neutral wirken, kritisierte schon 2011 der damalige EU-Abgeordnete Holger Krahmer (FDP). Da die Verhandlungen aber hinter verschlossenen Türen stattfinden, ist für viele nicht klar, wie einzelne Regelungen zustande kommen.
Klar ist nur, dass vorab ein Referenzrahmen abgesteckt ist, zu welchem dann verschiedene (Vor-)Studien durchzuführen sind, die am Ende eine Richtlinienempfehlung darlegen. Welche Gruppen zwischendrin die Entscheidungen beeinflussen, bleibt für Außenstehende unklar.
So gut die Ökodesign-Richtlinien gemeint sind, so sehr hat das Verfahren Nachholbedarf bei der Transparenz.
Dass der EU durch die Ökodesign-Richtlinien nur Verbote vorschweben, kann man aber so oder so ins Reich der Fabeln verweisen. 2011 schlugen die Autoren einer Studie über Filterkaffeemaschinen mit Wärmeplatte vor, solche Geräte bis 2018 vom Markt zu nehmen.
Reichliche 12 Jahre später kannst du sie immer noch kaufen – und auch als Laie dank Ökodesign-Richtlinie selbständig reparieren. So dürfte es auf lange Sicht auch den 4K- und 8K-Fernsehern ergehen. Aller Ökodesign-Richtlinien-Hysterie zum Trotz.
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