Ein Leben ganz ohne Google – ist das möglich? Es würde nicht leicht werden, das war mir klar. Aber ich wollte es ja mit Google-Alternativen versuchen. Jahrelang war Google Chrome der Browser meiner Wahl. Als ich dann neulich einmal meinen Mac neu aufsetzte, war die Chance gekommen, es mal mit etwas Anderem zu versuchen. Chrome ist seitdem nicht mehr auf meiner Kiste zu finden.
Den Browser zu wechseln, ist eigentlich weniger ein Problem der Bedienung. Was mich immer davon abhielt, war der Aufwand des Umziehens. Importfunktionen funktionieren meist nur so halb oder gar nicht. Die Lesezeichen-Leiste, die ich im Berufsalltag verwende, um häufig besuchte Seiten mit einem Klick aufzurufen, müsste ich neu anlegen. Und auch meine Passwörter ließ ich mir von Chrome merken. Ein Umzug würde also bedeuten, alles neu einzugeben. Aber da ich meinen Rechner ohnehin neu installiert hatte, war es in diesem Falle ja egal.
Hallo und auf Wiedersehen, alter Fuchs!
Kurzum: Ich wollte es einmal mit dem Mozilla Firefox versuchen. Der Browser zeigt sich ethisch vorbildlich, speichert nicht mehr als er muss, lässt den Nutzer anonym durch die Welten gleiten, gibt keine Daten an Google ab, schützt vor Trackern und Cookies, wo immer gewünscht, gehört keinem neugierigen Großkonzern. Zahlreiche Plugins erweitern das Spektrum. Das Outfit des Firefox gefiel mir dafür weniger: Minikleine Adresszeile, bei mehr als etwa einem Dutzend geöffneter Browser-Tabs muss man in der Tab-Leiste nach links und rechts scrollen. Anders als beim Chrome verkleinern sich die Tabs nicht. Aber daran würde ich mich schon alles gewöhnen, dachte ich.
Nach gut einer Woche war aber klar: Es geht so nicht. Die Sache mit den Browser-Tabs klingt nach einer Kleinigkeit. Aber sie behindert jemanden wie mich bei der Arbeit, der beim Artikelschreiben auch schon mal 30 Tabs auf einmal geöffnet hat. Das viel größere Problem aber war die Trägheit des Firefox. Neue Tabs zu öffnen oder wieder zu schließen, dauerte erschreckend lange. Während der Chrome hier nicht groß fragt, sondern macht, lässt sich der Firefox für diese für mich essentielle Aufgabe laaaange Zeit. Und hatte ich einmal 20 oder mehr Tabs geöffnet, ging der Browser derart in die Knie, dass ich Tabs kaum noch ansteuern konnte, das System bald gar nicht mehr reagierte.
Okay, wir reden hier in meinem Alltag von einem bald vier Jahre alten MacBook Air mit nur 4 GB RAM. Lässt sich ja leider nicht aufrüsten. Aber das alleine dürfte den Firefox nicht entschuldigen. Denn mit Chrome ging es ja auch. So Leid es mir also tat: Ich schoss den Firefox in den Wind. In der aktuellen Version (51 for Mac, 64 Bit) ist er keine Alternative zum Chrome. Sorry.
Zweite Chance für Vivaldi
Aber was nun? Mit dem Safari bin ich nie ganz warm geworden. Ich dachte kurz über den kürzlich erst vorgestellten Opera Neon nach. Aber auch bei dem hätte ich das gleiche Problem mit der scrollbaren Tableiste. Ein Freund empfahl mir dann Vivaldi.
Vivaldi hatte ich vor zwei Jahren an dieser Stelle vorgestellt. Ich hatte ihn damals kurz ausprobiert, dann für chic, aber nicht praxistauglich befunden und war zum Chrome zurückgekehrt. Aber das war eben zwei Jahre her. Ich gab ihm also noch einmal eine Chance.
Und siehe da: Es war Liebe auf den zweiten Blick. Vivaldi in der neuen Version 1.7 gefiel mir auf Anhieb: Tolles Outfit, schöne Darstellung der Browser-Tabs. Ein kleiner Leitfaden führt durch die wichtigsten Funktionen. Ganz nebenbei gibt es interessante Sonderfunktionen wie einen Paneel-Modus (eine Art Split-Screen-Darstellung), Tab Stacking, also die Möglichkeit, Tabs zu gruppieren. Ferner kann man eine Serie von Tabs abspeichern und später wieder öffnen. Benutze ich häufiger, wenn ich etwas zu einem Thema recherchiere, aber erst später dazu komme, es weiter zu bearbeiten. Ein eingebauter Schieberegler vergrößert oder verkleinert eine Webseite auf Wunsch nahezu stufenlos (benutze ich mittlerweile fast täglich). Etliche Einstellungsmöglichkeiten lassen Vivaldi fast beliebig anpassen, Chrome-Add-ons funktionieren auch hier. Seit der Version 1.7 besitzt Vivaldi auch ein eingebautes Screenshot-Tool – auch wenn ich dieses noch etwas umständig zu bedienen finde.
Nicht alle Seiten mit allen Browsern nutzbar. Willkommen im Jahr 2017
Das wichtigste aber für mich: Vivaldi ist schnell, genauso schnell wie Chrome, auf jeden Fall aber leistungsfähiger als der müde Firefox. Trotz kleinerer Nachteile bleibe ich erst einmal dabei.
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Nachteile sind vor allem, dass Vivaldi manchmal ein wenig braucht, um mit dem Laden einer Seite zu beginnen. Fast, als würde er zuerst nachdenken, wie er das eigentlich anstellt. Ich vermute eine Sicherheitsschicht dahinter. Eine PDF-Seiten wollte Vivaldi anfangs gar nicht bei mir darstellen. Inzwischen taucht das Problem aber immer seltener auf. Das größte Problem allerdings liegt nicht an den Vivaldi-Entwicklern selbst. So lassen sich einige Webseiten mit dem Vivaldi nur beschränkt aufrufen. Sky Go etwa verlangt für den Betrieb einen Firefox oder Chrome. Als ich kürzlich einen Blogbeitrag auf der Seite Medium.com bloß kommentieren wollte, teilte mir die Seite mit, das gehe mit meinem Browser nicht. Modern modern…
Ansonsten ist Vivaldi, der vom ehemaligen Opera-Chef Jon von Tetzchner und anderen Ex-Opera-Mitarbeitern ins Leben gerufen wurde, eine prima Alternative zum Chrome!
Chrome-Alternativen? Es gibt mehr als ihr nutzen könnt!
Zwei Wochen nach meinem Umstieg las ich in derselben Woche, dass auch der Standard-Opera-Browser eine frische neue Oberfläche erhalten hatte. Neben dem Opera Neon hat man also noch einen weiteren Browser ins Rennen geschickt. Und Cliqz, das zum deutschen Medienhaus Burda gehört, hatte Ghostery gekauft und will die Anonymisierungstechnik integrieren. Cliqz selbst versucht einen frischen, Google-freien und sicheren Zugang zum Netz. Er basiert zwar auf Firefox, wird von Mozilla gefördert, wirkt aber um Lichtjahre moderner.
Das alles soll nur zeigen: Ihr habt Alternativen zum Google Chrome, sehr gute sogar. Ein Wechsel kostet euch einmalig ein paar Stunden, um alles zu importieren und neu einzurichten. Aber es kann sich lohnen und vielleicht sogar ein Schritt nach vorne sein. Und manchmal lohnt sich – wie bei mir im Falle von Vivaldi – auch ein zweiter Blick. Gebt anderen Browsern eine Chance!
Als weitere To-Dos auf meiner Ein-Leben-ohne-Google-Liste stehen noch ein Ersatz für Google Maps, GMail, Kalender, Drive, Google Play. Und irgendwie fürchte ich, wird die Suche nach Alternativen hier nicht annähernd so einfach wie bei der Suche nach einem Ersatz-Browser.
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Prompt zum testen CLIQZ installiert….
Hi,
ich bin durch eine Google Suche auf diesen Artikel aufmerksam geworden. Ich bin auch auf der Suche nach einer Alternative zu Chrome und habe ich dabei zunächst auch für den aktuellen Vivaldi entschieden.
Ich brauche zwar die ganzen Spielereien nicht unbedingt, aber ich bin von Vivaldi nicht 100% überzeugt. Zum einen wirkt er viel träger als Chrome, zum anderen funktionieren tatsächlich nicht alle Websites damit. Beispiel SkyGo oder auch andere Streams funktionieren nur eingeschränkt. Das Bild ist zwar ok, der Ton aber entweder zu langsam oder zu schnell. Youtube funktioniert aber beispielsweise einwandfrei.
Was Kalender und Kontakte angeht, bin ich inzwischen auf Nextcloud umgestiegen. Das funktioniert bislang genau so gut wie bei Google. Auch andere Cloud-Funktionen können damit abgedeckt werden. Vielleicht wäre das auch eine Alternative für dich?
Viele Grüße,
Jan