Mit einem günstigen Android-Device beendet Gigaset den eigens ausgerufenen Smartphone-Sommer. Das neue Gigaset GS195 ist made in Germany, technisch solide und kommt mit netten Details daher.
Lieferumfang: Spartanisch, aber öko
Gigaset beherrscht Understatement. Allein die Verpackung des Gigaset GS195 erregt Aufmerksamkeit, gerade weil sie Aufmerksamkeit nicht erregen will. Ein Widerspruch? Überhaupt nicht. Gigaset liefert das GS195 in einer zu vollständig recyclebaren Verpackung aus 30 % Graspapier und 70 % Recyclepapier. In einer Zeit, in der glänzende Smartphone-Kartons auch als Schminkspiegel herhalten könnten, ist das tatsächlich ein Hingucker.
Öffnet ihr den Karton, lächelt euch bereits das Smartphone an. Als weitere Dreingaben liegen nur das Handbuch, ein AC-Adapter und ein mit Papierbanderole umwickeltes Ladekabel bei.
Ersteindruck: Zeitgemäßes Design, eigene Akzente
Das GS195 folgt modernen Designtrends. Das 6,18 Zoll große Display erstreckt sich fast bis zum Rand. Nur unten und oben vom Bildschirm ist der Rahmen erkennbar. Eine Einkerbung, die mittlerweile berühmte Notch, findet ihr auch hier wieder. Was Fotos nicht hergeben, ist das handschmeichelnde Gefühl des GS195. Der leicht abgerundete Metallrahmen und die aus gehärtetem Glas gefertigte Rückseite könnten angenehmer nicht sein.
Die USB-C-Buchse, der 3,5-mm-Kopfhöreranschluss sowie die drei Knöpfe (An/Aus, lauter, leiser) auf der rechten Seite sind unauffällig im Gehäuse untergebracht. Der SIM-Karten-Schlitten befindet sich linkerseits und beherbergt neben einer micro-SIM-Karte auch den optionalen micro-SD-Speicher.
Den braucht ihr allerdings auch, denn im Systemspeicher befinden sich nur 32 GB. Das ist noch ausreichend, langsam sind mindestens 64 GB eine Standardgröße, die sich in den nächsten 12 Monaten durchsetzen dürfte.
Technische Ausstattung
Öko schön und gut. Was aber kann das Gigaset GS195? Mehr, als die Spezifikationen zunächst vermuten lassen. Der Hersteller vertraut auf die Leistung des Spreadtrum SC9863A. Der in der Öffentlichkeit eher unbekannte Achtkern-Prozessor kommt bei Einsteiger- und Mittelklasse-Smartphones zum Einsatz. Beispielsweise beim kürzlich getesteten Gigaset GS110.
Anders als beim Gigaset-Einsteigermodell kann das GS195 auf zwei Gigabyte Arbeitsspeicher zugreifen. Das Doppelte also, das beim Billigheimer verbaut ist. Die Bildschirmauflösung liegt mit 2.240 mal 1.080 Bildpunkten über dem Klassenschnitt, die rückseitig verbaute 13-Megapixel-Kamera hingegen bedient den Massengeschmack.
Die mit ihr aufgenommenen Fotos verrechnet das Gigaset GS195 mit einem weiteren Sensor mit 5 Megapixeln. Dieser soll die Tiefe eines Fotos ermitteln. Die Kombination aus Prozessor, Arbeitsspeicher und Dual-Kamera wird später bei der Foto-Auswertung noch wichtig sein.
Maße | 156,1 x 76,1 x 8,4 mm |
Gewicht | 180 Gramm |
Prozessor | Spreadtrum SC9863A |
Display | 6,18 Zoll (2.246x1.080 Pixel, FHD+) |
Speicher | 2 GB Arbeitsspeicher, 32 GB interner Speicher (erweiterbar via microSD-Karte) |
Betriebssystem | Android 9.0 Pie |
Akku | 4.000 mAh, Standby bis zu 650 Stunden, Sprechdauer bis zu 9 Stunden |
Sensoren | Kompass, Beschleunigung, Näherung, Umgebungslicht, Gyroskop, Fingerabdruck |
Hauptkamera | 13 MP + 5 MP |
Frontkamera | 8 MP |
USB-Anschluss | USB-C 2.0 |
Extras | FM-Radio, 3,5mm-Buchse |
Ferner bietet das Gigaset GS195 Stereo-Lautsprecher, Bluetooth 4.2, WLAN (n-Standard, 2,4 GHz) und UKW-Radio. Während ein Fingerabdrucksensor verbaut ist, fehlt NFC. Und apropos fehlen: Gigaset installiert das noch aktuelle Android 9.0 Pie vor. Während das Telefon viermal im Jahr die relevanten Android-Sicherheitsupdates erhalten soll, steht ein Wechsel auf das baldige Android 10 Q derzeit nicht zur Debatte.
Android und Leistung: Was Zahlen nicht hergeben
Wie üblich war die erste neu installierte App der AnTuTu-Benchmark. Von der reinen Prozessorleistung über die grafischen Fähigkeiten bis zum Interface und der Speicheranbindung bewertet die App die Systemleistung. Das Gigaset GS195 schneidet unter AnTuTu mit 73.398 Punkten ab. Zum Vergleich: Das Mittelklasse-Smartphone ZTE Blade V10 (hier im Test) bringt es auf 135.512 Punkte und lag damit schon im unteren Mittelfeld.
Dort wie hier mindert die Grafikeinheit das Resultat. In der Theorie müsste das Gigaset GS195 lahmen. In der Praxis hingegen zeigte sich die gewohnt verlässliche Alltagstauglichkeit der Gigaset-Smartphones. Wechsel zwischen Apps gingen flott von der Hand, beim Browsen mit Chrome oder Videos-Schauen mit YouTube verzögerte das Smartphone nicht.
Zugute kommt der Systemperformance, dass Gigaset das installierte Android 9.0 ohne größere Anpassungen ausliefert. Dazu gehört auch, dass Bloatware gänzlich fehlt. Keine einzige Anwendung, die den Speicher von 32 Gigabyte zumüllen würde. Prima!
Smartphone im Alltag: Erwartungen erfüllt?
Im Alltag erfüllt das Gigaset GS195 nahezu alle Erwartungen. Wechsel zwischen Apps gehen flott von Hand und trotz des geringen Arbeitsspeichers von 2 Gigabyte liefen Chrome, YouTube und Casual Games wie Star Wars: Galaxy of Heroes ohne Abstriche. Fortnite hingegen wird nicht unterstützt.
Dass Gigaset auf die eher unbekannten Spreadtrum-Prozessoren setzt, stellt sich im Praxistest als zunächst goldrichtig raus. Die Leistung reicht nicht an Qualcomms Snapdragon-Riege heran, kann sich aber mit MediaTek messen. Gegenüber den etablierten Mitteklasse-SoCs verbrauchen die Spreadtrums erheblich weniger Energie. Auch bei außerordentlich hoher Nutzung will das GS195 erst nach über einem Tag an den Strom. Die Laufzeit ist ähnlich der des Gigaset GS110.
Gigaset GS 110 im Test: Preiswert, hübsch, aufs Wesentliche reduziert
Eine Ladung des 4.000-mAh-Akkus von nahezu null auf einhundert Prozent ist binnen zwei Stunden vollzogen. Bemängelte ich beim ZTE Blade V10 noch den viel zu starken Vibrationsmotor, so hat Gigaset genau den Mittelpunkt getroffen zwischen den Extrempolen „überhaupt nicht zu bemerken“ und „boah, sind die Rasierapparate wieder an“.
Fotoqualität: Der Prozessor bockt
Bereits weiter oben erwähnt, ist das Zusammenspiel aus Spreadtrum-CPU, der geringen Arbeitsspeicherausstattung und den beiden Rückseitenkameras nicht ganz reibungslos funktioniert. Meine Vermutung: Der Prozessor und nicht die integrierte Grafikeinheit PowerVR Rogue GE8322 übernimmt die gesamte Kamerasteuerung.
Erste Fotoversuche waren für diese Preisklasse überzeugend. Dann das Aber: Zwischen dem Betätigen des Auslöser-Buttons und dem tatsächlichen Erfassen des Fotos liegen mitunter zwei Sekunden. Zunächst dachte ich an ein simples Software-Problem. Der Fehler lag aber etwas tiefer im System. Jedesmal, wenn ich eine Kamera-Anwendung neu startete, schaltete der Prozessor die HDR-Funktion ein.
HDR ist klasse. Es verrechnet mehrere Fotos unterschiedlicher Helligkeitsstufen miteinander, um einen höheren Dynamikumfang zu erzeugen. Nachteile: Das Verfahren ist speicher- und rechenintensiv. Und weder ausreichend Arbeitsspeicher, noch die dafür notwendige Rechenkapazität konnte das Gigaset GS195 sofort bereitstellen.
Ärgerlich ist es deshalb, weil dieser Fehler ebenfalls Drittanwendungen wie Open Camera betrifft. Selbst bei deaktiviertem HDR rechnete der Prozessor noch ein HDR-Bild heraus und verzögerte so eine zügige Aufnahme.
Multimedia: Video top, Audio gewöhnungsbedürftig
Freimütig gebe ich zu, dass das UKW-Radio ein kleines Highlight für mich ist. Mein hauptsächlich im Betrieb befindliches Smartphone, das Samsung Galaxy S9, hat dieses Feature nicht. Jedesmal könnte ich mich ärgern, wenn ich unterwegs bequem und ohne Anzapfen des Datenvolumens Radio hören möchte. DAB+ beherrscht das Gigaset GS195 nicht, das analoge UKW-Signal ist aber gut genug. Voraussetzung für die Radionutzung sind Kabelkopfhörer, bei denen die Strippe nicht nur zur Klangübertragung dient, sondern zugleich als Antenne.
Angetan war ich ebenfalls von der Bildschirmhelligkeit, dem Kontrast und der farbgetreuen Wiedergabe. Selbst im flachen Winkel gibt das GS195 Farben satt und klar wieder. Auch bei gleißendem Sonnenlicht sind die Bildschirminhalte ohne Probleme zu lesen. Da dürfte gerne so mancher Premium-Hersteller inspiriert sein, ebenfalls derlei Displaypanels zu verbauen.
Solltet ihr Wert auf Klang legen, sind andere Geräte sicher besser geeignet, um Audiogenüsse zu erfüllen. Laut genug sind die integrierten Stereolautsprecher hingegen. Die Sprachqualität indes ist ohne Beanstandung. Normale Telefonate klingen deutlich, das ebenfalls integrierte Voice-Over-Wi-Fi liefert eine glasklare Sprachqualität.
Die versprochene Rausch- und Geräuschunterdrückung funktionierte exzellent. An einer stark befahrenen Straße konnte mein Telefonpartner die Blechlawine nicht hören. Er dachte, ich stünde noch in einem geschlossenen Raum.
Fazit: Guter Allrounder mit kleinen Macken
Das Gigaset GS195 ist ein zeitgemäßes Mittelklasse-Smartphone, made in Germany. Gerade letzterer Aspekt ist eine Betonung wert. Gigaset kauft die Komponenten größtenteils im Ausland ein, setzt sie aber hier zu einem formschönen Gerät zusammen. Die Wertschöpfung findet größtenteils hierzulande statt.
Ein extrem sparsamer Prozessor, ein gutes Design, das puristische Android 9.0 ohne Bloatware stehen ganz klar auf der Positivseite. Das GS195 fühlt sich wertig an und leistet im Alltag gute Dienste. Lediglich bei den Foto-Qualitäten macht die Hardware einen Strich durch die Rechnungen. Die Google-eigene Kamera-App kann nach einem Workaround gute Ergebnisse erzielen. Anders sieht es bei Fremd-Apps aus. Solle Gigaset diese Scharte auswetzen und einen verlässlichen Update-Plan vorlegen, stiege das insgesamt gute Preis-Leistungsverhältnis nochmals.
Das Gigaset GS195 ist ab Mitte August für etwa 200 Euro im Fachhandel erhältlich.
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