Viel Liebe erfährt das weltgrößte Social Network Facebook gerade nicht, um es mal blumig auszudrücken. Großinvestoren haben das börsennotierte Unternehmen verklagt, Regierungen weltweit verlangen Klarheit über die Verwendung von Daten. Bekannte Technikmagazine klären darüber auf, wie man einen Facebook-Account löscht oder zumindest seine Daten von dort abzieht. Und einer der Mitgründer von WhatsApp – der durch die Übernahme durch Facebook zum Milliardär wurde – ruft offen dazu auf, Facebook zu löschen.
Es kracht also gewaltig, nachdem bekannt wurde, dass das Analyseunternehmen Cambridge Analytica 50 Millionen Datensätze vom Social Network unberechtigt abgegriffen hatte. Die Daten könnten dafür verwendet worden sein, um Facebook-Nutzer im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016 auf die Seite von Donald Trump zu ziehen. Facebooks eigentliches Vergehen dabei: Man wusste wohl schon seit Jahren von dem Leck, hat aber nichts unternommen, um die Datenweitergabe zu stoppen.
Jetzt der Aufschrei, dabei ist das doch alles nichts Neues
Deswegen brennt es jetzt in der schon lange nicht mehr einigen, heilen, sozialen Welt. Das Unternehmen kommt aus den Negativschlagzeilen nicht mehr heraus, nachdem es sich zuletzt als Hassplattform und Fake-News-Maschine einen schlechten Ruf erarbeitet hatte.
Die Debatte jetzt scheint mir aber ein wenig scheinheilig zu sein. Seit Jahren, praktisch seit Facebook auf den Plan trat, wissen die Nutzer, wissen wir alle, dass es mit Datenschutz und Privatsphäre in dem Social Network nicht weit hin ist. Und wir nehmen es stillschweigend hin, solange uns gefällt, was wir dort sehen.
Sicher, immer wenn die Nutzungsrichtlinien weiter verschärft werden, immer wenn die Privatsphäre weiter ausgehöhlt werden soll, brandet kurzzeitig Protest auf. Man droht damit, seinen Account zu löschen und hat das ein paar Wochen später, wenn der größte Ärger verraucht ist, längst wieder vergessen.
Alles war in Ordnung, solange Facebook attraktiv war
Und dass Facebook massiv Daten von jedem Nutzer abgreift und auch Drittanwendungen darauf zugreifen können – das ist doch bitteschön jedem Nutzer seit langem bekannt. Dass Wahlkampf-Teams große Datenbestände nutzen und sich beschaffen, was sie kriegen können, das sollte ebenfalls heute niemanden mehr überraschen. Trumps Vorgänger Barack Obama war noch dafür gefeiert worden, dass er seine Wiederwahl 2012 mit der Hilfe von Big Data und zahllosen Nutzer-Informationen aus sozialen Profilen mitorganisiert hat.
Nicht viel anders ist es übrigens bis heute bei zahlreichen, teils beliebten Android-Apps. Etliche persönliche Daten gibt man mit jeder Installation an Google und Drittanbieter heraus. Hat man deswegen aufgehört, Android zu benutzen? Nein, man sagte sich, dass das eben alternativlos sei. Man protestiert schon lange nicht mehr. Man hat sich damit arrangiert, solange das Produkt attraktiv ist und Spaß macht.
Und ich habe das Gefühl, dass genau das diesmal der Knackpunkt ist: Facebook macht den meisten Menschen immer weniger Spaß. Die Plattform hat an Attraktivität verloren. Selbstdarstellung, Klickhascherei – das war vor ein paar Jahren noch das Ding, aber hat sich mittlerweile überlebt. Überoptimierte Algorithmen schaffen es schon lange nicht mehr, den Nutzern das anzuzeigen, was sie eigentlich sehen wollen.
Statt dessen endlose, nicht zielführende Diskussionen mit Menschen, die politisch anders denken. Fake News und nur halbherzige Mittel für deren Aufklärung. Es nervt, zahllose Nutzer haben innerlich „gekündigt“, und das Unternehmen findet keine Antwort darauf, schon lange nicht mehr.
Das macht ein Datenleck nicht besser, das Desinteresse, dieses zu stopfen schon gar nicht. Und dass Facebook sich jetzt auch noch selbst als Opfer von Cambridge Analytica hinstellt, klingt wie Hohn.
Nutzer sind gefragt
Aber auch wir tragen Verantwortung. Jeder einzelne von uns, der täglich sorglos mit seinen Daten und vor allem denen seiner Freunde umgeht. Wir alle dürfen uns nicht wundern, wenn die Daten, die wir an zahllose Anbieter herausgeben, für etwas missbraucht werden, was nicht in unserem Interesse ist.
Die Lösung kann nur ein verantwortungsvollerer Umgang mit solchen Daten sein. Hin und wieder mal die App-Liste bei Facebook durchgehen und unbekannte oder lange nicht genutzte Anwendungen entfernen. Nach dem Besuch ausloggen und regelmäßig Cookies löschen, damit das neugierige Social Network euch nicht mehr so einfach tracken kann. Einen App-Anbieter ruhig mal anschreiben und fragen, wofür er genau Zugriff auf eine Kontaktliste braucht. Und vielleicht auch einfach nur weniger Privates von euch preisgeben.
Dass ich Facebook seit gut einem Jahr nur noch sporadisch nutze, meine Interessen seit Jahren nicht mehr aktualisiert habe und überhaupt kaum noch dort reinschaue, hat mir auf jeden Fall nicht schlecht getan. Ich fühle mich freier, tatsächlich glücklicher, habe mehr Zeit für andere Dinge. Ich sage nicht, dass ihr das auch tun müsst. Aber es zwingt euch auch keiner, Facebook zu nutzen und der Datenkrake alles in den Rachen zu schmeißen, oder? Vielleicht ist nun genau der richtige Zeitpunkt, einige Dinge anders zu handhaben. Weniger sorglos.
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Sehe ich auch so. Wieder einmal viel zu viel Geschrei um Themen, die doch seit Jahren bekannt sind. Klar ist das ein großer Aufreger, wenn jetzt ein Unternehmen entlarvt wird, das 50 Mio. Datensätze abgezogen und missbraucht hat. Aber das ist vermutlich nur die Spitze des Eisbergs. Wer weiß, wie viel Missbrauch in den vergangenen Jahren noch getrieben wurde. Von Facebook selbst und von Dritten.
Ich habe nach intensiver Facebook-Nutzung vor vielen Jahren mein Profil gelöscht und neu erstellt und nutze das neue seitdem gar nicht mehr. Und mir fehlt nichts. 😉