Neue Produkte orientierten sich häufig an früheren Stilen. Das Design eines modernen Fernsehers besitzt auch heutzutage noch die Grundzüge einer uralten Röhre. Und ein Auto verfügt in der Regel seit vielen Jahrzehnten über vier Räder, eine Karosse, ein Armaturenbrett und eine Motorhaube. Formen änderten sich im Laufe der Zeit oder passten sich aufkommenden Trends an: Aus Rundungen wurden Kanten und gerade Flächen. Die Gestaltung neuer Dinge lehnt sich dennoch nahezu immer am Bekannten und Bewähren an. Retro ist gewissermaßen mindestens ein Schritt zurück – zurück zu vertrauten und sicherlich auch beliebten Mustern. Farben, Materialien, Formen inbegriffen.
Und doch steckt oft die Moderne in der heutigen Nostalgie: Äußerlich auf altmodisch getrimmt, im Inneren befindet sich aktuelle Technologie. Denn auf den Luxus der Gegenwart möchten wir dann doch nicht verzichten. Die Ergebnisse sind oftmals schick, nicht selten albern und manchmal zu nichts zu gebrauchen. Höchstens als Staubfänger. Und trotzdem strahlen sie etwas aus, das uns anzieht.
Retro weckt Erinnerungen
Ihr erinnert euch vielleicht noch an Omas Kaffeekanne? An die antike Kaffeemaschine aus dem kleinen Bistro im Italienurlaub? Der alte Kühlschrank von Tante Barbara sah einfach toll aus? Und ihre ganze Kücheneinrichtung – so herrlich orange?! Als Kind durftet ihr an Vatis Schallplattenspieler Märchen und Alben von den Beatles hören? Mit euren Geschwistern spieltet ihr als Kids viele Stunden lang an einer Nintendo-Konsole? Diese vielleicht überspitzten Beispiele zeigen: Mit bestimmten Objekten verbinden wir häufig Kindheitserinnerungen. Manchmal sind das nur Bruchstücke, ein anderes Mal wisst ihr noch ganz genau, wie sich etwas anfühlte oder wie viel Freude euch etwas bereitete.
Retro bringt euch ein Teil eurer Vergangenheit und eurer Gefühle zurück. Das kann dann durchaus auch ein neuer, alter Toaster oder ein Vintage-Küchenradio sein. Zum Glück müsst ihr euch bei diesem nicht mehr mit UKW begnügen, Retro bringt im Radio-Segment auch DAB+ und zeitgemäße Anschlüsse mit. Und nicht ohne Grund erfreuen sich Retro-Konsolen wieder großer Beliebtheit. Eben weil wir gerne an das Früher denken. Als wir als Knirpse das erste Mal „Super Mario Bros.“ ausprobierten. Ich muss immer daran denken, wenn ich den (Ex-)Klempner irgendwo sehe.
Retro sieht einfach gut aus
Ganz so alt bin ich noch nicht, dass ich in den 1950er- und 1960er Jahren bereits auf der Welt war. Und auch die 1970er habe ich nur am Rande mitbekommen. Dennoch faszinieren mich die Designs früherer Tage. Besagte Orange-Töne mag ich gerade bei Küchengeräten sehr. Ohnehin gefallen mir verspielte Rundungen und eine gewisse Wertig- und Langlebigkeit.
Früher dominierten bei Produkten Chrom, Stahl, lackierte Oberflächen – ganz das Gegenteil von Billigplastik aus China. Auch das macht Retro aus: Ohne vielleicht einen direkten Bezug zur Kindheit zu besitzen, begeistert einen das Gesehene oder Angefasste. Im besten Fall sieht Retro einfach gut aus. Nicht selten werden wir mit einem zeitlosen Design beglückt, dem wir gar nicht ansehen, dass es vielleicht schon 50 Jahre alt ist. Gerade deshalb schmiegt es sich prima in eine moderne Wohnungseinrichtung ein. Nostalgie und Gegenwart passen durchaus zusammen. Und beim Kauf entscheidet sich unser Geschmack gerne mal für das auf den ersten Blick „Alte“.
Retro ist individuell
IKEA hat viele schicke Möbel im Angebot, die wir uns in die eigenen vier Wände holen. Doch wenn sich jeder Malm, Kivik und Lack in die Wohnung stellt, fehlt am Schluss die individuelle Note. Hier kommt der Retro-Faktor ins Spiel. Eine Lampe vom Trödelmarkt vermittelt mehr Persönlichkeit. Einen Schallplattenspieler besitzt heutzutage auch nicht mehr jeder. Oder man nehme ein klassisches Radio, das dank passender Anschlüsse sogar mit Alexa und Co. ausgestattet werden könnte (ein Echo Dot lässt sich ja quasi überall nachrüsten).
Retro als Ausdruck von Persönlichkeit, originelle Produkte statt „Einheitsbrei“ – auch das ist ein Aspekt, der zum Kauf passender Geräte und Accessoires animiert.
Retro als Hommage an frühere Zeiten und Klassiker
Apropos Plattenspieler. Immer wieder ist heutzutage von Vinyl und dazugehörigen Abspielgeräten die Rede. Dabei schwingt nicht nur eine Extraportion Nostalgie mit, sondern auch ein (nicht nur) subjektives Empfinden. Auf Platte klingt Musik oftmals wärmer, authentischer und emotionaler als auf einem digitalen Player. Das Wechseln der Seiten, das haptische Erlebnis, der Genuss von Akustik – auch das spricht dafür, sich diesem Bereich zu widmen. Und: Aktuell wieder zunehmend erhältliche Plattenspieler sind technisch auf der Höhe der Zeit. So ist es ja nicht.
Ähnliches gilt für so manche Kamera. Die Fuji X100-Reihe lehnt sich an Analog-Klassiker an, doch in Wirklichkeit handelt es sich um hervorragende, spiegellose Digitalkameras. Canon PowerShot G9X oder Panasonic Lumix DMC-GF7 sind weitere Beispiele, die zeigen: Wir Konsumenten wollen massive, wertige Cams in den Händen halten und damit knipsen. Und sie sehen fantastisch aus.
Nicht ohne Grund feiern Sofortbildkameras in den letzten Jahren ein Comeback. FujiFilm offeriert diverse Instax-Modelle, darunter die Instax Wide 300. Analog und mit schnellen Foto-Ergebnissen – hach, wie früher. Wer lieber das Original wünscht, der wird überrascht sein. Denn Polaroid ist in den USA seit einigen Jahren wieder (mit Digitalkameras) zurück und schwappt langsam nach Europa. Die Polaroid OneStep 2 lehnt sich an das Urgestein aus Ende der 1970er Jahre an. Lustig und schick zugleich. Gegenüber der Vorlage bekommt ihr zum Beispiel einen integrierten Akku, der via USB aufgeladen wird. Die Zeit ist nicht gänzlich stehengeblieben.
Bei Handys ist es ähnlich. Das Nokia 3310 kehrte zurück in den Handel – als etwas besseres Feature-Phone und mit einer extrem langen Akkulaufzeit. Das ist zwar kein Smartphone basierend auf dem damaligen Hit, aber eine Mischung aus Retro, Liebeserklärung an das Mobiltelefon der 2000er und aktueller Technik. Kodak versuchte es mit dem Ektra noch etwas spezieller: Hier wurde aus einer hauseigenen Kleinbildkamera ein modernes Smartphone mit ambitionierter Fotografier-Funktion.
Retro sorgt im Hier und Jetzt für Gesprächsstoff, staunende Gesichter und im Zweifelsfall für ein Schmunzeln. Ich weiß nicht genau, ob ich ein Nokia 3310 brauche, wenn ich doch mein Samsung Galaxy S8 besitze und liebe. Schwach werde ich dagegen, wenn ich auf die eine oder andere Digicam in alter Optik schaue, an das Mini SNES denke oder mit einem Toaster mit geschwungenen Formen und Glanzlack liebäugle. Nostalgie ist allgegenwärtig und bereichert unser Leben. Dabei sind die Motive, sich für alte, neue Produkte zu entscheiden, sehr verschieden. Aber das ist doch auch gut so, wir sind ja auch alle individuelle Persönlichkeiten.
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Diese Idee mit dem „Upsizing“ alter Radios ist sehr gut beschrieben und nachhaltig!
Der meist etwas verstaubte und trübe Klang solcher alten Geräte ist viel individueller und schöner als digitale Klänge!
Super Sache! Sollte jeder machen!
Gruß FU