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Funktioniert auch mit Linux, hier Voyager OS

Funktioniert auch mit Linux, hier Voyager OS

Linux statt macOS: Ein Selbstversuch mit überraschendem Ausgang

Linux ist viel zu technisch, hässlich und bietet kaum brauchbare Apps? Nach unserem Selbstversuch zeigt sich, dass solche Vorbehalte selbst für Mac-Nutzer unbegründet sind. Es muss nur das für euch passende Linux sein.

Wer jahrelang mit Apples macOS gearbeitet hat, mag kaum noch davon weg, heißt es. Für mich ist macOS allerdings ein wenig in die Jahre gekommen und einige andere Notebooks gefallen mir besser als Apples aktuelle MacBook-Linie. Windows ist aber nicht mein Fall und bei Chrome OS fehlen mir noch die letzten 20 Prozent.

Und dann gibt es da noch Linux. Das hat den Ruf, nur was für Nerds zu sein und zu wenig Unterstützung für gängige Apps zu bieten. Aber stimmt das? Das wollte ich mir anschauen.

Hässlich? Es kommt auf das Linux an bzw. das, was ihr draus macht.

1. Das Design: Linux-Versionen, die aussehen wie macOS

Vorurteil Nummer 1 ist eigentlich mit einer schnellen Google-Suche widerlegt: Es gibt Linux für praktisch jeden Geschmack. Wer von Windows kommt, findet mit Linux Mint oder Zorin OS zwei Linux-Versionen, die mit einer Taskleiste und einem Startmenü arbeiten. Und wer sich bei macOS zuhause fühlt, der muss auf der Suche nach passenden Distributionen nicht weit reisen. Es gibt zum Beispiel:

Ferner ließe sich mit ein paar Handgriffen und Styles auch das „gewöhnliche“ Ubuntu so anpassen, dass es mehr wie macOS aussieht. Da ich vor der Installation noch die Wahl habe, beschließe ich, mir das Leben einfach zu machen. Ich lande letztendlich bei Ubuntu Budgie und Voyager OS – beides leicht abgewandelte Ubuntu-Versionen. Vor allem Voyager OS trifft meinen Geschmack. Es hat ein Dock wie macOS, wunderschöne Icons und ein ansonsten sehr minimalistisches Design. Was zur Installation dazu gehört und wie sie gelingt, erkläre ich weiter unten.

Voyager OS: Ein Design, das Mac-Nutzer lieben müssten.

2. Apps: Bringt Linux alles mit, was Windows und Mac auch haben?

Linux hat den Ruf, keine kommerzielle Software zu unterstützen. Das stimmt so nicht. So finde ich etwa Spotify im App-Katalog von Voyager und Ubuntu Budgie. Auch Skype und Telegram gibt es, Dropbox, Slack, den Opera-Browser oder gar Google Chrome.

Linux-Anwendungen: Distributionen, die auf Ubuntu basieren, bringen ein umfangreiches Software-Paket gleich mit. Darunter auch einige kommerzielle Lösungen

Sicher, es gibt für Linux längst nicht alle und vor allem nicht genau die Apps, die ihr von Windows oder Mac kennt. Aber eigentlich immer tolle Alternativen. Wie auf dem Mac belasse ich auch auf Voyager OS im Dock nur die für mich wichtigsten Apps:

Ich vermisse hier nichts. Im Gegenteil: Ich mag auch einfache Tweaks, die Voyager OS eingebaut hat, etwa in der oberen Menüleiste Shortcuts zum Wetter, zur Konsole oder zu einem Webradio. Fairerweise muss ich erwähnen, dass ich schon auf Windows oder Mac kaum mit aufwändigen Programmen wie Adobe Creative Suite gearbeitet habe. Deswegen fällt mir der Umstieg auf Linux, der immer ein wenig Flexibilität verlangt, hier auch leicht.

Programme in Hülle und Fülle. Reicht euch der angebotene Software-Katalog nicht, könnt ihr weitere Programmpakete nutzen.

3. Arbeiten mit Linux – alles intuitiv und einfach?

Schön und gut, dass alles toll aussieht. Aber ist Linux ausgereift, zuverlässig und auf der Höhe der Zeit? Bei der Installation begrüßt mich Voyager OS mit ein paar Fehlermeldungen. Trotz richtig eingetipptem Passwort meldet es, das WLAN nicht zu akzeptieren und Treiber nicht nachladen zu können, tut es dann aber später trotzdem. Nach manchem Neustart gibt das System eine Fehlermeldung aus, App-Aktualisierungen hätten nicht geladen werden können, nur um dann nach einem Blick auf den Reiter „Aktualisierungen“ zu melden, dass alles auf dem neuesten Stand sei.

Nicht perfekt: Die Icon-Ansicht in der Status-Leiste oben wirkt unruhig, mit mal mehr, mal weniger Abstand zueinander.

Unter der Haube wirken einzelne Designelemente oder Bord-Apps dann leicht zerschossen. Die Proportionen von Schrift und Fenstergröße passen zu Weilen nicht, da sieht macOS oft einfach besser aus. Einige Apps öffnen zeitverzögert, ohne Rückmeldung zu geben, ob sie überhaupt starten. Weder Voyager noch Ubuntu Budgie unterstützen zu diesem Zeitpunkt den Touchscreen in meinem Testgerät Lenovo Yoga C640, das Drehen des Bildschirms aber schon. Nach einem Neustart lassen sich bei beiden Systemen schonmal Trackpad oder Maus nicht mehr benutzen, was dann einen weiteren Neustart erfordert.

Schöner Effekt, aber hier ist eindeutig die Übersetzung nicht ganz vollständig.

Keine Angst vor der Konsole

Budgie unterstützt auch das Dateisystem meiner MicroSD-Speicherkarte oder externen Festplatte nicht von Haus aus (Voyager hingegen schon). Ich suche dazu Informationen bei Google und finde schnell gute Hilfe-Artikel, die den schwarzen Peter Microsoft zuschieben. Mit einer Zeile Code, die ich kopieren und in der Konsole einfach einfügen und ausführen kann, ist das Problem nach 3 Minuten auch schon behoben. Aber, ja, ich muss das erst tun. Wer mit Linux arbeitet, muss ein wenig auch ein Tüftler sein.

Was denn jetzt? Drucker und Treiber gefunden oder nicht? Manchmal wirkt es unter Voyager OS, als arbeiteten einzelne Instanzen unabhängig voneinander.

Auch meinen Drucker erkennt Voyager OS nach ein wenig – ich würde sagen – gutem Zureden. Erst behauptet das System, für den über USB angeschlossenen Drucker keinen Treiber zu finden, nur um dann wenig später doch einen anzubieten. Auch Google Cloud Print bietet seine Hilfe an. Letztendlich findet das System den Drucker, installiert einen Treiber, druckt meine Testseite aber erst beim 5. Versuch aus. Nicht ideal, aber es geht. Auch unter macOS und Chrome OS hatte ich Scherereien gleicher Art mit ebendiesem Drucker.

Ubuntu Budgie: Minimalistische Linux-Oberfläche, die an macOS erinnert.

4. Linux anpassen – nur etwas für Profis?

Gleich vorweg: Linux gibt euch eine Fülle an Möglichkeiten, das System anzupassen und zu verbessern. Ihr könnt von Hand Pakete installieren, um weitere Software und Treiber zu laden, ihr könnt in der Konsole Befehle von Hand eintippen. Das zu tun, ist aber in den allermeisten Fällen heute nicht mehr notwendig. Bis auf einige oben beschriebene Szenarien, wo eben doch etwas nachinstalliert werden muss, funktionieren Linux-Distributionen, die auf das sehr anwenderfreundliche Ubuntu basieren, out of the box.

Hilfe, es wird technisch? Nur auf den ersten Blick.

5. Linux installieren

Auch die Installation von Linux ist nicht ohne Tücken, aber ganz bestimmt kein Hexenwerk. Jede Distribution bietet auf ihrer Website dazu Anleitungen an; ein gemeinsamer Nenner ist die offizielle Ubuntu-Installationsanleitung, die bei anderen Versionen mehr oder weniger genauso funktioniert. Der Vorgang funktioniert, grob gesagt, so:

In meinem Falle habe ich die beiden Linux-Distributionen neben Windows installiert, worauf mich der Rechner bei jedem Neustart mit einem Auswahlmenü begrüßt. Während die von mir designierten Linux-Varianten Deepin und BackSlash gar nicht installieren wollten (auch das kann passieren), taten Voyager OS und Ubuntu Budgie das nahezu klaglos. Auch ein Grund, warum ich letztlich dort gelandet bin.

Übersichtlich und aufgeräumt: Installierte Anwendungen unter Ubuntu Budgie

Kalkuliert also ein, dass nicht alles auf Anhieb funktionieren wird. Bringt für eine Linux-Installation auf jeden Fall ein paar Stunden Zeit mit (selbst wenn es am Ende nicht so lange dauert) und habt ein internetfähiges Zweitgerät zur Hand, mit dem ihr nach Fehlerlösungen googeln könnt. Ist alles vorbereitet und funktioniert reibungslos, dann dauert die reine Installation einer aktuellen Linux-Distribution für Heimanwender auf einer modernen Maschine nicht länger als 15-20 Minuten.

Probleme mit Linux

Zum Schluss seien die Probleme noch einmal zusammengefasst, die sich rund um meine Installation mit Linux ergaben:

Und gerade Letzteres ist dann doch ein Problem. Denn einen Support gibt es für die von mir verwendeten Linux-Distributionen in der Form nicht. Allenfalls ein Forum. Ihr müsst euch selbst um die Problemlösung bemühen und dann auch recht tief in die Materie einsteigen. Eine Garantie, dass alles funktioniert, habt ihr bei einer Eigeninstallation ohnehin nicht.

Fazit nach ein paar Tagen mit Linux

Voyager OS war für mich Leidenschaft auf den ersten Blick, was sicher auch am Design liegt. Dass auf den zweiten Blick nicht alles so rosig funktioniert wie bei macOS oder immer gut aussieht: geschenkt. In meinem Falle sogar: spannend. Hier ist endlich mal ein System, mit dem ich noch etwas experimentieren kann. Dass in Teilen sogar etwas moderner auf mich wirkt als macOS. Ob das nach ein paar Wochen immer noch so sein wird, kann ich hier noch nicht sagen. Aber ich weiß, dass ich gut damit werde arbeiten können.

Zumindest Windows 10, mit dem ich mich zuvor ein paar Tage herumschlagen musste, weine ich keine Träne nach. Sogar der Kühler, der eine der bisher erkannten Schwachstellen des Lenovo Yoga C640 zu sein scheint, tourt unter Linux weit seltener hoch und ist insgesamt ruhiger als unter Windows. Chrome OS, bis auf dessen sehr schnellem Boot, vermisse ich so eigentlich nicht.

Voyager OS: So schön kann Linux sein.

Dass zum Schluss technische Probleme auftraten, für die ich ad-hoc keine Lösung fand, ist indes ein klein wenig beunruhigend. Keiner gibt mir die Garantie, dass das System in ein paar Wochen immer noch läuft oder ich die Probleme überhaupt lösen kann. Das ist zumindest bei einer Linux-Eigeninstallation ein Nachteil gegenüber Windows und macOS.

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