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Online-Zeitungen: Ihr seid zu teuer!

20 Euro im Monat nur für eine Online-Zeitung. Das ist zu viel, findet Trendblog-Redaktionsleiter Jürgen Vielmeier. Denn dabei bleibt es ja nicht.

Am Ende haben sie mich mit einer „hyperlokalen“ Geschichte bekommen. Auf dem Platz vor meiner Wohnung ist immer irgendwie Radau und der Bonner Generalanzeiger berichtete neulich exklusiv aber hinter der Bezahlschranke darüber. Dazu kam noch eine verheißungsvolle Geschichte hinter dem in einer Netflix-Serie genutzten Haus im Stadtteil Ippendorf. Und ohnehin immer mehr interessante, kostenpflichtige Beiträge in den letzten Monaten.

Früher umsonst, jetzt kostenpflichtig = immer schwer zu vermitteln

So wurde ich also Kunde von GA+, dem Bezahlmodell meiner Lokalzeitung. Und wenn ich ehrlich bin, war das auch überfällig. Der Grund, warum ich überhaupt so lange damit gewartet habe, dürfte das Hauptproblem für die schwierige Anbieter-Kunden-Beziehung bei Online-Zeitungen sein: Es war früher kostenlos. Und wer zahlt schon gerne für etwas, das er früher umsonst bekommen hat?

Der Bonner Generalanzeiger hatte früher ein kostenloses Online-Angebot, nun greift immer öfter die Bezahlschranke.

Dabei ist das nur die halbe Wahrheit. Denn dem Generalanzeiger scheint die Umstellung auf Paid Content gut getan zu haben. Die Geschichten sind besser geworden, vielseitiger und tatsächlich lokaler. Und auch während der Flutkatastrophe in den benachbarten Landkreisen im Juli machte der GA im Gegensatz zu einigen anderen Medien eine gute Figur. Bei jährlicher Zahlung kostet das Online-Abo mit allem drum und dran knapp 6 Euro im Monat. Das sollte guter Journalismus einem wert sein.

Es gibt nur ein Problem dabei: Guter Journalismus wird teuer, wenn ihr ihn aus mehreren Quellen lesen wollt. Zu teuer.

Spiegel und Zeit: 20 Euro nur für Online-Beiträge?

Denn es gibt bekanntlich nicht nur die Lokalzeitung vor Ort, die für jeden von uns von Interesse ist. Auch überregional verschwinden die besten Beiträge der bekanntem Online-Zeitungen längst hinter der Bezahlschranke.

Da ist zum Beispiel „Der Spiegel“, der in seinem gefühlt fünften Anlauf dabei, seine Print- und Online-Angebote zu verschmelzen, jetzt richtig tief in die Taschen der LeserInnen greift. 19,99 Euro verlangt die Hamburger Redaktion im Monat für die Online-Ausgabe. Das ist kaum günstiger, als würdet ihr euch alle gedruckten „Spiegel“ im Monat kaufen – wovon der Verlag offenbar ausgeht.

Spiegel-Digitalabo: Nach dem ersten Monat wird es ganz schön teuer.

Gar noch teuer ist die Bezahlschranke der „Zeit“: ganze 21,60 Euro im Monat. Rechne ich die drei Abos von Spiegel+, Zeit+ und GA+ zusammen, komme ich auf fast 50 Euro im Monat. Ein stolzer Preis für die drei Seiten, die ich am liebsten – aber nicht ausschließlich – lese.

Denn es gibt natürlich noch mehr. Die „Süddeutsche“ hat oft interessante Beiträge, kostet je nach Umfang des Abos aber auch zwischen 9,99 Euro (nur Online-Angebot) und 29,99 Euro (die SZ-Tageszeitungen als E-Paper dazu). Special-Interest-Magazine sind da meist noch günstiger. Im vollen Umfang kostet etwa „Spektrum“ 5,40 Euro im Monat, Heise+ 12,95 Euro. Auch im „Manager Magazin“ lese ich manchmal ganz gerne – 8,99 Euro. Jedes für sich nicht unbedingt happig, aber in der Masse läppert es sich.

Das freie Internet ist Geschichte

Das freie Internet ist so langsam Geschichte. Darüber kann ich trauern – oder auch Verständnis zeigen. Verlage und Journalisten wollen von ihrer Arbeit leben können. Verstehe ich! Ich bin auch Journalist. Spätestens mit dem in der Form unsäglichen Leistungsschutzrecht verschwand aber auch die Übersicht. Aggregatoren wie Google News sollen nun auch schon für Textanrisse bezahlen.

Danach verweisen sie auf Beiträge, die ich nicht mehr kostenlos lesen kann. So langsam verschwindet dabei aber auch der Zugang zu ungefilterter Information. Einzelne regionale Newsangebote zeigen Nicht-Abonnenten nicht einmal mehr einen Teaser kostenlos an. Wollt ihr nur einzelne Beiträge von dort lesen, vielleicht weil ihr dort mal gewohnt habt oder im Urlaub wart, müsst ihr das Monatsabo kaufen.

Google News zeigt mittlerweile nur noch Überschriften an, keine Textanrisse. Nicht alle hier präsentierten Beiträge könnt ihr kostenlos lesen.

Mir scheint, dass die Verlage ihre Paid-Content-Angebote am Bedarf der NutzerInnen vorbei geplant haben. Mich interessieren ja gar nicht alle Beiträge auf Zeit+, Spiegel+ oder Heise+. Ich muss sie aber alle bezahlen, auch wenn ich nur einen Beitrag lesen möchte. Das war früher einmal anders, als Magazine noch einzelne Beiträge zum Kauf angeboten haben. Aber das hat sich für sie ganz offensichtlich nicht rentiert.

Der 10er im Monat ist ein guter Standard

Aber 20 Euro im Monat… Bekomme viel – zahle aber auch alles? Vergleichen wir doch einmal: Unbegrenzer Musikgenuss wie mit Spotify, Apple Music oder Deezer: 10 Euro im Monat. Komatös Serien streamen auf Netflix, Apple TV+, Sky Ticket oder Disney+: im Schnitt 10 Euro. Weiteres wie Meditations-Apps, Musiklern-Apps, Pflanzenerkennungs-Apps – meistens 10 Euro oder deutlich darunter. Nur die Nachrichten sollen nun doppelt so teuer sein? Das haut für mich nicht hin.

Disney+: Abendefüllender Premium-Content für unter 10 Euro im Monat

Der Vergleich ist nicht ganz fair, aber wie es anders geht, zeigen etwa englischsprachige US-Nachrichtenportale wie die „New York Times“ (regulär 8 Euro im Monat, aber meist vergünstigt) oder die (mittlerweile Amazon-Gründer Jeff Bezos gehörende) „Washington Post“ (ab 4 Euro im Monat).

Englischsprachige Zeitungen können international mehr Leser erreichen als deutschsprachige und deswegen mehr auf Reichweite gehen. Ihre Angebote zeigen aber mehr Kundenfreundlichkeit als Verlagsfreundlichkeit. Ihre Preise ist man eher bereit zu zahlen.

Anbieter-, nicht kundenfreundlich

Die Lösung? Gute Frage! Denn auch für 10 Euro im Monat würde ich mir wahrscheinlich nicht alle möglichen journalistischen Angebote abonnieren, um dort jeweils zwei oder drei Beiträge zu lesen, die mich interessieren. Am besten gefielen mir bislang Kiosk-Modelle wie Blendle oder Readly. Aber die bieten nur eine Auswahl an den Artikeln einiger Magazine und Zeitungen an. Sie haben keine Suche nach genau den Beiträgen, die ich lesen möchte. Hätten sie das, wären sie für mich mittlerweile eine gut gangbarer Weg.

Was wir bei Spiegel+ oder Zeit+ derzeit sehen, ist die beste Lösung für Verlage. Die beste Lösung für Leserinnen und Leser ist das nicht. Deswegen glaube ich auch noch nicht, dass die Entwicklung hier schon am Ende ist. So wie jetzt zumindest sind mir Paid-Content-Angebote in den meisten Fällen schlicht zu teuer.

Unser Beitragsbild zeigt einen zufälligen Ausschnitt vom Angebot von Zeit+ (Screenshot).

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