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Arbeiter vor Goldmine

Arbeiter vor Goldmine (Bild: Eduardo Martino/Fairtrade)

Nachhaltige Smartphones: Ihr seid gefragt!

Unser Gewissen ist ökologisch, doch unser Kaufverhalten nicht. Jedes (zweite) Jahr ein neues Smartphone ist Raubbau an der Natur. So könnte sich das ändern.

Das Fairphone 4 ist da. Es wirbt mit Nachhaltigkeit – woraufhin ich mich frage, was denn passieren müsste, damit alle Smartphones nachhaltiger werden. Denn für viele ist das Fairphone einfach nicht die erste Wahl.

Einige Hersteller werben zwar damit, Altgeräte anzunehmen und dem Recycling zuzuführen. Doch mehr als ein grüner Anstrich ist das nicht. Warum gibt es denn sonst das Fairphone? Dessen Nachhaltigkeit wird jedenfalls nicht infrage gestellt – auch nicht von den anderen Herstellern.

Der Druck muss von uns ausgehen, den Nutzern.

Das Fairphone 4 ist ein Smartphone, das nachhaltig ist – durch Zertifikate belegt (Bild: Fairphone)

Die Hersteller sind zu langsam und gehen manche Probleme erst gar nicht an. Auch die Gesetzgeber scheuen sich, wirksame Vorgaben zu machen. Die Frage ist nun: Was können wir Kunden tun?

Was ist Nachhaltigkeit für Fairphone?

Nachhaltigkeit an sich ist ganz schön abstrakt. Fairphone hat den Begriff deshalb in drei konkrete Punkte übersetzt:

  1. Die Rohstoffe stammen aus guten Quellen. Die meisten Materialien sind recycelt. Das Gold stammt bereits aus Fairtrade. Bei Kobalt und Lithium soll dies bald der Fall sein. Ein sparsamer Umgang damit versteht sich ebenfalls.
  2. Die Nutzer können das Fairphone selbst reparieren. Nur mit einem Schraubendreher könnt ihr das Gerät auseinander nehmen. Einzelne Komponenten wie Akku oder Kamera austauschen, wenn sie kaputt sind oder ihr aufrüsten wollt.
  3. Fairphone verspricht eine Nutzung von fünf Jahren. Das schließt nicht nur die Verfügbarkeit von Ersatzteilen ein, sondern auch eine Anpassung des Betriebssytems für diesen langen Zeitraum.

Alle Hersteller auf Nachhaltigkeit prüfen

Auch wenn viele Käufer Nachhaltigkeit wollen und auch diese drei Punkte – sie wollen ebenfalls ein Smartphone, das…

  1. günstig ist,
  2. schmal und leicht sowie
  3. jedes Jahr aktuelle Hardware.

Im Zweifelsfall schlagen dann die drei Punkte unten die drei Punkte oben.

Der französische Reparaturindex zeigt mit einem Punktesystem an, wie gut sich technische Geräte reparieren lassen. Hier das Fairphone 4 (Bild: Screenshot)

Der geringe Marktanteil des Fairphones bestätigt das nur. Die Hürde ist einfach zu hoch. Es müsste eine Möglichkeit geben, kleine Schritte zu honorieren.

Es müsste sichtbar werden, wenn ein Hersteller Fairtrade-Gold verwendet, andere aber nicht. Damit meine ich nicht die Eigenwerbung der Hersteller, sondern unabhängige Quellen: wissenschaftliche Institute, Verbraucherschutzverbände, journalistische Medien.

Punkte und Zertifikate

Diese Transparenz könnte ein Punktesytem bringen oder Zertifikate, wie es sie jetzt schon gibt. Fairphone verwendet diese sogar schon.

Das Fairphone 4 erreicht 9,3 von 10 Punkten auf dem französischen Reparierbarkeitsindex. Daneben hat das Gerät das Zertifikat für Fairtrade-Gold und das TCO-Zertifikat für faire Arbeitsbedingungen.

Dieses Fairtrade-Siegel gibt es nicht für Reis, sondern auch für Gold, das in Smartphones verwendet wird (Bild: Fairtrade Deutschland)

Darüber hinaus hat Fairphone als Unternehmen die Ecovadis-Medaille in Platin für auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Unternehmen erhalten sowie die B-Corp-Zertifizierung für freiwilliges Engagement zur Lösung sozialer und ökologischer Probleme.

Rohstoffe nachweisen

Eine erste Aufgabe wäre, die Nutzung von Rohstoffen transparent zu machen: welche die Hersteller selbst verwenden, welche Chips und Komponenten sie einkaufen. Der Druck muss auch an die Zulieferer weitergegeben werden. Die gesamte Lieferkette ist wichtig.

Das Fairphone 4 ist das erste Smartphone, das durch TCO zertifiziert wurde, erkennbar am Logo links oben (Bild: Screenshot)

Wurden Metalle und Kunststoffe recycelt oder nicht? Wie sind die Arbeitsbedingungen, wenn die Metalle und seltenen Erden in Minen gefördert wurden?

Reparierbarkeit ohne DIY

Bei der Reparierbarkeit liegt Fairphone meiner Meinung nach falsch. Fast alle Hersteller verkleben ihre Smartphones, nur Fairphone verschraubt sie. Doch wer will schon sein Smartphone selbst auseinander nehmen? Wichtig ist vor allem, dass der Laden an der Ecke das Smartphone einfach reparieren kann. Und das wird zunehmend schwerer.

Ecovadis vergibt Medaillen für Nachhaltigkeit. Platin steht für die Top 1 Prozent in der Branche (Bild: Screenshot)

iFixit zeigt bereits, wie leicht oder schwer dies bei einzelnen Smartphones geht. Das Fairphone 3 erhält übrigens 10 von 10 Punkten. Eine Anleitung gibt es ebenfalls von iFixit, wie ihr das Gerät öffnen könnt.

Nutzung verlängern

Das Fairphone verspricht eine Nutzung von fünf Jahren. Doch bereits zum Marktstart ist das Fairphone 4 vergleichsweise dick und schwer, ein Klotz. Und der Abstand zu aktuellen Smartphone wird jedes Jahr größer.

Fairtrade ist auch eine B Corp und zeichnet sich dadurch aus, soziale und ökologische Standards einzuhalten (Bild: B Corp)

Der Druck muss raus, jedes Jahr etwas Neues haben zu wollen. Warum müssen Smartphones immer größer werden? In die Hosentasche passen sie kaum noch. Smartphones werden immer dünner, haben aber einen immer größeren Kamerabuckel, sodass eine Hülle notwendig ist, die das Gerät dann doch wieder dick macht.

Das Problem ist folgendes: Wenn eine neue Version des Betriebssystems erscheint, benötigt sie auch schnellere Hardware. Umgekehrt benötigen die neuen Fähigkeiten der Hardware ein neue Version des Betriebssystems. Wir kennen das bereits von Microsoft und Intel. Ein Teufelskreis.

Laut iFixit geht es nicht besser: Das Fairphone 3 erhält 10 von 10 Punkte für die Reparierbarkeit (Bild: Screenshot)

Die Lösung wäre ein Betriebssystem, das weniger ressourcenhungrig ist: nicht alles animieren, nicht alles streamen, nicht alles kompliziert berechnen. Neue Funktionen entwickeln, die auch auf alter Hardware laufen. Keep It Simple Stupid (KISS). Apple bekommt das mit iOS besser hin als Android. Es könnte auch Versionen des Betriebssystems mit Langzeitsupport geben (LTS).

Fazit

Wenn das Fairphone ein Nischenprodukt bleibt, hat die Umwelt nichts davon. Ein anderer Ansatz muss her. Die Branche muss sich wandeln. Dabei muss der Druck von uns Kunden ausgehen.

Fairphone hat sehr schön auf den Punkt gebracht, worum es dabei geht:

Wir bräuchten jetzt nur noch ein System, an dem wir Käufer uns orientieren können: Bewertungen oder Zertifikate, die von unabhängigen Institutionen vergeben werden.

Beitragbild: Eduardo Martino/Fairtrade

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