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Bücherregal

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Mein endgültiger Abschied von Büchern, CDs und DVDs

Als letztes kamen die Bücher dran: Trendblog-Redaktionsleiter Jürgen Vielmeier hat sich in den 2010er-Jahren von allen physischen Unterhaltungsmedien getrennt. Das bedeutet nicht, dass er keine Musik mehr hört oder nicht mehr liest. Im Gegenteil.

Vergangenen Dezember stolperte ich in meiner Lieblingsbuchhandlung Kinokuniya in Singapur über einen Minimalismus-Ratgeber. Seitdem ist bei mir zuhause nichts mehr, wie es einmal war. Aktuell bin ich dabei, die letzten Bücher, die ich noch besitze, auszusortieren. Eher zufällig trifft es mit dem Ende der 2010er-Jahre zusammen, dass ich mich von fast allen physischen Unterhaltungsmedien getrennt haben werde, zu denen ich Bücher jetzt einfach einmal dazu zähle.

Keine Bücher: Freiheit oder Einfalt?

Von meiner CD-Sammlung hatte ich mich größtenteils schon im vergangenen Jahrzehnt getrennt. Zuvor hatte ich Musik ohnehin fast nur noch auf dem Rechner gehört. DVDs kamen wenig später dran. Hier sortierte ich sogar noch radikaler aus; anders als bei CDs behielt ich nicht einmal ein paar unwiederbringliche Schätze. Bei Büchern sah es lange Zeit so aus, als seien sie unersätzlich, allen Ebook-Initiativen zum Trotz.

Meine letzten papiernen Bücher

Aussortieren heißt in meinem Falle: Ich lege nur noch ein paar Bücher in eine echte Schatzkiste, bei denen ich beim Lesen wirklich Spaß hatte. Den Rest übergebe ich dem öffentlichen Bücherschrank, was einem Verschenken gleichkommt. Bald werde ich also, bis auf ganz wenige Ausnahmen, keine Bücher mehr besitzen.

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Die kritische Leserin/ der kritische Leser wird an dieser Stelle vermutlich aufschreien. Keine Bücher mehr! Und prahlt noch damit! Die Gesellschaft verdummt! Ein Szenario, wie etwa in der Dystopie „Fahrenheit 451“ im vergangenen Jahr noch einmal neu verfilmt, scheint dann nicht mehr weit.

Doch, Moment Moment, ganz so ist es nicht. Genau genommen sogar ganz anders.

Mehr lesen, weniger besitzen

Denn ich lese mehr Bücher denn je in meinem Leben. Zum Beispiel sehr gerne Romane von Daniel Kehlmann, oft auch mehrmals. Das kann ich künftig weiterhin binnen Sekunden tun, wenn ich mir das Ebook herunterlade. Volker Kutschers „Gereon Rath“-Reihe (die Vorlage für „Babylon Berlin“) verschlinge ich regelmäßig – und habe sie von Anfang an rein elektronisch auf einem Kindle gelesen. Ebenso wie mein Lieblingsbuch „Tschick“ von Wolfgang Herrndorf, das in E-Book-Form nichts an seiner Magie einbüßen dürfte. Mittlerweile überlege ich sogar, meinen Kindle wegzuminimieren. Weil sich auf dem OLED-Bildschirm meines Samsung Galaxy S10 in der Kindle-App auch vortrefflich lesen lässt.

Und Fachbücher? Lese ich am liebsten auf Englisch. Derzeit nutze ich die Gelegenheit, um alles, was sich da in meinem Leben angehäuft hat, noch einmal durchzugehen. Wissen wieder auffrischen und vielleicht endlich einmal einige der Bücher lesen, die ich mir aus kurzzeitigem Enthusiasmus gekauft, aber nie gelesen habe. Wissen, das ich verinnerlicht habe, brauche ich nicht mehr in Buchform. Die Bücher wandern dann ebenfalls in den öffentlichen Bücherschrank, ebenso wie neu erworbene Fachbücher, die ich durchgearbeitet habe.

Anders gesagt: Unser Wissensstand erhöht sich nicht dadurch, dass wir Bücher nur im Regal stehen haben. Ich habe überhaupt nichts gegen Bücherregale, ich finde sie sogar für so manche Inneneinrichtung unglaublich dekorativ. Meine Wohnung kommt allerdings wunderbar ohne aus. Und um mit den angehäuften Bücherschätzen anzugeben – eine Marotte, die dem einen oder anderen Zeitgenossen ja nachgesagt wird – schauen ohnehin viel zu wenige Besucher in meinen vier Wänden vorbei.

Mein Bücherregal ist Thalia

Eingangs erwähntes Fachbuch über Minimalismus rät dazu, Geschäfte als persönliche Lagerräume anzusehen. Mein Bücherregal ist also die örtliche Buchhandlung oder die öffentliche Bibliothek, an die ich leider viel zu selten denke. Es klingt nach einer teuren Weisheit. Dafür investiere ich nun gezielter in Bücher und kaufe nicht aufs Geratewohl alles, was mir beim Stöbern gefällt.

Bibliotheken: Was, wenn wir sie einfach als unsere Bücherregale betrachten? Bild: Tuende Bede

Vermisse ich schon hin und wieder einmal etwas von den CDs, DVDs oder Büchern, das ich aussortiert habe oder muss ich es nachkaufen? Äußerst selten. Selbst lokale Bands, die ich mal bei einem kleinen Festival entdecke, finde ich meist auf Spotify wieder. Sehr, sehr viele Filmklassiker kann ich heute über iTunes oder Amazon Video kaufen oder leihen. Bei einigen Leihfilmen finde ich lediglich die Leihdauer etwas kurz. Den fast dreistündigen Klassiker „Gesprengte Ketten“ mit Steve McQueen schaffte ich nicht an einem Abend. Und als ich wieder Zeit fand und den Rest gucken wollte, war die Leihfrist schon abgelaufen.

Aktuell lese ich „Permanent Record“, die Autobiografie des wohl berühmtesten (und tragischsten) Whistleblowers Edward Snowden – das als englisches Ebook übrigens erheblich günstiger ist als das deutsche Hardcover. Ein wenig Bedenken an meiner Strategie kommen mir gerade beim Lesen dieses Buches durchaus. Denn was wäre, wenn die Ebook-Versionen meiner Bücher irgendwann zensiert oder umgeschrieben würden? Ich halte das in der gegenwärtigen politischen Situation in Deutschland für nur schwer denkbar. Aber der Mensch, das hat das ablaufende Jahrzehnt ja leider auch gezeigt, neigt gemeinhin zur Hysterie und zu aberwitzigen politischen Entscheidungen.

DVD-Regal. Wer hat noch eins? Bild: Jarmoluk

Müsst ihr nicht so machen, könnt ihr aber

Ich sage nicht, dass meine Abkehr von CDs, DVDs (Blu-rays habe ich nie besessen) und jetzt Büchern ein Modell für alle ist oder sein sollte. Es muss jeder für sich selbst entscheiden. Aber was ich sage ist, dass eine Digitalisierung von Unterhaltungsmedien heute beinahe problemlos möglich ist. Und das war vor zehn Jahren noch nicht der Fall. Es gab bereits Video on Demand, es gab das Medium Ebook und die ersten Kindles, es gab Musikdownloads und Musikstreaming (nur noch nicht in Deutschland). Aber all das steckte noch in den Kinderschuhen. Mit den nun endenden 2010er-Jahren ist dieses Problem eigentlich keines mehr.

3 Monate mit einem Plug-in-Hybrid: Ein Erfahrungsbericht

Ein technisches Relikt, das irgendwie aus der Zeit gefallen scheint, das sich aber immer wieder in ein weiteres Jahr rettet, ist mein Drucker. Allen durchaus auch starken Initiativen hin zum papierlosen Büro zum Trotz brauche ich ihn heute immer noch. Das ist teils meiner Nachlässigkeit geschuldet. Meine Steuer mache ich zum Beispiel immer noch immer auf Papier (guter Vorsatz für 2020: hier endgültig papierlos werden), aber selbst für so etwas wie Versandetiketten, um altes Zeug bei eBay zu verkaufen, habe ich noch keinen Weg um den Drucker herum gefunden.

Völlig digital ist also auch bei mir Ende dieses Jahrzehnts noch nicht alles. Doch für den kleinen Rest wird im nächsten endlich eine Lösung gefunden werden. Da bin ich mir sicher.

Dieser Beitrag ist Teil eines umfassenden Rückblicks auf die 2010er-Jahre und darauf, wie sich unser Leben seit der Jahrtausendwende verändert hat. Weitere Beiträge dazu folgen in den kommenden Wochen auf dem Trendblog. Welche Meinung habt ihr zu dem Thema? Sagt es uns in den Kommentaren!

Beitragsbild: Ahmad Ardity

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