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iPhone X

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Smartphones für 1000 Euro: Sind wir eigentlich noch zu retten?

Es gibt mittlerweile Smartphones für 1000 Euro – und wir kaufen sie trotzdem. Warum nur, fragt sich Trendblog-Redaktionsleiter Jürgen Vielmeier, und findet eine Antwort, die ihn an seine Kindheit erinnert.

Als ich klein war, wollte ich unbedingt einen C64. Das Geld dafür hatte ich natürlich nicht. Sparen hätte Jahre gedauert; als Neunjähriger hat man damals schlicht zu wenig verdient. Monatelang spielte ich nur bei Freunden mit und nervte gleichzeitig meine Eltern, wie wichtig so ein Ding doch für die Hausaufgaben sei. Bis dann schließlich, Monate später, ein C64 unter dem Weihnachtsbaum lag.

Für mich das schönste Geschenk, das ich mir vorstellen konnte, und der Spaß an dem Rechner hielt tatsächlich Jahre an. Vielleicht auch gerade deswegen, weil es mir unerreichbar weit weg schien und ich monatelang drauf warten musste? Ja, vielleicht.

Heute ist das anders. Ich verdiene jetzt mehr Geld als damals und ich könnte mir jedes Smartphone leisten, das ich will.

Fast jedes. Denn bei Smartphones für 1000 Euro hört es auch bei mir auf. Hab ich nicht über, müsste ich drauf sparen. Und wirtschaftlich wäre es ganz sicher nicht, eigentlich auch schon für Smartphones ab 700 Euro nicht. Die spannende Frage ist: Entsteht durch derart unerreichbar teure Geräte der gleiche Want-Faktor wie als Kind?

Motorola Moto Z2 Force: Selbst einst günstige Marken verlangen jetzt UVP 799 Euro für die besten Smartphones. Bild: Lenovo

Smartphones für 1000 Euro? Zu teuer, aber…

Und die Antwort lautet: Hängt davon ab. Am iPhone X hat mich nichts wirklich umgehauen, muss ich gestehen. Nichts außer diesem hochinteressanten neuen Porträtmodus. Die Dualkamera im iPhone X nutzt künstliche Intelligenz, um Porträtfotos so aussehen zu lassen, als wären sie mit einer Spiegelreflexkamera geschossen. Sogar wie mit einer Studiokamera – abhängig vom Modus. Mensch, das würde ich doch zu gerne ausprobieren! Hätte ich Spaß dran. Das könnte ich meinen „inneren Eltern“ gegenüber als notwendig für die Arbeit verkaufen, wie damals das mit den Hausaufgaben.

Aber 1139 Euro…

Ich weiß: Das iPhone 8 Plus hat diesen Porträtmodus auch. Und kostet „nur“ 909 Euro. Aber am klobigen Design des iPhone 8 Plus hätte ich keinen Spaß. Obwohl es das kleinere Display hat als das iPhone X, ist es insgesamt größer. Und Apple war leider so schlau, den Porträtmodus nicht in das normale iPhone 8 einzubauen. Also bleibt die Hürde bei 1139 Euro.

Auch das iPhone 8 Plus beherrscht das neue Porträtlicht. Aber wer will sich schon mit einem iPhone 8 Plus zeigen, wenn die coolen Kids das iPhone X haben? Bild: Apple

Teure Smartphones? Die Nachfrage bestimmt den Preis

Ist der Preis gerechtfertigt? Viel Geld ist es sicher, und diese Smartphones für 1000 Euro heben unschönerweise auch das allgemeine Preisniveau an. 999 Euro kostet heute ein Galaxy Note 8. Der Vorläufer Note 4 war vor drei Jahren noch bei 799 Euro gestartet. 799 Euro UVP werden heute bereits für ein Motorola Z2 Force fällig; beim gleichen Preis war auch das Sony XZ Premium gestartet. Die Preisskala wirkt heute nach oben völlig offen.

Und, schlimmer noch, das alte, ungeschriebene Gesetz, dass die nächste Generation zum gleichen Preis mehr können muss als die vorherige, scheint nicht mehr zu gelten. Das erste Google Pixel war vergangenen Herbst in Deutschland UVP ab 759 Euro zu bekommen. Das Google Pixel 2 wird nun mindestens 799 Euro kosten. Google hat doppelt so viel Speicher eingebaut, okay. Aber trotzdem mal eben den Preis um 40 Euro anheben? Ähnliches Spiel bei der Neuauflage des VR-Headsets Daydream View. Dessen neues Modell kostet nun UVP 109 statt 69 Euro. Google hat das Design der Brille angepasst, die Linsen verbessert und eine Kühlung eingebaut. Aber rechtfertigt das einen Aufschlag von über 50 Prozent?

Google Pixel 2 und Daydream View: In der zweiten Generation einfach den Preis angehoben. Bild: Google

Und wenn man schwach wird?

Ich habe das Gefühl, wir lassen uns von den Herstellern zu viel gefallen. Die Nachfrage regelt den Preis. Und wenn Apple oder Samsung erkennen, dass sie Smartphones für 1000 Euro statt 700 Euro verkaufen können und die Nachfrage trotzdem nicht ernsthaft sinkt – warum sollten sie es dann nicht tun? Mit anderen Worten: Es liegt an euch. Macht ihr jede Preiserhöhung mit? Zahlt ihr auch doppelt so viel wie früher, wenn euch ein Gerät besonders gut gefällt?

Ich selbst habe mich für den Moment dagegen entschieden. Ja, ich werde dem Porträtmodus sicher noch eine Weile hinterher schmachten. Aber weder iPhone 8 Plus noch iPhone X üben genug Reiz auf mich aus, als dass ich sie unbedingt haben müsste. Zu dem Preis sowieso nicht.

Und wenn im nächsten Jahr ein handlicheres, wunderschönes, noch viel besseres iPhone X2 für 1.500 Euro auf den Markt käme, das ich dann wirklich haben wollte. Würde ich darauf sparen? Würde ich es mir dann irgendwann kaufen? Ich kann es nicht gänzlich ausschließen.

Neulich, als ich ein Angebot des Samsung Galaxy S8 für 699 Euro samt DeX-Station sah, ertappte ich mich dabei, wie gut mir das Angebot gefiel. So weit ist man also schon, dass einem ein 700-Euro-Smartphone günstig erscheint.

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