Microsoft beendete in dieser Woche offiziell den Support von Windows Phone 8. Und wieder einmal zeigt sich schmerzlich: Ein dritter Weg neben Android und iOS fehlt.
Windows Phone ist Geschichte. Seit wann genau, darüber werden sich denn einst die Technikhistoriker streiten. Fakt ist: Microsoft gibt seine mobile Ambitionen hier mit dem Ende des Supports für Windows Phone 8.1 in dieser Woche mehr oder weniger auf. Damit wäre der Friedhof der mobilen Betriebssysteme um einen Grabstein reicher. In den letzten zehn Jahren haben wir schon, unter anderem, zu Grabe getragen:
- WebOS (für mobile Systeme)
- Symbian
- MeeGo
- Nokia Asha/S40
- Blackberry OS 7
- Blackberry 10
- Firefox OS
- Bada
- Ubuntu Mobile
- LiMo OS
- Windows Mobile
- Windows Phone 7
- Windows Phone 8
Zusätzlich hätten wir tatsächlich noch ein paar Untote, die die verbliebenen 0,4 Prozent Marktanteil neben Android und iOS ausmachen, etwa Jolla Sailfish OS, Samsungs Tizen (für Indien, Smartwatches und Fernseher) und wenn man so will noch Windows 10 Mobile. Auch wenn es da letztlich an Unterstützung mangelt.
Alles sieht gleich aus
Gut, also ein Duopol. Und auch damit könnte man leben, wenn sich die beiden letzten verbliebenen Vertreter iOS und Android nicht so schrecklich ähnlich wären:
- Lockscreen, der sich mit einem Standy-by-Schalter oder Fingerabdrucksensor entsperren lässt
- Homescreen mit App-Symbolen oder App-Verzeichnissen
- Benachrichtigungen in einem gesonderten Reiter, der meist auf Apps weiterleitet
- App Stores mit Hunderttausenden mehr oder weniger überschaubarer und mehr oder weniger hochklassiger Drittanwendungen
Schnarch.
Und klar, dann gibt es noch einige Funktionen dieser beiden ansonsten sehr ähnlich gewordenen Systeme, bei denen man sich fragt, warum der andere es denn bloß nicht hat. Unterschiede? Kaum noch. Potenzial. Hoch!
Windows Phone war wenigstens anders
Windows Phone war lange nicht perfekt. Aber Windows Phone war eben deswegen so interessant, weil es so anders war. Mit seinem echten Endlos-Startbildschirm, mit Live-Tiles für Benachrichtigungen, mit den berühmten Kacheln. Anders waren seinerzeit auch WebOS mit seinem Karten-System, Blackberry 10 mit seinem Hub. Was über die Jahre verloren gegangen ist, ist die Vielfalt. Was uns heute fehlt, ist etwas, das anders ist.
Ja, die Android-Anbieter versuchen sich mit ihren Oberflächen ein wenig zu unterscheiden. Aber auf den zweiten Blick sieht man dann doch ganz klar, dass es wieder nur Android ist. Das sehr starke Premium-Smartphone Huawei P10, das ich gerade im Test habe, leidet unter einer langweiligen Android-Oberfläche, die dem Gerät einfach nicht gerecht wird. Man wünschte sich, Huawei hätte für das P10 ein eigenes System entworfen, eines, das sich wie iOS dem iPhone nahezu perfekt anschmiegt. Aber mit dieser Android-Stangenware kann das P10 nicht aus der Masse herausstechen.
Hoffnungsträger haben enttäuscht
Zwei Hoffnungsträger gab es in den letzten Jahren. Der eine davon, Cyanogen Inc., kooperierte gar mit Microsoft, um Android von Google loszulösen. Dabei herausgekommen war aber letztendlich auch nur ein besonders entschlacktes und verfeinertes Android. Die Firma Cyanogen: schließlich krachend gescheitert.
Der andere Hoffnungsträger hatte einst selbst Android entwickelt: Andy Rubin. Als dieser im Frühling dieses Jahres etwas Neues auf dem Mobilfunkmarkt ankündigte, da hatte ich die Hoffnung, dass Andy zumindest ein paar neue Ansätze für mobile Systeme präsentieren würde. Herausgekommen ist letztlich aber wieder nur ein weiteres Android-Smartphone ohne nennenswerte Besonderheiten, auch wenn Rubin das vielleicht anders sieht. Okay, das Essential Phone hat ein Titanium-Gehäuse und setzt auf eine 360-Grad-Kamera. Aber das war’s dann auch schon an Revolution.
Es gibt noch vieles zu verbessern
Was willst du denn, da ist doch kein Bedarf! Sagt ihr vielleicht. Doch. Schaue ich mir an, was iOS und Android heute können, dann würde ich mir immer noch mehr wünschen.
- Banchrichtigungen und Widgets, in denen sich interagieren lässt, ohne dabei die App besuchen zu müssen.
- Sowieso: die lange versprochene Loslösung von der App und der Sammlung der relevanten Inhalte in einem gemeinsamen Content-Pool. Wann kommt dieses Szenario denn nun endlich?
- Sprachassistenz? Okay, aber dann auch für Drittanwendungen, so, dass ich wirklich endlich freihändig mit einem Smartphone agieren und es die meiste Zeit in der Tasche lassen kann. Anwendungen, die mir wirklich Arbeit abnehmen und nicht nur eine Referenz für Apple und Google sind. Ihr könnt also Sprachassistenten? Ist ja toll. Aber gebt mir einen Nutzen dafür!
- Kurze Laufwege. Ein-Knopf-Tasten, physische Tasten, um Musik abzuspielen, ein Foto aufzunehmen ohne dabei erst den umständlichen Weg in die App gehen zu müssen.
- Startbildschirme, die mal mit etwas Neuem auftrumpfen. Schlagzeilen vielleicht, Anwendungen zum Durchskippen, meinetwegen einem Bot, der mich begrüßt. Nicht immer wieder seelenlose App-Wüsten.
Ich geb’s ehrlich zu: Mir fehlt ein wenig Überraschung. Etwas Spannendes, etwas, was mich wieder mehr mit dem Smartphone interagieren lässt. Das interessiert derzeit niemanden bei Apple oder Google. Und so sehen alle Smartphone-Oberflächen heute langweilig aus. Ein dritter Anbieter im Bunde könnte Veränderungen anstoßen, könnte das Geschäft wieder beleben, könnte auch Apple und Google aus ihrem Dornröschenschlaf aufwecken. Es muss nicht Microsoft sein, aber ein dritter Weg, von irgendwem, würde dem mobilen Sektor gut tun. Ich hoffe, wir finden ihn bald!