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Ladenhüter Digitalkameras? Vier Gründe, warum die Hersteller ihre eigene Misere mitverursachen

Liegt es wirklich nur an Smartphones, dass die Hersteller seit einigen Jahren immer weniger Kameras verkaufen? Das klingt zu einfach und ist es auch. An ihrer Misere sind die Hersteller Mitschuld, auch wenn sie das nicht gerne hören.

Seit dem Jahr 2010 sind Verkäufe von Digitalkameras massiv geschrumpft, zeigte Statista in einer eindrucksvollen Grafik am Vorabend der weltweit wichtigsten Messe für Fotografie, der Photokina in Köln. Sicher, zum einen kann man den Niedergang Smartphones und deren immer besseren Kameras anlasten, die etwa im selben Zeitraum zum Massenphänomen wurden. Aber das wäre nur die halbe Wahrheit.

Ein Rückgang ist laut Statista vor allem bei Kompaktkameras zu erkennen, aber auch System- und Spiegelreflexkameras verlieren. Grafik: Statista

Mittlerweile sind aktuelle Digitalkameras eigentlich aller bekannten Hersteller mit modernsten Eigenschaften ausgestattet. Sie werden preiswerter, lichtstärker, rauschärmer, kompakter, schneller, hübscher. Und daran soll kaum noch jemand interessiert sein? Ich denke, der Wind weht aus einer anderen Richtung, auch aus der der Hersteller. Denn einige Fehler machen sie bis heute:

1. Stiefmütterlicher Umgang mit System- und Kompaktkameras

Zumindest den beiden großen Herstellern Canon und Nikon würde ich es anlasten, dass ihre Systemkameras auch in der mittlerweile fünften Generation immer noch bessere Alibis sind. Die neue Canon EOS M5 wird auf der Photokina zwar reichlich beworben, aber im ersten Eindruck erschien sie mir langsam und technisch abgespeckt gegenüber den deutlich höherwertigen Spiegelreflexkameras aus eigenem Hause. Gleiches Bild natürlich bei Kompakt- und Bridgekameras. Hier werden immer noch deutlich kleinere Sensoren verbaut.

Bei dieser Canon-Werbung für die Systemkamera EOS M5 schimmert der Subtext klar durch. Motto: Wenn ihr was Echtes wollt, greift ihr weiterhin zur Spiegelreflexkamera.

Während sich Sony, Olympus, Panasonic und Fujifilm klar auf Systemkameras fokussiert haben, fallen sie bei Nikon und Canon unter ferner liefen. Hier gilt weiterhin alle Macht klobigen, wenn auch leistungsstarken Spiegelreflexkameras. Der Trend geht aber eindeutig davon weg, schwere Ungetüme mit sich herumzuschleppen. Das haben leider die wenigsten Hersteller bislang erkannt.

… und hier wird es überdeutlich. Diesen weiterführenden Link teasert Canon wohlgemerkt im Angebot der Systemkamera EOS M5 an.

2. Klein heißt nicht selten auch kleine Ausstattung

Etwas enttäuscht war ich im ersten Eindruck von der neuen Olympus E-PL8. Hübsches Design (siehe Beitragsbild), aber im Funktionsumfang irgendwie begrenzt, Autofokus und Auslöseverzögerung: nicht so schnell wie erhofft. Bei einer Testserie in den Kölner Messehallen erhielt ich viele Verwackler und käsiges Licht.

Es könnte eine Theorie bestätigen, die ich schon länger verfechte: Dass die Hersteller bei kleinen Kameras nicht selten auch am Funktionsumfang sparen. Motto: Wer klein will, begnügt sich mit einer Einsteigerkamera. Welch ein Irrtum!

3. Fehlgeleitetes Marketing

Hersteller Fujifilm wirbt für die Kamera X-Pro2 offiziell so:

„Ausgestattet mit dem einzigartigen Multi-Hybrid-Optischen-Sucher und einem brandneuen 24 MP X-Trans III Sensor.“

Neue technische Details sind super – und werfen bei einem Foto-Laien erst einmal mehr Fragen auf, als dass sie beantworten. Das Marketing richtet sich in erster Linie an erfahrene Fotografen und Profis. Wenn man es dabei belässt, darf man sich nicht wundern, wenn Laien lieber zum Smartphone greifen. Kaum ein Hersteller stellt mal heraus, warum sich mit einer Spiegelreflex- oder Systemkamera eigentlich bessere Fotos machen lassen als mit dem Smartphone. Welche Vorteile ein 4/3- oder APS-C-Sensor gegenüber den deutlich kleineren Sensoren einer Smartphone-Kamera haben.

Zwei identisch aussehende Sony-Kameras mit ähnlichem Funktionsumfang und kryptischen Namen. Ginge das nicht auch einfacher?

Sprich: Das Marketing der Hersteller richtet sich an die Klientel, die es schon immer bedient hat, es holt potenzielle Neukunden nicht ab.

4. Unübersichtliche Produktpolitik und kryptische Bezeichnungen

„Finden Sie nicht irgendeine Kamera, sondern die Lumix G!“

… wirbt etwa der Hersteller Panasonic. Na gut, sagt man sich da als Kunde, dann zeigt mal her! Moment, es gibt natürlich nicht nur eine Lumix G! In einem aktuellen Prospekt, den mir der Hersteller auf der Photokina mitgab, führt Panasonic gleich acht G-Modelle auf. GH4 („unser 4K-Profi“), G81, G70 („unser 4K-Multitalent“), G6 („Unser Allrounder“), GX8, GX80, GM5 und GF7.

Wo ist da jetzt der Unterschied zwischen den einzelnen Modellen, fragt sich der Laie? Ist G81 besser als G70? Was bedeuten die zweiten Buchstaben M, F und X? Ist eine GX80 besser als eine G8, weil sie eine höhere Nummer hat, und wie steht die G81 dazu im Vergleich?

Panasonic-Werbung für die Lumix G81. Warum muss es von jedem Hersteller eine „obere Mittelklasse“ geben?

Welch eine Verwirrung für potenzielle Neukunden! Denn auch wenn Hersteller das nicht gerne sehen: Wer eine neue Kamera will, vergleicht natürlich die Modelle etlicher Anbieter untereinander, und hier ist Panasonic nur ein Beispiel. Bei den anderen sieht es genauso aus. Ich selbst besitze übrigens eine Lumix G6H. Und was ist das nun wieder? Tja…

Kurz gesagt: Weniger wäre mehr. Reichen nicht auch drei Geräte pro Hersteller? Nein? Warum nicht?

Fazit: Schade eigentlich

In meinem letzten Urlaub nahm meine Begleitung eine schwere Spiegelreflexkamera mit, ich aus praktischen Gründen nur mein Smartphone. Die besseren Bilder machte natürlich die Spiegelreflex, entspannter unterwegs war eindeutig ich und mein Handy lieferte wirklich vorzeigbare Schnappschüsse:

Felsenstadt Ronda in Andalusien, aufgenommen mit einem OnePlus One. Für einen Smartphone-Schnappschuss gar nicht so schlecht, oder?

Auf der Photokina bin ich eigentlich wieder auf den Geschmack gekommen. Es gibt von beinahe allen Herstellern wunderschöne, auch kompakte Kameras im todchicen Retro-Design. Nicht zu schwer, angenehm kompakt. Preislich und funktional ist da Luft nach oben. Aber ich bin bereit zu investieren – und bereite mich schon einmal auf ein paar Wochen Arbeit vor, alle zur Verfügung stehenden Modelle zu recherchieren und zu vergleichen. Nicht wenigen wird es ähnlich gehen.

Das ginge einfacher, liebe Hersteller! Es ist schön, dass ihr immer neue Funktionen aufrüstet, und an eurer Qualität ist selten etwas auszusetzen. Aber reduziert euer Produktprogramm, gebt euren Kameras sprechendere Namen, baut Profifunktionen auch in kleinen Systemkameras ein! Dann habt ihr gute Chancen, das nächste Jahrzehnt noch zu erleben.

Beitragsbild: Olympus

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