DVB-T2 (HD): Das Chaos ist perfekt

Mit einem einfachen DVB-T2-Tuner wird man Privatsender künftig gar nicht empfangen können. Die Verbraucherzentralen warnen vor falschen Empfangsgeräten, Kunden sind verunsichert und nicht wenige wollen die Chance nutzen, dem linearen Fernsehen gleich lebwohl zu sagen. Das Chaos ist perfekt – und es ist hausgemacht.

DVB-T2 (HD): Das Chaos ist perfekt

Ein wenig dick aufgetragen ist, was die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz in einer aktuellen Pressemeldung schreibt. So fänden sich immer noch TV-Geräte im Handel, „die den Empfang von DVB-T2 unmöglich machen“. In der Überschrift wird gar die Frage gestellt, ob neue TV-Geräte damit „schon Elektroschott“ seien. Ganz so schlimm ist es nicht. Aber ärgerlich ist es schon: denn selbst mit einem Fernseher, der einen DVB-T2-Tuner besitzt, wird man zahlreiche Programme in Deutschland nicht empfangen können.

DVB-T2 für Öffentlich-Rechtliche, DVB-T2 HD für Privatsender

Der Grund ist politischer Natur. So erwarb der Sendernetzbetreiber Media Broadcast die Rechte, um die Privatsender wie RTL und ProSieben über den neuen terrestrischen Rundfunk DVB-T2 zu senden. Dafür griffen die Kölner auf die noch als Internetprovider bekannte Marke Freenet zurück. Da das so beworbene Freenet TV allerdings kostenpflichtig sein wird, sind die Privatsender dort verschlüsselt. Media Broadcast führte dafür also eine eigene Technik ein, die den Videostandard HEVC/H.265 verwendet und sich DVB-T2 HD nennt, wie man auch in einem eigenen Werbespot zeigt:

https://www.youtube.com/watch?v=5PKYXnoVRYg

DVB-T2 HD ist ein ähnlicher Marketingbegriff wie das vom Satellitenbetreiber Astra verwendete HD+. Denn „High Definition“ wäre DVB-T2 ohnehin. Der Zusatz „HD“ dient dafür, die Technik vom unverschlüsselten DVB-T2 abzugrenzen, auf dem die Öffentlich-Rechtlichen wie ARD und ZDF frei empfangbar sind. Dafür verwendet Media Broadcast auch tatsächlich einen anderen Codec: HEVC oder H.265 statt H.264. Doch die meisten heute erhältlichen Fernseher mit DVB-T2- oder Triple-Tuner beherrschen eben nur dieses DVB-T2 und damit nicht das DVB-T2 HD von Freenet TV.

Deutscher Sonderweg

Für die Kunden ist das ähnlich verwirrend wie seinerzeit der Unterschied zwischen HD und „HD Ready“. Wer sich in freudiger Erwartung der neuen Technik bereits einen DVB-T2-Receiver oder -Fernseher gekauft hat, wird ab dem kommenden Jahr, wenn das DVB-T der ersten Generation nach und nach abgeschaltet wird, buchstäblich in die Röhre gucken. Zumindest kann er dann nur noch die öffentlich-rechtlichen TV-Sender empfangen.

Und das Problem bleibt bestehen: Auf dem Markt sind derzeit kaum Fernseher erhältlich, die DVB-T2 HD unterstützen. Die Hersteller sind hierfür nur bedingt schuldig. Denn wenn nur Deutschland einen Sonderweg mit einer eigenen Technik gehen will, ist es für die Produzenten von TV-Technik ungleich schwieriger und aufwändiger, ihre Geräte mit einer Sondertechnik auszurüsten. Der Anbieter simpliTV in unserem Nachbarland Österreich etwa bietet einen vergleichbaren Service an wie Freenet TV in Deutschland – allerdings auf Basis von DVB-T2. Normale DVB-T2-Empfangsgeräte funktionieren in Österreich für alle Sender.

Auf das grüne Logo achten

Abhilfe schaffen TV-Geräte und Set-Top-Boxen mit DVB-T2 HD. Die Verbraucherzentrale mahnt Kunden, ganz genau hinzuschauen und auf das offizielle grüne Logo mit DVB-T2 HD zu achten. Dem schließen wir uns an. Denn, um das Chaos perfekt zu machen: Selbst einige Geräte, die „DVB-T2 HD“ im Namen tragen, können Freenet TV mitunter nicht empfangen. Inzwischen gibt es einige Set-Top-Boxen, die DVB-T2 HD mit Freenet TV unterstützen, darunter Kathrein UFT 930, Vantage VT-93 T-HD IR oder Telestar digiHD TT5+7. Auch bei Freenet selbst gibt es solche Empfangsgeräte natürlich zu kaufen. Verbraucher müssen hier mit Kosten um einmalig 100 Euro für das Empfangsgerät rechnen.

Beim Kauf einer DVB-T2 HD Hardware unbedingt auf dieses Logo achten! Sonst lassen sich keine Privatsender empfangen.
Beim Kauf einer DVB-T2 HD Hardware unbedingt auf dieses Logo achten! Sonst lassen sich keine Privatsender empfangen.

Bei den Kosten bleibt es allerdings nicht. Denn nach einer kostenlosen dreimonatigen Probephase verlangt Freenet TV für den Empfang der Privatsender Geld. 69 Euro im Jahr kostet das Abo – pro Empfangsgerät. Und hier darf man gerne mal die Frage an Anbieter und Sender richten, was daran eigentlich noch Free TV sein soll. Freenet TV argumentiert auf der eigenen Webseite, dass sich die höheren Produktions- und Verbreitungskosten „nur über neue Geschäftsmodelle auf Basis verschlüsselter Angebote finanzieren“ ließen und dass man für HD-Angebote via Kabel oder Satellit schließlich auch bezahle.

Damit hat Freenet sogar Recht – man vergleiche entsprechende Angebote von UnityMedia, Kabel Deutschland oder via Satellit Astra und damit HD Plus. Dennoch muss die Frage erlaubt sein, ob die Kosten für das Senden von HD-Bildern wirklich so viel höher sind und ob die Anbieter nicht bereits über Lizenzkosten und Werbegelder entsprechend abgegolten werden können. Denn werbefrei werden RTL, Sat.1 und Tele5 noch lange nicht, nur weil künftig Geld für sie kassiert wird.

Das Ende des Free TV

Nicht nur beim „Tagesspiegel“ stellt man deswegen die Frage, ob man dann überhaupt auf DVB-T2 HD setzen muss, oder ob nicht TV-Streaming im Internet über Dienste wie Zattoo, Magine oder TV Spielfilm live eine ebenso gute und praktische Qualität liefern könnte. Die genannten drei Anbieter rechnen bereits mit neuen Kunden bedingt durch die Abschaltung der ersten DVB-T-Generation.

Warum noch für lineares Fernsehen bezahlen, fragt sich mancher, wenn man mit Streaming-Boxen wie Apple TV alles sehen kann, was man möchte? Bild: Apple
Warum noch für lineares Fernsehen bezahlen, fragt sich mancher, wenn man mit Streaming-Boxen wie Apple TV alles sehen kann, was man möchte? Bild: Apple

Und nun erklärt sich auch, warum die Dienste in den vergangenen Jahren emsig daran gearbeitet haben, Apps ihrer Angebote für Streaming-Boxen wie Apple TV fertigzustellen. Billiger allerdings als Freenet TV sind die Internet-TV-Dienste in HD-Qualität auch nicht.

Spätestens hier wird klar, dass mit DVB-T auch das Free-TV stirbt. Zumindest die Privatsender wird es künftig nirgendwo mehr kostenlos empfangbar geben.

Weiterer Sargnagel für das lineare Fernsehen?

Und manch ein moderner Nutzer stellt sich die Frage, ob er es nicht genauso gut gleich bleiben lassen kann mit dem linearen Fernsehen. Denn Streaming-Boxen wie Apple TV oder Fire TV bieten mit Amazon Video oder Netflix Top-Serien und Filme im Abo an, das vergleichbar teuer ist wie Freenet TV. Zusätzlich kann man Inhalte von YouTube oder ARD und ZDF in den jeweiligen Mediatheken-Apps streamen.

Der Schuss könnte für RTL, ProSieben und Co. also am Ende nach hinten losgehen. Wenn „Free TV“ also plötzlich kostenpflichtig wird, wird sich manch einer die Frage stellen, wofür er die Sender überhaupt noch braucht.

Update: In einem weiteren Beitrag findet ihr Details zum CI+-Modul und zu den Kosten.

DVB-T2 (HD) ging im Mai 2016 in einigen Regionen an den Start. Ende März 2017 stellen viele Sendeanstalten DVB-T1 ab. Dann wird nur noch DVB-T2 emfangbar sein. DVB-T2 soll bei den öffentlich-rechtlichen Sendern ein HD-Upscaling von 720p auf 1080p (Full HD) bieten, DVB-T2 HD laut Freenet TV ein natives 1080p.

Beitragsbild: Freenet TV/Media Broadcast

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2 Kommentare zu “DVB-T2 (HD): Das Chaos ist perfekt

  1. DVB-T (mit welchem Anhang auch immer) ist als Grundversorgung gedacht, soll also auch dort zu empfangen sein, wo es kein Kabel-TV gibt. Und das sind dann die Orte, an denen es auch keinen dicken Internetleitungen gibt. Zattoo, Magine und die Mediatheken der Sender sind dann keine Alternative.

    Der Gesetzgeber könnte zumindest die großen Privatsender verpflichten, auch über DVB-T auszustrahlen. Auflagen macht er ihnen bereits jetzt – über die Drittesendelizenzen. Wenn ihr zu später Stunde im Programm ein gutes Magazin findet, dann stammt das oft von dctp und nicht aus der Redaktion des Senders.

    Dass die Privatsender eine Gebühr für das HD-Programm nehmen, begründen sie übrigens offiziell damit, dass eine technische Infrastruktur geschaffen werden muss, um den Stream für DVB-T aufzubereiten.

  2. Die Privatsender sehe ich mir nun schon seit einigen Jahren nicht mehr an und ich vermisse überhaupt nichts.
    Nur weil es jetzt in HD gesendet wird ist das Programm auch nicht besser.
    Leider sind die Öffentlich-Rechtlichen manchmal auch nicht besser und schielen auf Quoten.
    Die Zwangsabgabe der Fernsehgebühren sollte man auch abschaffen.
    Aber nun für die Privaten auch noch Zahlen ? Das tue ich mir nicht an.

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