Gigabit für alle? Dann mehr Steuergeld für den Netzausbau bitte!

Für die Bundesregierung ist das Thema Gigabit für alle schlicht ein Lippenbekenntnis. Will Deutschland den Anschluss nicht verlieren, muss auch über deutlich mehr Steuergeld für den Ausbau nachgedacht werden – und über einen Abbau der unsäglichen Bürokratie.

Gigabit für alle? Dann mehr Steuergeld für den Netzausbau bitte!
Glasfaser

Das Gelächter folgte auf dem Fuße und blieb doch so manch einem im Halse stecken. Was, wenn der das ernst meint? Markus Söder, designierter neuer Ministerpräsident, hatte in einem „10-Punkte-Plan für Bayern“ WLAN überall im Nahverkehr des Freistaats gefordert – bis 2050. Wenn das der offizielle Zeitplan ist, mit der Deutschlands wirtschaftsstärkstes Bundesland ins Gigabit-Zeitalter will, dann bedeutet das für anderen wohl nur noch schwärzeste Nacht.

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Die CSU beeilte sich, das Papier zu korrigieren und nur noch die Digitalisierung des Tarifsystems bis 2050 zu fordern; Hotspots im Nahverkehr aber wenigstens schon bis 2020. Dabei hatte man Söder nach dem Wegknirschen der eigenen Zähne eigentlich schon fast vergeben: Nicht gerade ambitioniert, der Mann – aber wenigstens mal ein Realpolitiker, der nichts verspricht, was sowieso nicht gehalten werden kann.

Wie der versprochene Breitband-Anschluss für jeden bis Ende 2018 oder Gigabit-Anschlüsse für alle bis 2025. Ersteres Ziel von der scheidenden Großen Koalition anvisiert und deutlich verfehlt. Letzteres – voraussichtlich – das Ziel der neuen Großen Koalition.

Statt Glasfaser alle Energie auf 5G-Mobilfunk?

Man muss kein Hesekiel sein um jetzt schon zu prophezeien, dass es damit knapp wird. Und dass Geld dabei nicht alles ist. Der dafür anberaumten Arbeitsgruppe stehen in den kommenden vier Jahren 10 bis 12 Milliarden Euro für den Ausbau eines flächendeckenden 5G-Netzes zur Verfügung.

Die Marketing-Maßnahmen auf die nächste Generation des Mobilfunknetzes zu richten, ist clever, denn deutlich leichter zu erreichen. Hier sind die Investitionskosten geringer, vor allem aber auch der Aufwand, um den gesamten Prozess zu koordinieren. Verhandeln muss die Politik dann nur mit den drei verbliebenen mobilen Netzbetreibern Telekom, Vodafone und Telefónica-O2.

Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter im Kornfeld. Bild: Vodafone
Vodafone-Chef Hannes Ametsreiter beim Netzausbau auf dem Land – hier bei der Einweihung eines Funkmastes für die Zwischengeneration 4.5G. Bild: Vodafone

Beim Festnetz ist die Lage weit verfahrener. Mehr als hundert bundesweite, regionale oder lokale Anbieter konkurrieren mit der Telekom um einen Ausbau einzelner Ortschaften. Schaut man sich einige lokale Beispiele an, wirkt das Fördergeld eher wie mit der abgesägten Schrotflinte verteilt als mit der Gießkanne. Teils kommen die Fördermaßnahmen vom Bund, teils den Kommunen.

Kafkaeske Bürokratie

Teils werden Zahlungen vom Bund an Kommunen eingefroren, weil sich plötzlich das Bundesland zuständig sieht. Teils werden nur einige Häuser einer Straße mit Glasfaser versorgt, weil in anderen Häusern bereits 30-Mbit/s-Leitungen liegen – und die EU mehr derzeit nicht für förderwürdig hält. Manchmal kann die Telekom lokale Eigeninitiativen stoppen, weil sie das Vorrecht auf den Ausbau hat.

Es geht also nicht nur ums Geld. Es geht auch um eine vernünftige Politik. Die Frage bleibt, ob 5G-Mobilfunk die Hauptlösung für das Gigabit-Zeitalter sein kann. Schaut man sich die jüngste Qualitätskontrolle der Bundesnetzagentur an, nach der nur 1,6 Prozent der Mobilfunknutzer die versprochene Datengeschwindigkeit auch tatsächlich erreichen, dann muss man zweifeln. Rechnet man noch das mobil mittlerweile grassierende Zwei-Klassen-Internet von Vodafone (Pass) oder Telekom (Stream-on) mit ein, dann schwant einem bei einem reinen mobilen Gigabit-Ethernet nichts Gutes.

Ungerechtigkeit sorgt für Landflucht

Also doch Glasfaser? Die wird man nicht unter 100 Milliarden Euro Gesamtkosten bekommen. Kollege Peter Giesecke hat Recht, wenn er schreibt, dass ein Gigabit-Internetzugang für zuhause nicht die höchste Priorität haben muss. Aber es geht um mehr als das. Es geht auch um Chancengleichheit, Zukunftsfähigkeit, Arbeitsplätze und ein Stück weit auch um Gerechtigkeit.

In München wird ein Nutzer in wohl nicht all zu ferner Zeit Gigabit-Anschlüsse buchen können. Und sein Schwager 200 Kilometer weiter im Bayerischen Wald soll weiter mit EDGE und 2-Mbit/s-DSL auskommen? Pech gehabt? Soll der doch auch nach München ziehen? Nein, das kann es nicht sein.

Ich will kein Gigabit-Internet bis 2025, sondern Streaming ohne Aussetzer, jetzt

Deutschland war einmal ein Land, in dem Innovationen begrüßt wurden, in dem auch die Regierenden lieber mal Steuergelder in Milliardenhöhe für den Ausbau der Netze investierten, als sich von Anfang an um ihre Wiederwahl zu sorgen. Meist muss in diesem Land ja nur lange und laut genug getrommelt werden, damit es spät, aber nicht zu spät, doch noch alle Hebel in Bewegung setzt und in die Spur findet. Ich würde mir wünschen, dass es beim Thema Gigabit für alle auch so ist.

Beitragsbild: LoveToTakePhotos via Pixabay

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