Das passierte, als ich versuchte, ein Land ohne das dortige Bargeld zu bereisen

In vielen Ländern Europas zahlen die Menschen bargeldlos. Als Trendblog-Redaktionsleiter Jürgen Vielmeier deswegen versuchte, in einem Land ganz auf das dortige Bargeld zu verzichten, ging allerdings alles schief, was schief gehen konnte.

Das passierte, als ich versuchte, ein Land ohne das dortige Bargeld zu bereisen

Auf meiner Reise durch Nordeuropa brachten mich zwei Schlüsselerlebnisse auf eine krude Idee: Wie wäre es, mal durch ein ganzes Land zu reisen und wie gewohnt einzukaufen – ohne überhaupt Bargeld einzutauschen? Zahlen würde ich nur mit meiner Kreditkarte.

Schlüsselerlebnis Nummer 1 war in Stockholm in einer Bar, als ich mein Bier mit einer Kreditkarte bezahlte. Vor allem, dass dem Kellner das ganze Procedere für nur ein Bier überhaupt nichts auszumachen schien. Keine Beschwerde darüber, dass das unpraktisch sei oder ihm jetzt zu viel Arbeit bereite. Das war so interessant zu erfahren, dass ich da beschloss, auf meiner Reise öfter mit meiner Kreditkarte zu bezahlen.

Ihr braucht kein Smartphone, um kontaktlos per NFC zu bezahlen

Etwa fünf Tage später in Finnland, Schlüsselerlebnis Nummer 2: Nachdem ich wieder einmal für nur einen Kaffee meine Kreditkarte ins Lesegerät schieben und meine PIN eingeben wollte, hielt die Verkäuferin die Karte einfach vors Lesegerät. Und, piep, ohne PIN und Einschieben war die Transaktion erledigt. Möglich durch einen NFC-Chip direkt in der Kreditkarte, mit dem moderne Lesegeräte kommunizieren können. Neu ist diese Möglichkeit freilich nicht. Sie nennt sich bei Visa payWave und bei Mastercard PayPass. Aber ich wette, viele von euch haben das, ebenso wie ich, bis dahin noch nie benutzt, geschweige denn von der Möglichkeit gewusst.

Posen: Eine malerische Altstadt, die ich gerne in besserer Erinnerung behalten hätte...
Posen: Eine malerische Altstadt, die ich gerne in besserer Erinnerung behalten hätte…

Das kontaktlose Bezahlen für Beträge bis 25 Euro wurde in den Tagen darauf zu meinem Standard-Zahlungsmittel. Und in Russland und im Baltikum klappte das so gut, dass ich in Polen noch etwas mutiger wurde. Ich beschloss, überhaupt kein Bargeld in Zlotty abzuheben oder einzutauschen und einfach alles mit der Kreditkarte zu bezahlen. Und das klappte wunderbar – bis zum letzten Tag.

Die Bombe platzt im letzten Akt

Burgerrestaurants, Cafés, Autobahnraststätten, mein Hotel – eigentlich überall in Polen konnte ich mit Kreditkarte bezahlen und oft sogar per payWave. Als ich am letzten Tag meines Aufenthalts in ein Parkhaus in Posen fuhr, dachte ich, auch dort würde das kein Problem sein. Falsch gedacht.

Der Automat zeigte sogar an, dass ich meine Parkgebühr mit Kreditkarte bezahlen könnte. Allein: es fehlte ein passender Kartenschlitz oder ein NFC-Lesegerät in dem Automaten. Bezahlen konnte man also im Endeffekt nur mit Scheinen oder Münzen. Und die hatte ich nicht.

Na gut, dachte ich: Glück im Unglück. Ich hatte in der Tiefgarage eines Einkaufszentrums geparkt. Dort würde es ja Geldautomaten geben. Hebe ich einfach den kleinstmöglichen Betrag ab und bezahle damit die Parkgebühr von 4 Zlotty. In der Lobby fand ich auch prompt drei Geldautomaten. Automat Nummer 1: offline. Automat Nummer 2: „Leider ist ein Fehler aufgetreten; Transaktion nicht möglich“. Automat Nummer 3: „Klar, kein Problem. 50 Zlotty kriegen Sie sofort.“ Aus dem „sofort“ wurde ein „nie mehr“. Der Automat spuckte nur noch meine Karte aus, aber nicht das gewünschte Bargeld.

Ich lief also aus dem Einkaufszentrum heraus auf der Suche nach einer Bank mit einem Geldautomaten. In direkter Umgebung war zunächst keine zu sehen, dafür aber Wechselstuben. Wechselstube 1: geschlossen, trotz beworbener Öffnungszeit. Wechselstube 2 schließlich: geöffnet. Die Mitarbeiterin wechselte mir 5 Euro in 21,15 Zlotty. Na bitte. Dann eben auf die altmodische Tour!

Inzwischen allerdings trat ein anderes Problem auf: Ich musste auf die Toilette. Die im Einkaufszentrum kostete: 2 Zlotty, zahlbar nur in Münzen, kein Wechselautomat, kein Personal. Na super!

Es kommt noch dicker

Daran, dass sich das Problem im Folgenden verschärfte, bin ich zugegebenermaßen nicht ganz unschuldig. Ich ging wieder hoch ins Einkaufszentrum, um den 20-Zlotty-Schein für die Toilettengebühr klein zu machen. Am vernünftigsten wäre es wohl gewesen, am Kiosk einfach eine Flasche Wasser oder einen Schokoriegel zu kaufen – oder die Verkäuferin dort zu fragen, ob sie den Schein eben klein machen könnte. Was ich allerdings in dem Moment wirklich gebrauchen konnte, war ein Kaffee. Ich ging also ins Café des Einkaufszentrums, bestellte mir für 11,50 Zlotty einen Café Affogato und ließ mich siegessicher auf einen Sessel fallen.

Minuten später schreckte ich plötzlich hoch und rannte panisch runter zum Parkautomaten. Und ja, meine Befürchtung hatte sich bewahrheitet: Für den Automaten war bereits die nächste Stunde angebrochen und die Gebühr stieg von 4 auf 8 Zlotty. Wie konnte ich daran nicht denken! Und ich hatte noch genau: 7,65 Zlotty.

Automaten, die kein Geld ausspucken

Verzweifelt ging ich wieder hoch in das Café und zu der Dame, die mich gerade so freundlich bedient hatte. Ob sie vielleicht Euro in Zlotty wechseln könnte oder ich noch einen Kaffee bestelle, den in Euro bezahle und sie mir Zlotty rausgibt? Nein, Entschuldigung, das könne sie leider nicht. Also zurück zu Wechselstube Nummer 2, aber die hatte mittlerweile geschlossen… Gegenüber fand ich noch einen Geldautomaten, steckte meine Kreditkarte dort ein, wählte den Mindestbetrag, 50 Zlotty, und bekam – nur meine Karte zurück. Geld spuckte der Automat keins aus.

Taumelnd vor Ärger über Bargeld und mich selbst landete ich schließlich in einem Hotel, das auch Geldwechsel zu einem wahrlich schlechten Kurs anbot. Aber das war mir mittlerweile egal. Ich fragte den Portier, ob er auch Münzen…? Nein, Entschuldigung, sagte der, nur Scheine möglich. Der kleinste Schein, den ich noch hatte, war ein 20-Euro-Schein. Na spitze!

Kurz gesagt: Damit kam ich schließlich endlich – für mittlerweile 12 Zlotty – aus dem Parkhaus heraus. Dass zwei Stunden später, kurz vor der Grenze, mein Wagen noch liegen blieb und der Abschleppdienst mich erst fünf Stunden später befreite, machte den Tag „perfekt“. Aber das kann ich kaum dem Bargeld anlasten.

Oder?

Fazit

Und die Moral von der Geschicht: der Deutsche liebt zwar Kreditkarten nicht. Aber könnte man überall mit ihnen bezahlen, hätte mir das an diesem Tag einiges an Ärger erspart. Was ich – bei allen berechtigten Sicherheitsbedenken – am kontaktlosen Bezahlen so mag, ist, dass es Währungen für Reisende praktisch überflüssig macht. Man braucht nicht einmal den Euro dafür, den viele Länder ja aus berechtigten Gründen nicht eingeführt haben. Das Zahlen ohne Bargeld würde viele Dinge vereinfachen. Und die Welt spricht praktisch eine Sprache.

Ja, es wäre die Sprache zweier Großkonzerne (Mastercard und Visa) und es würde wahrscheinlich Komfort über Sicherheit stellen und das ist bei Geldgeschäften immer etwas heikel. Wobei die Grenze des kontaktlosen Bezahlens auf 25 Euro pro Transaktion festgelegt ist. Und geht es nicht darum eigentlich immer beim Thema Technik? Dass sie unseren Komfort steigert? Ich zumindest würde mir wünschen, dass man fast überall mit einem praktischen Zahlungsmittel bezahlen kann. Völlig ohne Bargeld.

In seiner Serie Mobile Office berichtet Trendblog-Redaktionsleiter Jürgen Vielmeier über seine Reise durch Nordeuropa, in der er vom Auto aus arbeitet. Dabei wurde er unter anderem zum Fan der EU-Kommission und des schwedischen Telia-Netzes.

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5 Kommentare zu “Das passierte, als ich versuchte, ein Land ohne das dortige Bargeld zu bereisen

  1. Moin! Es liest sich wie eine Einleitung zu einem Krimi 🙂

    Die ca. gleichen Erfahrungen mit Polen habe ich auch gemacht, in Russland und Belarus teilweise ähnlich, aber oft erst nach Querung der Stadtgrenzen.
    Habe immer eine Master- und Visa-Karte dabei, das hilft ab und an, und zur Not auch noch etwas Bargeld, was auch für Trinkgeld ganz gut ist.
    Bezüglich Automaten die das Geld behalten, beobachte mal in den nächsten Tagen die Kreditkartenbewegungen, hatte auf dem Feld auch schon meine Erfahrungen.

    1. Danke, Boris!

      Oha, das klingt nicht, als hättest du gute Erfahrungen damit gemacht… Ich behalte es im Auge und hoffe, dass jetzt noch was Geld auf dem Konto ist. 😉 Und ja, bisschen Bargeld werde ich beim nächsten Mal dabei haben. Schönen Sonntag!

  2. Ich zahle generell wo immer möglich nur bar. Karten habe ich nur zum Geld-Abheben dabei.

    Diese Art von „Komfort“, mit der ich völlig gläsern bin, brauche ich nicht und will ich auch garnicht.

    1. Das kann ich gut nachvollziehen. Was mich wundert, ist, dass man das anscheinend nur in Deutschland so kritisch sieht. In anderen Ländern überhaupt nicht. Warum? Die Leute dort sind doch auch nicht doof und wir hier eigentlich auch nicht übervorsichtig. Einfach seltsam.

      Nach meinen Erfahrungen seit der Rückkehr stellt sich das Problem hier übrigens gar nicht. Du kannst in Deutschland in kleinen Läden fast nirgendwo mit Kreditkarte bezahlen…

    2. Ich glaube schon, dass dem Deutschen immer viel erzählt wird (von seiner Hausbank, die die teuren Filialen mit der Bargeldhandhabung rechtfertigt, von jammernden Händlern mit Uralt-Bankverträgen sowie von Gastronomen, die lieber bar am Finanzamt vorbei wirtschaften, als per Kontoauszug transparent zu werden).

      Der Deutsche an und für sich ist aber auch sehr geduldig und tendiert schon zur Übervorsichtigkeit, was man an den Debatten der Neunziger und Nuller um Killerspiele und Mobilfunk sieht. Er lässt sich viel erzählen, was man in Nachbarstaaten so nicht wahrnimmt.

      Aber Münzen zählen ist heute mitnichten billiger als Bankkarten nehmen, und Kundenservice steht kleinen Händlern genauso gut wie großen!

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