PlayStation VR im Test: Sonys toller Einstieg in Virtual Reality trotz frustrierender Einrichtung

Die Sony PlayStation VR ist die erste VR-Brille für den Massenmarkt, die ein überwältigendes Eintauchen in virtuelle Welten verspricht. Wir haben das Zubehör für die PlayStation 4 ausprobiert. Und sind angetan. Aber einiges stellt noch nicht so recht zufrieden.

PlayStation VR im Test: Sonys toller Einstieg in Virtual Reality trotz frustrierender Einrichtung
Beeindruckt trotzdem. (Foto: Sven Wernicke)

Eines vorweg: PlayStation VR ist keine eigenständige Lösung, ihr benötigt immer eine PlayStation 4 – egal, ob es das erste Modell, die neue PS4 Slim oder die anstehende PS4 Pro ist. Die Konsole dient als Hardware-Basis, nimmt die Berechnungen vor und stellt die VR-Inhalte dar. PlayStation VR (PSVR) wiederum wird mit der PS4 und dem HDTV verbunden. Vorausgesetzt wird eine separat erhältliche PlayStation Camera (rund 60 Euro). Optional dagegen sind zwei Move Controller (zirka 80 Euro), die eine bessere Bedienung in VR-Welten versprechen. Allerdings unterstützen aktuell die wenigsten Spiele die Eingabegeräte, für den Anfang genügt also ein regulärer DualShock 4-Controller, den jeder PS4-Besitzer haben sollte.

Es kann losgehen. (Foto: Sven Wernicke)
Es kann losgehen. (Foto: Sven Wernicke)

Der Aufbau: Das macht keinen Spaß!

Ich selbst beschäftige mich seit Jahrzehnten mit Spielkonsolen bzw. Heimelektronik und denke, mich bestens auszukennen. Aber bisher habe ich kaum ein vergleichbares Chaos wie bei der PlayStation VR erlebt! Zahllose Kabel und Adapter liegen der Brille bei, die gefälligst richtig angeschlossen werden wollen. Herzstück ist die sogenannte Prozessoreinheit, die das HDMI-Signal der PS4 durchschleift und zur PSVR sowie den HDTV sendet. Sie übernimmt 3D-Soundberechnungen und benötigt zwei Anschlüsse für die Stromversorgung (Netzteil + USB zur PS4).

Es sind so viele „Strippen“ nötig, das Sony die Kabel sogar nummeriert und versucht, die Schritte in einer Anleitung halbwegs zu erklären. Mich ärgert dieses Konzept sehr, weil es auch erfahrene Nutzer zu Beginn frustriert. Und stellt euch das mal vor: Diese unzähligen Kabel, die riesige Box, die PlayStation Camera – all das muss zum Beispiel im Wohnzimmer hinterm Fernseher verstaut werden. Optimal ist das alles nicht.

Das sind die ausgehenden Kabel. Vorne gehen noch zwei rein, die wiederum an Adaptern hängen. (Foto: Sven Wernicke)
Das sind die ausgehenden Kabel. Vorne gehen noch zwei rein, die wiederum an Adaptern hängen. (Foto: Sven Wernicke)

Doch damit nicht genug: Die Prozessoreinheit verfügt über einen aktiven Lüfter und verzichtet auf einen Ein/Ausschalter. Diese zusätzliche Geräuschkulisse kann manche ernsthaft stören. Was euch ebenfalls klar sein sollte: Zwei dicke Kabel gehen von der PlayStation VR Richtung Konsole. Sitzt ihr über 4,4m vom Fernseher entfernt, benötigt ihr ggf. noch HDMI-Verlängerungskabel, um die PSVR überhaupt nutzen zu können.

Eine PS4 in Winzigformat? Nein, die Prozessoreinheit des PlayStation VR. (Foto: Sven Wernicke)
Eine PS4 in Winzigformat? Nein, die Prozessoreinheit der PlayStation VR. (Foto: Sven Wernicke)

Alles in allem stellt sich zu Beginn so etwas wie Ernüchterung ein. Und dezent dominiert das Gefühl, als wäre das alles nicht ausgereift. Wie schön könnte es sein, würde man eine schnurlose Lösung erhalten. Einfach Brille aufsetzen und los geht’s. So aber müsst ihr die PlayStation VR auch jedes Mal recht aufwändig aufsetzen und am Kopf justieren. Das Gewicht der Peripherie ist außerdem bei längerer Verwendung recht hoch.

Der erste Kontakt mit der PlayStation VR

Anderseits muss man sagen: Sony gab sich viel Mühe, um Käufer nach dieser zugegeben ziemlich suboptimalen Hürde zu entschädigen. Nach der ersten Einrichtung, bei der PlayStation VR und die Kamera angepasst werden, geht’s schon los. Plötzlich erstrahlt das gewohnte PlayStation 4-Hauptmenü auf einer riesigen, virtuellen „Leinwand“.

Dieser Kinomodus der PlayStation VR eignet sich grundsätzlich auch zum Schauen von Videos oder Spielen gewöhnlicher PS4-Games, was sinnvoll ist, wenn ihr sonst nur einen kleinen HDTV verwendet. Erstaunlich ist der 5,7 Zoll große Bildschirm, der in der Brille verbaut ist. Dieser nutzt RGB-Subpixel und sorgt dafür, dass es zu einem kaum sichtbaren Pixel- bzw. Fliegengitter-Muster beim Betrachten der Inhalte kommt. Kein Vergleich zu Gear VR oder Google Cardboard – wow!

Die Kamera braucht ihr unbedingt. Die Move-Controller nicht. (Foto: Sven Wernicke)
Die Kamera braucht ihr unbedingt. Die Move-Controller nicht. (Foto: Sven Wernicke)

Als Käufer von PlayStation VR erhaltet ihr gratis eine Demo-Blu-ray sowie „PlayRoom VR“ aus dem PlayStation Store. Auf der Disk finden sich kurze Appetithäppchen, die einen Einblick auf die Vollversion von „PlayStation VR Worlds“ geben. Unterwasser-Szenario, Railgun-Schießerei, etwas SciFi-Action – sehr nett und schon ausreichend, um „VR Worlds“ kaufen zu wollen. Das lohnt sich, so ganz nebenbei gesagt.

PlayStation VR rangiert deutlich über der Samsung Gear VR

Einsteiger sollten aber zuerst einen Blick auf „Playroom VR“ werfen. Diese Minispiele-Sammlung ist perfekt für Partys geeignet, denn gespielt wird mit Freunden. Einer trägt dabei immer die PlayStation VR, die anderen schauen auf den HDTV und beeinflussen das Geschehen. „Playroom VR“ ist übrigens die aktuell einzige sinnvolle Anwendung, die die Prozessoreinheit rechtfertigt. Sonst wird der eingeschaltete Fernseher nie benötigt. Höchstens für Zuschauer.

Lautstärkeregler und Einschalter für die Brille. Die mitgelieferten Kopfhörer sind mies. (Foto: Sony)
Lautstärkeregler und Einschalter für die Brille. Die mitgelieferten Kopfhörer sind mies. (Foto: Sony)

Solltet ihr vorher nie in Kontakt mit Virtual Reality gekommen sein oder höchstens mal eine Google Cardboard ausprobiert haben, dürftet ihr aus dem Stauen nicht herauskommen. Ernsthaft. Dank des qualitativ echt guten Displays und der 100-Grad-Sichtweite der PlayStation VR entsteht ein stimmiges „Immersion“-Gefühl, das bei den richtigen Spielen beeindruckt. Schaut euch um, interagiert mit den Umgebungen und nehmt in Panzern, Mech-Robotern oder Autos Platz. Stellenweise wird euch der Controller, den ihr in den Händen haltet, sogar virtuell eingeblendet. Es ist immer wieder imposant zu sehen, wie gut das alles klappt.

Gute Auswahl an Spielen für die PlayStation VR

Ich hatte die Gelegenheit, einige der aktuellen VR-Toptitel für die PlayStation VR unter die Lupe zu nehmen. Sicherlich sind Geschmäcker verschieden, einen teils hervorragenden Eindruck von „der VR-Zukunft“ erhaltet ihr meiner Auffassung nach mit besagtem „PlayStation VR Worlds“. Speziell London Heist ist eine schöne Mischung aus interessantem Storytelling und Railshooter in einem Gangster-Szenario. Aber auch die anderen Spiele auf der Disk (bzw. nach Download) sind mehr als eine Techdemo.

Leider wurde mir beim Fahren etwas übel, trotzdem ist „Driveclub VR“ klasse. Die Grafik wurde gegenüber dem klassischen 2D-„Driveclub“ abgespeckt, das tut der Atmosphäre keinen Abbruch. Ganz im Gegenteil. Dass ihr bei der Rennsimulation direkt im Cockpit sitzen und euch frei umschauen könnt, ist überwältigend. Nur eben die schnellen Bewegungen beim Gucken erzeugen Bauchweh. Vorsicht ist also geboten. „Motion Sickness“ spürt ihr bei ein paar Spielen, was ich auf die Programmierung schiebe. Denn es ist die Herausforderung der Entwickler, sich diesem technisch bedingten bzw. menschlichen Problem zu widmen. Zumindest theoretisch schafft die PlayStation VR Bildwiederholraten von bis zu 120fps bei einer Verzögerung von weniger als 20ms. Das sind gute Werte.

„Rigs“ und „Battlezone“ sind zwar grafisch sehr unterschiedlich, dafür aber konzeptionell relativ ähnlich. Hier steuert ihr Mechs bzw. Panzer. Action, spektakulär inszenierte Kämpfe, Online-Duelle – spaßig und teils richtig schick. Visuell getoppt wird das höchstens von „EVE: Valkyrie“, der actionreichen Weltraum-Knallerei. Die bietet vielleicht weniger Highlights, ist aber schön anzusehen und spielt ihre Stärken beim „Mittendrin“-Gefühl der PlayStation VR verdammt gut aus.

Ist dies das Robocop-Visier? (Foto: Sven Wernicke)
Ist dies das Robocop-Visier? (Foto: Sven Wernicke)

Wer Move-Controller besitzt, sollte sich den verrückten Job Simulator unbedingt zu Gemüte führen. Mein persönliches Highlight ist „Until Dawn: Rush of Blood“. Bei dieser gruseligen Achterbahnfahrt erwartet euch ein heftiger Horror-Railshooter für Erwachsene. Eine absurde Geschichte gibt’s noch obendrauf. Trotz der kurzen Spielzeit möchte ich euch den Titel ans Herz legen. Gänsehaut garantiert.

Ladet euch aus dem PSN noch die Trickfilme Allumette und „Invasion!“ – die kosten nichts und sind feine Unterhaltung. So oder so muss man das Sony echt lassen: Die Launch-Titel zeigen, was in der PlayStation VR steckt. Und bis zum Ende des Jahres sollen weitere Spiele folgen – auch für den kleinen Geldbeutel. Im PlayStation Store bekommt ihr schon eine facettenreiche Auswahl, auch ein paar Demos sind erhältlich. Zum Beispiel den „Resident Evil 7“-Ableger „Kitchen“. Der ist allerdings recht lahm.

An die Grenzen der PlayStation VR

Ja, ich bin schon sehr von der PlayStation VR angetan. Konzeptionell geht das eine Ecke weiter als die Samsung Gear VR, eben weil die PlayStation 4 sehr viel leistungsfähiger ist und entsprechende Welten „generieren“ kann. Trotzdem bemerkt ihr früher oder später die technischen Grenzen – abseits der lästigen Kabelei. Das Tracking der Position des Spielers (bzw. seines Kopfes) ist nicht immer präzise.

Häufig ändert sich die Bildperspektive oder der Controller wird im Spiel ständig wackelnd angezeigt. In den Systemeinstellungen könnt ihr Feintuning vornehmen oder durch das Drücken der OPTIONS-Taste die Sicht korrigieren – perfekt ist das jedoch nie. Spätestens hier offenbaren sich eben die Makel der ersten Hardware-Generation. Vielleicht werden Firmware-Updates einige Fehler der PlayStation VR beseitigen? Ich hoffe es sehr.

Vergleich mit Samsungs Gear VR. (Foto: Sven Wernicke)
Vergleich mit Samsungs Gear VR. (Foto: Sven Wernicke)

Dass die PS4 bei VR an ihre Limits kommt, bemerkt ihr zum Glück in den seltensten Fällen. Für mehr visuelle Effekte braucht es perspektivisch zweifelsohne zusätzliche Hardware-Power. Nicht ohne Grund steht ja die PlayStation 4 Pro an.

Fazit: Nur eine Spielerei?

Die PlayStation VR als Spielerei abzutun – das wäre wohl unpassend. Klar geht’s bei der Brille in erster Linie ums Spielen und um Entertainment, dennoch erhalten Käufer hier ein starkes Stück Technik, das beeindruckt. Makel und Schwächen offenbaren sich mit der Dauer der Verwendung, es überwiegt dennoch der „Wow“-Eindruck und das positive Gefühl.

Ich hoffe, dass Sony und andere Entwickler für ausreichend Software-Nachschub sorgen, sodass man die Brille regelmäßig verwenden möchte. Denn ohne Spiele sinkt der Mehrwert gravierend – trotz des Kinomodus‘ für herkömmliche Spiele und Filme. Sinnvoll wäre es, würde die Youtube-App für PS4 und PlayStation VR bald 360-Grad-Inhalte unterstützen. Auch das würde den Nutzen der nicht ganz günstigen Brille steigern.

Sony achtete auf wertige Komponenten. (Foto: Sven Wernicke)
Sony achtete auf wertige Komponenten. (Foto: Sven Wernicke)

Kann ich die PlayStation VR empfehlen? Ja, schon. Ihr steht auf neue Technologien, seht euch als Early Adopter und Spieler? Worauf wartet ihr noch! Skeptikern rate ich, sich noch etwas zu gedulden. Denn wenn das Software-Angebot in einem halben Jahr verebben sollte, wäre die PSVR am Schluss doch nur ein Spielzeug für das Weihnachtsgeschäft 2016 gewesen, das den VR-Hype bedient hat.

Ich drücke die Daumen, dass da noch mehr kommt. Und gegen eine PlayStation VR 2.0 Ende 2017 mit Wireless-Headset hätte ich echt nichts. Das ist vermutlich nach derzeitigem Stand der Technik leider eine Träumerei…

Alles über den Einstieg in Virtual Reality erfahrt in unserem Special.

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