Deutsche TV-Serien: Geht doch!

Auch das ist Deutschland: Neues wagt man nicht einmal dann, wenn es anderswo schon funktioniert. Nun könnten ausgerechnet zwei deutsche TV-Serien den Durchbruch geschafft haben, die international eigentlich keine Rolle spielen dürften.

Deutsche TV-Serien: Geht doch!

Im Nachhinein wundere ich mich, dass ich überhaupt so lange dabei geblieben bin: „Charité“, die am Dienstag in der ARD gestartete historische deutsche Krankenhaus-TV-Serie, törnt den Genießer internationaler Serien gleich am Anfang ab: Junge Frau mit Blinddarmentzündung wird von charismatischem Assistenzarzt gerettet. Krankenschwestern leiden unter der Fuchtel einer herrischen Mutter Oberin. Die notwendige Blinddarm-OP vor versammelter Studentenschaft läuft völlig unblutig ab. Wer also auf ein deutsches „The Knick“ und dessen dortige charakteristische Eingangsszene gehofft hatte, dürfte enttäuscht worden sein.

Denn das wird in diesen ersten fünf Minuten schon klar: Eine internationale Erfolgsserie kann „Charité“ nicht werden. Dafür fehlt der Serie Tiefgang, dafür ist die Inszenierung zu nah am üblichen ARD-Vorabendprogramm. Dafür fehlte wahrscheinlich auch das Geld. Trotzdem bleibt man dran, wenn plötzlich Figuren wie Robert Koch durch das Bild huschen. Denn der Durchschnittszuschauer freut sich: den Namen kenne ich doch von der gleichnamigen Straße im Industriegebiet. Endlich findet man mal raus, wer das eigentlich war.

Die zweiten Staffeln sind schon in Planung

Die deutsche TV-Serie „You are wanted“ von und mit Matthias Schweighöfer hatte auf den ersten Blick mehr Geld zur Verfügung. Zumindest sieht es so aus: Hochwertige, spannende Inszenierung, jedes Bild wirkt kinoreif, nichts mit Vorabendprogramm. Dann aber wundert man sich über Details. Die Darstellung, wie dem Hauptcharakter seine digitale Identität geraubt wird, kommt schlicht nicht überzeugend rüber. WhatsApp wird hier mehr schlecht als recht durch einen fiktiven Messenger ersetzt, Windows durch ein Betriebssystem namens „System“. Computerfreaks hängen in dunklen Kellerlöchern ab, der gesuchte Meisterhacker wird nicht gefunden, er findet dich. Zu viel Klischee also.

Und doch sind beide deutsche TV-Serien zum jetzigen Zeitpunkt ein Erfolg. Die ARD erlebte einen wahren Quotentraum mit den ersten beiden Folgen der „Charité“ am Dienstag. Dass die ersten drei Folgen des Sechsteilers vorab ins Netz gestellt wurden, dürfte der Sache nicht abträglich gewesen sein. Und Amazon Video, wo „You are wanted“ exklusiv läuft, lobte die Serie als die erfolgreichste des Angebots in Deutschland am vergangenen Wochenende. Beide Anbieter arbeiten schon an der nächsten Staffel.

Ja, die Leute wollen es!

Und am Ende dieser ersten Frühlingswoche 2017 steht also die Erkenntnis: Na bitte! Geht doch! Die Leute wollen deutsche TV-Serien. Und den Erfolg brachten letztendlich diese beiden gänzlich unperfekten Formate. Erfolgsgarantien gibt es nicht, aber es zeigt doch, dass man das ruhig mal ausprobieren kann.

Am Montag startet im ZDF der Spionage-Dreiteiler „Der gleiche Himmel“ mit Tom Schilling. Das ZDF spricht vorsichtshalber erst einmal von einem „dreiteiligen Fernsehfilm“, denn sowas lief in der Vergangenheit meistens besser. Es sollte irgendwann so weit sein, dass man sich auch bei den Sendern traut, „Serie“ zu so etwas zu sagen. Dass man dann vielleicht sogar stolz darauf ist. Aber angesichts der ersten Erfolge deutscher TV-Serien in diesem Frühjahr bin ich da einmal vorsichtig optimistisch.

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Beitragsbild: ARD, Nik Konietzny

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