Hin und wieder wundere ich mich, was manch ein erklärter Branchenexperte so erwartet und in andere Nachrichten hineininterpretiert. „Das schleichende Ende der Fernbedienung“ titelte die FAZ vergangene Woche auf Basis eines dpa-Textes. Zumindest ein Auslaufmodell sei sie, liest man bei der „Schwabenpost“. Aber ein Ende? Der Fernbedienung? Da ziehen diese Experten aber die falschen Schlüsse.
Eine Sprachsteuerung ist mitnichten immer der einfachste Weg
„Die Fernbedienung wird langsam aber sicher vom deutschen Couchtisch verschwinden“, zitiert die dpa Christopher Meinecke, Leiter Digitale Transformation beim Hightechverband Bitkom. Ersetzt werden würde sie durch Sprachsteuerung. Und warum? Weil diese sich bei der Smarthome-Steuerung immer weiter durchsetze und 8,7 Millionen Deutsche bereits einen Sprachassistenten verwendeten. Meinecke laut dpa weiter:
„Ich glaube, in einigen Jahren werden wir zurück schauen und darüber lachen, dass Geräte ohne Sprachsteuerung verkauft wurden und der Couchtisch voll mit Fernbedienungen lag.“
Ich glaube das nicht. Aus dem ganz einfachen Grund, dass Fernbedienungen in vielen Fällen immer noch praktischer sind als Sprachsteuerungen. Und bleiben werden. Zum Zurückspulen, zappen, Lauter-Leiser-Stellen, Pausieren drücke ich eine Taste und muss nicht erst langwierige Befehle einsprechen. Ein Vergleich:
„Alexa, bitte stelle die Lautstärke am Fernseher um 10 Prozent höher! Hmm, doch zu laut. Alexa, bitte verringere die Lautstärke am Fernseher um 5 Prozent!“
vs.
Klick. Klick.
In der dpa-Meldung kommt ferner ein Panasonic-Mitarbeiter zu Wort. Fernbedienungen seien eigentlich schon jetzt nicht mehr notwendig, weil Fernseher und Stereoanlage heute mit einer einzelnen App gesteuert werden könnten. Schön und gut auch, dass das im Notfall geht. Aber ein Smartphone als Ersatz für eine Fernbedienung? Keine schöne Idee. Auch hier ein Vergleich:
Smartphone aufwecken, entsperren, passenden Bildschirm mit der App suchen, aufrufen, lauter oder leiser stellen, Handy wieder ins Standby schalten.
vs.
Klick.
Nicht alles braucht eine Fernbedienung, Chance für Sprachsteuerung
Die meisten Smarthome-Anwendungen werden heute mit dem Smartphone und danach einem Sprachassistenten gesteuert, sagt die betreffende Studie von Bitkom und dem Marktforscher Deloitte. Das liegt aber daran, dass viele Smarthome-Anwendungen speziell für eine Anwendung mit dem iPhone und Apple HomeKit oder einem Android-Gerät und Google Home konzipiert sind.
Meiner Mini-Wetterstation Elgato Eve Degree etwa lag gar nicht erst eine Fernbedienung bei. Notwendig ist diese auch nicht zwingend. Per App richtet man den Sensor ein und überwacht danach auf dem iPhone Temperatur- und Luftdruckkurven.
Alexa in immer mehr Produkten: In Zukunft geht’s nicht mehr ohne Sprachassistentin
Kollege Sven Wernicke trug kürzlich zusammen, dass man über 1.000 verschiedene Smarthome-Lösungen allein mit dem Google Assistant vom Smartphone aus steuern kann. Es geht. Aber lässt sich auch jede Anwendung per Assistent einfacher bedienen als mit einer Fernbedienung? Nein.
Für mein Badezimmer habe ich mir kürzlich zwei Smarthome-Produkte angeschafft. Einen Google Home Mini, der mittlerweile das Radio ersetzt. Morgens komme ich schlaftrunken ins Bad getorkelt und nuschele, das Gerät möge bitte meinen Standard-Radiosender abspielen. Meistens ist die Lautstärke da gerade falsch eingestellt, aber ich tippe lieber auf das Gerät und stelle es damit leiser, was viel leichter geht, als den Befehl dazu sprechen zu müssen.
Es bleibt dabei: Was einfacher ist, setzt sich durch
Ein Ikea Trådfri mit drei verschiedenen Lichttemperaturen und verschiedenen Helligkeitsstufen ersetzt seit einigen Monaten mein Badezimmerlicht. Gleichwohl schalte ich es immer erst mit dem Lichtschalter ein oder aus. Fürs Dimmen oder ein rötlicheres Licht – zum Beispiel auf dem Weg in die Badewanne – freue ich mich über die praktische, mitgelieferte Fernbedienung. All das mit einem Smartphone oder per Sprache steuern? Vorstellbar, aber sicherlich nicht einfacher.
Der Mensch geht immer den Weg des geringsten Widerstands. Und das ist eben sehr oft doch der Weg mit einer Fernbedienung.
Sprache, Touchscreen oder Tasten: Wer steuert die smarte Zukunft am besten?
Wovon ich indes überzeugt bin: Die Fernbedienung an sich wird sich weiter verändern. Es geht weg von den klobigen 100-Tasten-Monstern hin zu den übersichtlichen, aufgeräumten Einfach-Fernbedienungen eines Apple TV oder Amazon Fire TV:
Keine Updates mehr für den schlauen Lautsprecher – und dann?
Und dann wäre noch etwas, was gegen einen Homerun von Sprachsteuerungen spricht. Ja, 8,7 Millionen Geräte in Deutschland – also im Schnitt auf jeden zehnten Bundesbürger eins – ist ein ordentlicher Erfolg. Man wird dennoch wohl nie einen derartigen Durchbruch damit erleben wie mit dem Smartphone. Ein Smartphone ist mittlerweile Notwendigkeit, es ist begehrt. Vor einem Sprachassistenten haben sehr viele Menschen noch Bedenken.
Der Chaos Computer Club (CCC) warnt außerdem noch vor einem ganz anderen Problem: Smarte Lautsprecher sind von Software abhängig, die nicht endlos Updates erhalten wird. Alle drei Jahre für viel Geld eine neue Soundbar oder ein ganz Surroundsystem kaufen, weil der Hersteller das Gerät nicht mehr unterstützt: Wer hätte darauf Lust?
Von daher: Lasst euch nicht alles erzählen! Fernbedienungen wird es auch in 20 Jahren noch geben. Einfach, weil sie in vielen Lebensbereichen eben die praktischste Wahl sind. Egal, was sogenannte Experten euch sagen.
Beitragsbild: Ron Porter
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So eine schönes Smarthome könnte ich mir auch vorstellen, schließlich in individuell bedienbares Licht eine gute Sache. Ich hatte mal einen Kumpel, der hatte so etwas zu hause und es war wirklich sehr cool. Er konnte seinen ganzen Raum anders beleuchten mit nur einer App.