Datenfreund Marco Maas im Interview: „Technik sollte für uns arbeiten“

Marco Maas liebt Daten. Im Interview erklärt er uns, warum die Datenzukunft rosig werden kann und warum die großen Datensammler wie Google und Facebook sich auf uns zu bewegen werden.

Datenfreund Marco Maas im Interview: „Technik sollte für uns arbeiten“
Marco Maas

Marco, die Daten in die eigenen Hände nehmen statt sie Großkonzernen zu überlassen. Ist es dafür nicht eigentlich schon zu spät?

Das sehe ich etwas differenziert. Ich glaube, wir können die Anbieter von Dienstleistungen, zum Beispiel Google, Amazon oder Apple als Helfer für uns sehen. Inhalteanbieter können diese Wege nutzen, um die Kommunikation mit dem Nutzer wieder aufzunehmen. Motto: Ich setze meinen Angelhaken und vertraue darauf, dass er schon den Weg zum Fisch findet.

Was heißt das konkret?

Das Szenario ist radikal nutzerorientiert. Wichtig ist zu erkennen, was dem Nutzer gerade in diesem Moment wichtig ist. Es geht um die konkrete Nutzung des Targetings, Also nicht mehr dass ich nur wissen oder selber herausfinden muss, ob mein Nutzer 18-24 Jahre alt und an Fußball interessiert ist, sondern dass ich einen Inhalt habe, der für Fußballinteressierte relevant ist. Und zwar für Fußballinteressierte, die 30 Sekunden Zeit haben, gerade auf dem Smartphone unterwegs sind und die einen Kopfhörer eingestöpselt haben.

Für einen Nutzer bedeutet Targeting bislang vor allem: Werbung. Werde ich Möglichkeiten bekommen zu steuern, was ich sehen will?

Der Nutzer, der mit diesen Inhalten in Berührung kommt, kann schon jetzt gut einschränken, was er sieht und was er nicht sieht. Ein Smartphone kann etliche Informationen aufzeichnen und mitsenden, und ich als Nutzer habe die Möglichkeit, gewisse Dinge zu unterbinden oder auch nicht. Die meisten Nutzer lassen alles zu, aber prinzipiell kann jeder die Dinge anpassen oder es lassen. Es ist aktuell nur noch sehr aufwändig.

Auf neueren Versionen mobiler Betriebssysteme ist es mittlerweile möglich, einzelnen Datenerhebungen mancher Apps zu widersprechen, aber dann funktioniert mitunter die App nicht mehr.

Das ist nicht ideal, aber es ist ein Verhandlungsprozess, der da gerade stattfindet, zwischen mir und den Leuten, die bisher unfassbar viel von mir wissen wollten ohne dass sie es mir gesagt hatten. Dieser Prozess muss stattfinden und dann müssen sich Anbieter und Nutzer überlegen, was denn ein fairer Umgang mit Nutzungsdaten, Inhalten und Services wäre.

„Es muss nicht schlecht sein, sich einem Cloud-Anbieter hinzugeben“

Oft ist es ein wenig Friss-oder-stirb-Mentalität. Google kauft Fitbit, und ich habe jetzt nur die Möglichkeit, meine Daten zu löschen, damit Google sie nicht bekommt. Aber dann kann ich meine teure Smartwatch nicht mehr uneingeschränkt nutzen.

Die Frage ist in dem Falle: Möchte ich Datenschutz oder Transparenz? Das ist ein Unterschied, der in Zukunft noch wichtig wird. Es muss ja nicht schlecht sein, sich einem Cloud-Anbieter hinzugeben. Heute verwendet jede Nachrichtenwebsite Datensilos, und der Nutzer wird in keinster Art und Weise darüber informiert, was da mit seinen Daten passiert. Wenn jetzt ein Apple oder ein Google sagen: Passt mal auf: Wir lassen keine Tracker zu und wir sorgen dafür, dass dein Nutzungserlebnis uneingeschränkt so ist, dass deine Daten bei uns bleiben. Dann könnte das auch ein Weg sein, der gut ist.

Das Optimum wäre natürlich: Ich habe die Daten alle bei mir und authentifiziere mich gegenüber einem Service mit einer irgendwie gestalteten Wallet, die einmal nutzungsbasiert der Shoppingseite meine Daten übergibt, aber sie danach glaubhaft auch wieder vergisst.

Auch dafür bräuchte ich einen Anbieter, dem ich voll und ganz vertrauen kann.

Genau, und die Frage ist: Kann das ein Google sein? Hier bin ich tatsächlich großer Anhänger der DSGVO: Wenn man die Großen entsprechend haftbar und verantwortbar macht, dann bewegen sie sich auch.

Marco Maas (rechts) auf einer Podiumsdiskussion über Daten
Marco Maas (rechts) auf einer Podiumsdiskussion

Meine persönliche Horrorvorstellung ist, dass meine Krankenkasse irgendwann sagen wird: Du hast dich das letzte Jahr zu wenig bewegt, wir zahlen deine Behandlung nicht. Was können wir tun, um dieses Szenario noch abzuwenden?

Ich glaube, es wird anders ablaufen, als du es skizzierst. Gerade der Gesundheitsbereich ist streng reglementiert. Und wir müssen auch hier zusehen, dass die Technik für uns arbeitet. Es darf nur Vorteile bringen. Ich kann ja durchaus ein Interesse daran haben, meiner Krankenkasse nachzuweisen, dass ich sportlich bin, weil ich dann meinen nächsten Yoga-Kurs bezahlt bekomme. Wir müssen nur darauf achten, dass es nicht zur Verpflichtung und zum Zwang wird und es nicht zur Elitenbildung kommt, wo es sich nur die Reichen leisten können, ihre Daten nicht abzugeben.

„Apps sind ein sehr komplizierter Weg“

In den 2010er-Jahren ging es endlich los mit dem Traum vom vernetzten Haus und für immer mehr Sensoren, die unseren Alltag verschönern. Wie geht es in den 2020er Jahren damit weiter?

Ich bin ja jemand, der auch von Berufs wegen besonders vernetzt ist. Ich habe bei mir zuhause 180 vernetzte Geräte, benutze die verschiedenen Standards und sehe, wie schrecklich inkompatibel das alles ist. Die Lingua franca der Technik ist jetzt tatsächlich durch Alexa und Google entstanden. Momentan sind wir noch bei irgendwelchen Wenn-Dann-Konstruktionen wie: “Wenn es draußen unter 3 Grad ist, dann schalte die Heizung an”.

… woran es ja oft schon scheitert…

Nichts von dieser Technik ist aktuell schon abgehangen. Intelligent wäre: “Schalte die Heizung an, weil Marco jetzt im Raum ist und friert”. Aber davon sind wir leider noch weit entfernt. Was aber Positives passiert, ist, dass wir weg von der App gehen, hin zu Ambient Displays und zu Automatik. Wir betreten jetzt eine Phase, in der so viele Daten erhoben und analysiert werden können, dass Computer in der Lage sind, einfache Vorhersagen zu treffen. Also: Wenn ich heute um 1800 Uhr nach Hause komme und vor meiner Tür stehe, sollte das Schloss in der Lage sein, mir aufzusperren.

Es wird sich also nicht alles um mal mehr und mal weniger gut funktionierende Sprachassistenten drehen?

Genau. Meine These ist, dass das alles in Zukunft eher in Form eines Dialogs stattfindet. Die Sprachassistenz ist natürlich der erste logische Schritt. Aber im Grunde ist auch ein Smartphone, das hochgehoben wird, schon ein Dialog. Ich als Nutzer gebe dem Gerät damit einen Hinweis: Ich will etwas tun. Heute ist das in den meisten Fällen noch eine App – ein sehr komplizierter Weg.

Wenn ich jeden Morgen joggen gehe und die Kopfhörer verbinde, startet das iPhone automatisch die Jogging-Playlist. Wir sehen immer mehr solcher automatischer Abläufe für Technologien, die uns anbieten, was wir typischerweise wollen. Jeder Klick, jeder Schritt weniger hat sich evolutionär durchgesetzt.

„Der Nutzer ist Zentrum und König seiner Daten“

Wenn wir mal ein positives Bild malen: Werden wir Nutzer im Jahr 2030 die Hoheit über unsere Daten haben, und die Großkonzerne liefern uns zu unseren Bedingungen brav ihre Services?

Ich würde vielleicht eher eine Utopie bauen, nach der die Services von Großkonzernen vergesellschaftlicht sind. Google ist dann nicht mehr ein Unternehmen, das alle meine Daten speichert, sondern eins, das die Infrastruktur oder Server bereitstellt. Aber von uns als Gesellschaft verantwortlich genommen wird dafür, was damit passiert. Der Nutzer ist das Zentrum, und die Infrastruktur drumherum wird sich so umformen, dass er so ein bisschen der kleine König ist. Er kann sich auswählen, mit welchem Dienstleister er spielt. Langfristig werden die drei oder vier heutigen Superkonzerne in einer Verstaatlichung oder Vergesellschaftung enden.

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Das ist das, was sich die Politik schon heute wünscht.

Und es ist nicht unrealistisch. Auch ein Konzern, wenn er denn mal so groß ist wie ein Google oder Amazon, sieht irgendwann ein, dass er eine gesellschaftliche Aufgabe hat. Du kannst den kapitalistischen Gedanken nicht zu weit treiben.

Für dein vernetztes Zuhause: Wie sieht da das Jahr 2030 aus?

Ich glaube, man wird wesentlich weniger Technik sehen, als es jetzt noch der Fall ist. Man wird irgendetwas haben, was flacher, was kleiner ist. Und es muss nicht zwingend ein Display haben.

Marco Maas ist Datenjournalist, Speaker, Gründer und CEO der Datenfreunde GmbH. Als Berater und Dienstleister stellt sein Unternehmen unter anderem Skills für Alexa und Google Assistant bereit.

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3 Kommentare zu “Datenfreund Marco Maas im Interview: „Technik sollte für uns arbeiten“

  1. Moin, ehrlich gesagt glaube ich nicht an diese Version der Zukunft, die meisten Leute gehen so sorglos mit den Daten um, und sehen auch keinen Bedarf zur „Sparsamkeit“, dass die Konzerne sich entspannt zurück lehnen können. Und DSVOG funktioniert zu langsam, erst jetzt werden freundlich aufgebaute Steuerungen angeboten, aber immer noch nicht überall. Und die Industrie ist bereits viel weiter mit den Analysetools, Cookies sind nur ein Teilchen.
    Hier ist die Regulierung zu langsam und sperrig, und für die Konzerne besteht kein Anlass die Schätzen zu vergesellschaften..

    1. Google und Apple haben sich ja schon bewegt. Apple stellt sich sogar als der Datensaubermann hin. Und dabei ist Datensensitivität bisher noch gar nicht wirklich im Mainstream angekommen. Schauen wir mal, aber ich glaube, da geht schon was. 🙂

    2. Mal, sehen, aber ehrlich gesagt sind die ganzen Beteuerungen und „Bewegungen“ meiner Meinung nach nur Augenwischerei. Ich habe noch ein altes Blackberry PlayBook, der nicht mehr mit Updates versorgt wird, das hat zur Folge das im Browser die Zertifikatebanken alt sind und alle Seitenzertifikate auf allen Seiten als „nicht vertrauenswürdig“ eingestuft werden. Die „Nebenwirkung“ ist, dass man sehen kann was dort alles so aufläuft…, und Canvas und Pixelsetung sind da viiiiiel weiter. 🙁

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