Der Kapitan wird das Schiff verlassen: Steve Ballmer, schillernde Figur an der Spitze, wird den Chefposten bei Microsoft binnen eines Jahres räumen. Die Zeiten, in denen er das tut, könnten kaum turbulenter sein. Sein Nachfolger, der erst noch gefunden werden muss, wird es aus mehreren Gründen sehr schwer haben.
Zum einen sind die drei Cashcows des Unternehmens (Windows, Server, Office) ins Wanken geraten. Die wuchtige Revolution Windows 8 kommt nicht bei allen Nutzern gut an und ist bei vielen Hardware-Partnern unbeliebt. Windows RT hat sich als Flop entpuppt, der eigene Ausflug in die PC-Hardware mit den Surface-Tablets ist größtenteils misslungen. Und auch der Übergang zur mobilen Welt ist bisher keine Erfolgsgeschichte für den Software-Riesen.
Windows Phone dümpelt trotz massiver Marketing-Ausgaben bei einem Marktanteil von weniger als 4 Prozent (IDC) weit hinter Google und Apple. Die Office-Suite hat den Sprung in die Welt des Webs und der mobilen Apps noch nicht geschafft. Konkurrenz droht hier immer mehr von Google (Drive). Im Markt anerkannt, wenn auch finanziell nur leidlich erfolgreich ist die Spielekonsole Xbox mit der Gestensteuerung Kinect, von denen die Nachfolger bereits in den Startlöchern stehen. Die Suchmaschine Bing hat sich mittlerweile als zweite Wahl hinter Google etabliert, bleibt aber ein defizitäres Geschäft.
Ein Konzernchef, der schreiend über die Bühne hüpft
Ballmer hat diese Entwicklung zu verantworten, in der der Umsatz mittelfristig noch stimmt, in der aber fast jeder Versuch, neue Geschäftsfelder zu erschließen, von Turbulenzen und nicht selten von Misserfolg begleitet werden. Ein Nachfolger wird die Hausaufgaben erledigen müssen, um die sich Ballmer vor lauter Tagesgeschäft nicht kümmern konnte. Gerade die zaghafte Weiterentwicklung der eigentlichen Zukunft Windows Phone lässt darauf schließen, dass Microsoft derzeit an zu vielen Fronten zu kämpfen hat und sich dabei mit der holzhammerartigen Weiterentwicklung klassischer Produkte wie Windows 8 übernommen hat.
Ballmers Erfolg wird ähnlich zwiespältig in Erinnerung bleiben wie seine öffentlichen Auftritte. Legendär etwa, wie er auf einer Entwicklerkonferenz verschwitzt und in einfachen Worten Entwicklern eine Schlüselrolle für die Zukunft der IT prognostizierte (und damit Recht behielt) oder bei einer anderen Keynote völlig außer sich über die Bühne hüpfte. Andere Manager hätte ein solches Auftreten den Job gekostet, Microsoft-Kritiker schämten sich fremd und sahen ihre Ablehnung gerechtfertigt. Andere Beobachter zollten solchen Auftritten Respekt, weil da endlich einmal jemand an der Spitze eines Unternehmens stand, der der grauen IT-Welt ein paar Farbtupfer verlieh und dazu in der Lage war, sich selbst auf die Schippe zu nehmen.
http://www.youtube.com/watch?v=wvsboPUjrGc
Siege und Niederlagen halten sich die Waage
Zu Ballmers Erfolgen zählen die erfolgreiche Server-Software, der Betriebssystem-Dauerbrenner Windows XP und der solide, inoffizielle Nachfolger Windows 7. Seine größten Flops sind das ungeliebte System Windows Vista, der bei Webdesignern verhasste und dennoch weit verbreitete Browser Internet Explorer 6 und wohl auch Windows RT. Es ist noch zu früh zu bewerten, ob die Entscheidung, Millionen von Windows-Nutzern bei Windows 8 von der klassischen Taskleiste komplett auf ein Kachelsystem mit Gestensteuerung und Touch-Oberfläche umzuerziehen, nun besonders mutig oder schlicht leichtsinnig war. Derzeit scheinen sowohl ein Fiasko als auch ein später Erfolg noch möglich. Die abschließende Beurteilung wird Ballmer nicht mehr als Microsoft-Chef erleben.
Ähnlich wie sein Freund und Microsoft-Mitgründer Bill Gates wird Ballmer nicht nur gedanklich an Microsoft hängen bleiben, sondern auch seinen Einfluss am Unternehmen durch Beteiligungen weiterhin geltend machen. Ein Nachfolger wird also nicht nur in breite Fußstapfen treten, sondern auch zahlreiche Ratschläge aus vielen Richtungen vernehmen. Als einen geeigneten Kandidaten für die Nachfolge sehen viele Experten den ehemaligen Microsoft-Manager und derzeitigen Nokia-Chef Stephen Elop. Der hat sich bislang allerdings noch nicht zu den Gerüchten geäußert.
Ballmer ist zusammen mit Bill Gates und Paul Allen Mitgründer des Software-Giganten und seit dem Start von Microsoft vor 33 Jahren Teil des Führungsteams. Von Gates übernahm er den Chefposten im Januar 2000. Mag sein Abgang wirtschaftlich auch eine nachvollziehbare Entscheidung sein, wird die Showbühne, zu der die IT-Branche in den vergangenen Jahren geworden ist, einen ihrer großen Rockstars verlieren. Dieser Autor findet das zumindest ein bisschen schade.
Bild: Microsoft
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