Sprachassistenten im Auto: Es geht doch gar nicht mehr ohne!

Sprachassistenten im Auto sind die einzige vernünftige Lösung für unser modernes Kommunikationsverhalten. Dazu müssen die gängigen Systeme allerdings noch besser werden. Viel besser.

Sprachassistenten im Auto: Es geht doch gar nicht mehr ohne!
Apple CarPlay

„Tippen tötet“, heißt es in einer laufenden Kampagne der Landesverkehrswacht Niedersachsen, die seit einigen Jahren erfolgreich läuft. Auf Autobahnbrücken sind Transparente mit einer ebenso simplen wie einleuchtenden Botschaft angebracht:

Auto + SMS = 🙁

Ich begrüße solche Kampagnen, von denen es in anderen Bundesländern noch ähnliche gibt. Und doch stört mich etwas an ihnen. Aber der Reihe nach.

Tippen tötet
Tippen tötet

Zum einen ist es natürlich absolut richtig: Wer am Steuer sitzt, legt gefälligst das Smartphone aus der Hand! Denn kurz was nachschauen oder gar eine Kurznachricht tippen, ist schlicht unverantwortlich und hochgefährlich. Jeder, der schon einmal neben einem Fahrer saß, der schnell was nachgucken wollte, kann das bestätigen. Der Fahrer ist dann nicht mehr in der Lage, die Spur zu halten, und schon eine Sekunde Unaufmerksamkeit kann fatale Folgen haben.

Nicht kommunizieren ist keine Lösung

Die Antwort darauf ist bisher: Verbote und Strafen. So riskiert man eine Geldstrafe, Punkte in Flensburg oder im Wiederholungsfall ein Fahrverbot, wenn man mit dem Smartphone am Steuer erwischt wird. Solche Strafen sollen natürlich in erster Linie abschrecken und aufrütteln. Das ist ein richtiger erster Schritt.

Es löst aber das Problem nicht. Natürlich wäre es mal vernünftig, das Smartphone eine Weile wegzulegen, einfach mal kurzzeitig nicht erreichbar zu sein. Allerdings verwenden viele Autofahrer das Smartphone am Steuer ja nicht aus Spaß:

  • Das Smartphone dient immer mehr Menschen als Navi, zum Beispiel mit Apps wie Google Maps, Apple Maps oder Here We Go. Und leider arbeiten diese Apps noch nicht perfekt, wie ich kürzlich in einem Test mit Google Maps als Navi feststellte. Sie fordern leider immer noch von Zeit zu Zeit Aufmerksamkeit vom Fahrer.
  • Das Smartphone kann auch als Jukebox dienen. Der Trend geht eindeutig hin zu Musikstreaming via Spotify, Deezer, Apple Music und Co. Leider ist auch die Spotify-App für Android oder iOS nicht perfekt autotauglich programmiert. Hin und wieder muss man aufs Display schauen und umständlich etwas auswählen.
  • Dann dient das Kommunizieren mit anderen Menschen während der Fahrt ja nicht nur der Belustigung. Die Lieben zuhause wollen wissen, wann man gut ankommt. Derjenige, der besucht wird, möchte wissen, ob man sich verspätet. Nicht unbedingt logisch, nur dafür auf den nächsten Rastplatz zu fahren, eine WhatsApp abzuschicken, die Antwort abzuwarten und sich dadurch noch weiter zu verspäten, oder?
  • Und nicht zuletzt ist auch das Problem einer Unterforderung auf langen, eintönigen Autobahnfahrten nicht zu unterschätzen. Der Fahrer kann unaufmerksam werden, einnicken. Besser, sein Geist wird ein wenig gefordert.

Vielleicht sollte man es auch einmal von der anderen Seite betrachten: Was wäre alles möglich, wenn man die Vielfalt eines Smartphones im Auto nutzen könnte! Wir könnten mit Shazam den Song erkennen lassen, der uns gerade im Radio gefällt. Die ADAC-Camping-App könnte den nächstmöglichen Campingplatz mit den besten Bewertungen heraussuchen, wir mit der Telefon-App gleich dort anrufen. Google könnte den Speiseplan der nächsten Raststätte heraussuchen, das Mailprogramm dringende E-Mails für die Arbeit vorlesen und beantworten.

Zu kaum einer anderen Gelegenheit wie beim Autofahren hat man im Grunde so viel Freizeit. Weil man sie nicht nutzen kann, bedeutet das heute eher Totzeit.

Sprachassistenten zu sehr mit sich selbst beschäftigt

Die Lösung dafür liegt im Grunde auf der Hand: Sprachassistenten im Auto. Alles, von der Zieleingabe beim Navi, zum Vorlesen der neuesten Nachrichten, bis hin zum Skippen des aktuellen Songs könnte per Sprachbefehl gesteuert werden.

Dazu allerdings müssten die heute gängigen Sprachsteuerungen noch viel viel besser werden. Denn die Systeme sind fehlerbehaftet, unberechenbar und vielfach leider auch noch mit sich selbst beschäftigt. Nur ein paar Beispiele aus der Praxis:

  • Auf dem Galaxy S9+, das ich gerade teste, kann ich den Google Assistenten zwar aufrufen und zum Beispiel einen 15-Minuten-Timer starten, ohne das Gerät zu entsperren. Den Timer per Sprachsteuerung wieder zu beenden, geht allerdings regelmäßig schief. Selbst das Display friert dabei manchmal ein und ich muss wild darauf herumwischen, bis das Piepen stoppt. Man stelle sich das Manöver am Steuer eines Autos vor!
  • Samsungs eigener Sprachassistent Bixby spricht nach wie vor kein Deutsch. Ich kann mir also etwa WhatsApp-Nachrichten nur auf Englisch vorlesen lassen (was zumindest hin und wieder zum Johlen komisch ist). Selbst damit Nachrichten verfassen geht natürlich nicht.
  • Apples Siri ist nach wie vor für die allermeisten Drittanwendungen gesperrt. Was nützt es mir, wenn ich dringend eine Telegram-Nachricht verschicken muss, aber nur iMessage nutzen kann?
  • Und wer einmal versucht hat, mit Alexa oder Google Assistant den richtigen Song auf Spotify zu finden, der weiß, dass das noch weit von einer Marktreife entfernt ist. Viel zu oft kommen da noch falsche Titel oder Alben bei heraus oder die Suche stellt sich dumm.
Android Auto: Der Google Assistent schaltet sich ein – aber versagt leider all zu oft.
Android Auto: Der Google Assistent schaltet sich ein – aber versagt leider all zu oft.

Dazu kommen auch ein paar Probleme beim Arbeiten mit den Apps. So kann Google Maps als Navi am Zielort zum Beispiel nach aktuellem Stand keine Parkplätze ansteuern. Auch hierfür müsste man anhalten und von Hand suchen.

Fazit: Bitte Schluss mit den Walled Gardens!

Was für einen gut funktionierenden Sprachassistenten im Auto spricht, brauche ich euch nicht zu erklären: Man kann den Blick stets auf die Straße richten und im Hintergrund Dinge erledigen, wie Mails schreiben, sich Wikipedia-Einträge vorlesen lassen, Anrufe tätigen, Radio streamen… Es ist die einzig sinnvolle Lösung. Machen wir den Anbietern ruhig etwas mehr Druck, damit aus den Spielereien verlässliche Systeme werden!

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3 Kommentare zu “Sprachassistenten im Auto: Es geht doch gar nicht mehr ohne!

  1. „Was für einen gut funktionierenden Sprachassistenten im Auto spricht, brauche ich euch nicht zu erklären: Man kann den Blick stets auf die Straße richten und im Hintergrund Dinge erledigen, wie Mails schreiben, sich Wikipedia-Einträge vorlesen lassen, Anrufe tätigen, Radio streamen.“

    So, kann man das? Musik (wie auch immer) hören, einen nicht allzu wichtigen Anruf – na, ja, geht sicher noch. Aber schon bei einer Mail muß man sich ´n bißchen konzentrieren, wenn sie vernünftig sein soll. Wenn du dann auf der Autobahn mit 150 gemütlich dahinfährst, LKWs überholt und plötzlich zieht einer nach links raus…

    …kannst du hoffentlich schnell genug reagieren, um den nicht abzuschießen. Falls doch, nutzt es wenig, wenn der hinterher alle Schuld bekommt. Zumindest verlierst du viel mehr Zeit, als wenn du angehalten und die Mail im Päuschen geschrieben hättest.
    ——————————–
    Wenn ich zu Hause im TV-Sessel sitze, kann ich oben aufs TV-Bild sehen, unten ist ein iMac, an dem ich im I-Net stöbern oder E-Mails lesen könnte. Falls ich „oben“ einen Film streame, halte ich den aber an, um mich auf „unten“ konzentrieren zu können.

    Bei linearem TV würde ja nichts schlimmeres passieren, als das ich ein Stückchen von Film/News nicht mitbekomme. Aber da sitze ich ruhig und fest im TV-Sessel, den brauche ich nicht runter zu bremsen…

  2. Der Versuch, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, ist doch das eigentliche Problem.

    Es wurde nicht verboten zu telefonieren, sondern das Handy in die Hand zu nehmen. Seitdem gibt es immer wieder Berichte, dass der eigentlich ablenkende Faktor das Gespräch sei. Wer sich mit dem Nachbarn unterhält, wird genauso abgelenkt wie derjenige, der telefoniert (Links habe ich leider nicht zur Hand).

    Deshalb halte ich auch die hier angesprochenen Kampagnen in Niedersachsen für sehr problematisch. Sie sind nicht auf den ersten Blick verständlich, sondern es braucht Zeit und Aufmerksamkeit, sie zu entschlüsseln.

    In diesem Beispiel sind es nur drei Symbole. Es gibt aber auch Kampagnen, wo der doppelte Boden hinter Fotos interpretiert werden muss. Was soll der Diamantring bedeuten? Es wird jemand sehr traurig sein, wenn der/die Verlobte bei einem Unfall stirbt, der durch zu schnelles Verfahren verursacht wurde.

    Die Googles und Apples können jetzt Oberflächen für ihre Smartphones und In-car-Systeme bauen, die leicht zu erfassen sind, sich super mit nur einem Fingertipp oder per Sprache bedienen lassen. Das Grundproblem aber bleibt: die Menschen. Sie wollen während der Fahrt unbedingt etwas anderes erledigen. Und das lenkt ab.

    1. „Der Versuch, mehrere Aufgaben gleichzeitig zu erledigen, ist doch das eigentliche Problem.“

      Nein. Es ist eindeutig der ausbleibende Sichtkontakt. Nichts ist schlimmer, als wenn die Augen nicht auf die Straße gerichtet sind. Etwas nebenher zu hören, zu telefonieren, vielleicht sogar eine E-Mail zu diktieren, sollte zumindest bei gerader Fahrt auf der Autobahn kein Problem darstellen – wenn es sofort funktioniert. Klar, ich sollte hier nicht zu viel auf einmal tun. Aber zumindest eine Tätigkeit neben dem Fahren kann bei langen Fahrten sogar stimulierend gegen die Unterforderung (=Ermüdung) wirken.

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