Mobile Payment in Deutschland: „Bargeldliebe“ ist nicht das Problem

Mobile Payment in Deutschland ist auch ohne eine gemeinsame Plattform wie Google Pay längst möglich. Es ist nur noch nicht überall angekommen. Schuld daran ist aber nicht der vermeintlich bargeldverliebte Deutsche, es liegt an zu hohen Gebühren.

Mobile Payment in Deutschland: „Bargeldliebe“ ist nicht das Problem

Oh nein, nicht schon wieder! Als ich in dieser Woche las, dass die Sparkassen und Volksbanken nicht beim neuen Dienst Google Pay mitmachen wollen, fühlte ich mich in vorsintflutliche Zeiten zurückversetzt. Lieber starten deutsche Großkonzerne also mal wieder eigene Lösungen, die dann wieder nicht zünden. Eine gemeinsame Plattform, die das Mobile-Payment-Entwicklungsland Deutschland voran bringt: zum 37. Male torpediert.

Etwas nüchterner betrachtet, kann man allerdings auch zu einem ganz anderen Schluss kommen. Denn der Wendepunkt beim Thema Mobile Payment in Deutschland ist im Grunde längst erreicht. Und er heißt: „Karte vorhalten“.

Mobile Payment? Geht doch längst!

In den vergangenen Jahren haben die Anbieter von EC- und Kreditkarten still und heimlich mit einer cleveren Mobile Payment-Revolution begonnen. Sie haben zunächst normale Kartenterminals in Geschäften durch NFC-fähige Terminals ersetzt und danach die Verbraucher mit passenden Karten ausgestattet.

In sehr vielen Geschäften in Deutschland kann man heute Kleinbeträge bis 25 Euro einfach bezahlen, indem man die Karte vorhält. Keine PIN-Eingabe, keine Unterschrift notwendig. Mobile Payment ganz ohne und viel schneller als mit dem Smartphone. Auch ihr besitzt mit hoher Wahrscheinlichkeit längst eine Karte, mit der das möglich ist.

Vielleicht sogar ohne es zu wissen, denn besonders viel Werbung wird für diese Möglichkeit in Geschäften nicht gemacht. Das liegt aber nicht am bargeldverliebten Deutschen, wie Banken und Kreditkartenanstalten immer wieder gerne monieren. Es liegt an Gebühren.

Für den Kiosk um die Ecke zu teuer

Als ich vergangenen Sommer auf meiner Reise durch Nordeuropa von Schweden kommend ein paar Tage in Finnland halt machte, wollte ich nicht schon wieder Bargeld in einer anderen Währung abheben. Ich bezahlte morgens meinen Kaffee und mein Brötchen deswegen mit Kreditkarte und PIN, bis die Verkäuferin einmal halb genervt auf die „Karte vorhalten“-Möglichkeit hinwies: „Schauen Sie mal, ich zeig Ihnen was!“. Das Aha-Erlebnis, das ich in dem Moment hatte, nahm ich mit durch meine weiteren Reisestationen Norwegen, Russland, Baltikum und Polen – wo ein Bezahlen auf diese Weise fast (!) überall inzwischen gängig ist.

In Deutschland nicht. Und das aus dem einfachen Grund, dass Banken und Kreditkartenhäuser für jede noch so kleine Transaktion üppige Gebühren verlangen, weit mehr als vielfach im europäischen Ausland. Sprich: Mein Kiosk-Besitzer um die Ecke zahlt kräftig drauf, wenn ich mein Snickers dort mit „Karte vorhalten“ oder Google Pay bezahlen wollte. Folglich schafft er sich ein passendes Verkaufsterminal gar nicht erst an und verlangt weiter Barzahlung.

Google Pay Werbung
Google Pay bietet sich als gemeinsame Plattform für Mobile Payment an, doch kaum eine große Bank in Deutschland zieht bisher mit.

Und schon haben wir ein Henne-Ei-Problem. Als Deutsche oder Deutscher weiß man, dass man in vielen Geschäften nur bar bezahlen kann. Deswegen schleppt man ein großes Kontingent an Bargeld immer mit sich herum. An Fortschrittsfeindlichkeit liegt das allenfalls bedingt. In immer mehr zumindest größeren Kaufhäusern und Ketten in Deutschland kann man mit „Karte vorhalten“ längst bezahlen. Probiert es einfach mal aus – wenn ihr es aushaltet, dass andere Kunden euch dann komisch angucken. 😉

Bezahlen mit dem Smartphone für Kostenkontrolle

Ein Schritt, der in der Tat dabei noch fehlt, heißt: Kostenkontrolle. Wenn ich einen Monat lang nur noch mit „Karte vorhalten“ bezahle, beim Bäcker, im Supermarkt, im Elektronikwarenhaus, dann kann ich schon einmal die Übersicht verlieren, wie viel ich eigentlich insgesamt bezahlt habe und wofür.

Darauf wollen die Volksbanken und Sparkassen mit ihren bald startenden neuen Apps aufsetzen, genauso wie Google Pay. Man soll auch mobil bezahlen können, indem man das Smartphone an das Lesegerät hält. Höhere Beträge als 25 Euro sollen möglich sein – bestätigt etwa über den Fingerabdrucksensor des Smartphones. Vor allem aber soll man damit die Kostenkontrolle behalten.

Der Nutzer erhält auf Wunsch täglich, wöchentlich und monatlich eine Zusammenfassung, was er alles bezahlt hat und wofür. Und ganz ehrlich: Wenn ich mein Konto bei der Volksbank habe, warum sollte ich da lieber die App des neugierigen Google verwenden? Da nützt mir die Volksbank-App doch weit mehr.

Eine gemeinsame Plattform für Mobile Payment wäre zwar auch nicht schlecht, könnte Werbeeffekte nutzen und die Angst weiter abbauen. Ihr Fehlen ist aber nicht der Hauptgrund, warum sich das mobile Bezahlen in Deutschland so schwer tut. Das liegt schlicht und ergreifend mal wieder an den Kosten.

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