Ciao Twitter! Drei Alternativen getestet

Du magst Micro-Blogging, hasst aber den toxischen Umgang auf Twitter? Im Test waren wir von zwei Kurznachrichtendiensten ernüchtert – und von einem Kunstprojekt angenehm überrascht.

Ciao Twitter! Drei Alternativen getestet

Elon Musk kauft den Kurznachrichtendienst Twitter. Und der als exzentrisch geltende Milliardär will das soziale Netzwerk nach der Akquise auf links drehen. Ganz oben auf Musks Agenda steht dabei das Wort „Meinungsfreiheit“ – was Musk davon hält, ist einschlägig belegt. Manchmal möchte man den Reset-Knopf drücken und alle seine Tweets löschen. Doch das löst das Hauptproblem nicht: Twitter ist anstrengend und voll mit toxischen Inhalten.

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Viele Twitter-User sehen sich deshalb bereits nach Alternativen um. Und ja, es gibt andere Plattformen, die ähnlich wie Twitter funktionieren. Die schauen wir uns hier an, und gleich vorweg: So einfach wird der gleichwertige Ersatz Twitters nicht.

  1. Mastodon
  2. Counter Social
  3. Minus

Mastodon: Die unkaputtbare Bubble

Suchst du im Netz nach Twitter-Alternativen, sollte dir auffällig häufig der Name Mastodon begegnen. Wir haben die App vor beinahe fünf Jahren ausprobiert und waren anno dazumal ernüchtert. Aber halt! Dass das alternative Netzwerk bis heute durchgehalten hat, ist schon einmal aller Ehren wert.

Das Open-Source-Projekt Mastodon ist in vielerlei Hinsicht das Anti-Twitter – positiv wie negativ. Als Pluspunkte verbucht das dezentrale Netzwerk einen hervorragenden Datenschutz. Mastodon verfolgt keine kommerziellen Absichten und ist daher wenig daran interessiert, etwas über euch herauszufinden. Alle Daten bleiben bei dir und du hast jederzeit den vollen Einblick in das, was Mastodon über dich weiß.

Desktop-Version und die Apps für Android (im Google Play Store zu finden) oder iOS (auf iTunes) haben eines gemeinsam: Sie sind kompliziert zu bedienen und frustrieren Neueinsteiger anfangs. Mastodon baut mit dir zusammen nämlich eine muckelige Wohlfühl-Bubble, aus der du nur schwer ausbrechen kannst.

Die Twitter-Alternative Mastodon in der Desktop-Ansicht

Für mich war und ist es schön, die „Tröt“ genannten Posts von maximal 500 Zeichen Länge von Konten meines Wohnorts Dresden in der Timeline zu sehen. So weiß ich, was Talk of the Town ist – zumindest aus Piratenpartei- und Fridays-for-Future-Sicht, die erstaunlich prominent vertreten sind. Meine Bubble endet jedoch faktisch an der Stadtgrenze, weil Mastodon mich darauf beschränkt. Nicht so cool.

Will man – oder willst du – über diese Bubble hinaus weitere Mastodon-Konten folgen, ist das eine aufwendige Friemelei. Ob sich die lohnt, musst du für dich entscheiden. Es gibt nicht viele prominente Mastodon-Accounts (aber immerhin sind El Hotzo und Jan Böhmermann dabei) und reichweitenstarke Kanäle wie die Tagesschau sind nur als Bot an Bord, die Tweets nach Mastodon spiegeln.

Wie viele Mastodon-Mitglieder aktiv sind, lässt sich nur abschätzen. Meine Vermutung: Es sind nicht viele, die Schlagzahl an Posts ist niedrig, die Interaktionsrate ebenfalls gering. Aber das könnte sich in absehbarer Zeit ändern, denn Mastodon umweht gerade ein Hype; die Nutzerzahlen steigen.

Mastodon verschleppt Probleme

Mit den Kritikpunkten wie kleine Bubble und wenig bekannten Nutzern kämpft Mastodon seit knapp fünf Jahren und es ist unwahrscheinlich, dass sich über Musks Twitter-Kauf ausgerechnet dieses Netzwerk der Kritikpunkte entledigt.

Was Mastodon dem Vorbild Twitter voraus hat, ist der unaufgeregte Umgang der User untereinander. Sie berichten über Alltag, Probleme oder Wissenswertes – und das ganz ohne Polemik, überzogenen Zynismus oder Hasssprache. Über allem schwebt eine Wolke der federleichten, sonnendurchfluteten Heimeligkeit, während auf Twitter viele User alles nur noch in deprimierendes Schwarzbunt tauchen.

Paradoxerweise sieht Mastodon die Twitter-Kontroversen jüngster Zeit nicht als Chance, für sich zu werben. Stattdessen wächst die Sorge um Twitter-„Überläufer“, die das Netzwerkklima verschlechtern könnten. Denn – so der Tenor vieler Konten – Mastodon müsse weiterhin ein freies, nicht an Profit interessiertes soziales Netzwerk bleiben. Das Anti-Twitter, das einen Blick wert ist – und zeigt, was ein soziales Miteinander im Netz auszeichnet. Nur nehmen viel zu wenige daran teil, weshalb Mastodon nach wie vor wie ein Nischen-Experiment wirkt.

Counter Social: Trolle müssen draußen bleiben

Keine Trolle, kein Missbrauch, null Werbung, keine Fake-News und kein ausländischer Einfluss auf das eigene Netzwerk. Alles, was man durchaus an Social Media kritisieren kann (und sollte!) findet auf Counter Social nicht statt.

News, Wetter, eine Wartungsübersicht, Feeds und vieles mehr – Counter Social ist die eierlegende Wollmilchsau unter den Social Medias.

Das hat deutliche Folgen für den Zugriff auf dieses Netzwerk. Accounts aus Russland, China, dem Iran, Nordkorea, Syrien und Pakistan samt ihrer über 100.000 bekannten Proxys blockiert Counter Social rigoros und monitort dafür auch das Netz. Die Begründung für diese Totalblockade ist in einem FAQ zusammengefasst. Man wisse um die Gefahren sogenannter Troll-Fabriken und der massiven Desinformationskampagnen. Ein Mittel des Cyberwar, wie wir seit Lennart Maschmeyers Besuch in unserem Trendcast wissen.

Counter Social basiert augenscheinlich auf dem Open-Source-Code von Mastodon und hat dessen technische Möglichkeiten kräftig aufgebohrt. Neben den 500-Zeichen-Posts kannst du Nachrichten lesen, Videokonferenzen starten, sogenannte COSO-Gruppen zusammenstellen und immer einen Blick auf den Zustand des dezentralen Netzwerks werfen, einschließlich der erfolgreichen Blockierungen von Troll-Accounts. Englischsprachige Nachrichtenkanäle sind mit ihren Feeds ebenfalls vertreten, weshalb Counter Social oft wie ein überfrachtetes News-Portal wirkt. Dass das Netzwerk außerdem an einem eigenen Metaverse arbeitet, festigt den Eindruck, dass dieser Dienst sich in Nebenschauplätzen verirrt.

Kein Scherz: Counter Social will auch ein Metaverse etablieren.

Dabei ist das konstruktive Feedback zahlreicher Reviews kaum zu überhören. Funktionen ausdünnen, Design und Bedienung zugänglicher gestalten und so die Schwelle für neue User absenken, sich bei Counter Social anzumelden. Wäre erst einmal eine kritische Masse erreicht , wäre dieser Troll- und werbefreie Kurznachrichtendienst eine ernsthafte Twitter-Alternative. Der Weg bis dahin ist aber noch weit.

Counter Social kannst du als browserbasierte Anwendung, als Android-App (aus dem Google Play Store) und auf deinen Apple-Geräten (via iTunes) erleben.

Minus: 100 Posts für ein ganzes Leben

Wir twittern und schreiben uns in sozialen Netzwerken die Daumen wund. Ohne groß nachzudenken, teilen wir allerlei Gedankenfetzen, Erlebnisse, Emotionen und (sehr häufig) Belangloses. Der US-Künstler Ben Grosser hat zu dieser Vielschreiberei einen radikalen Gegenentwurf konzipiert: das browserbasierte Minus. Auf diesem Mikroblogging-Dienst hast du exakt 100 Posts für dein gesamtes Leben zur Verfügung – einmal aufgebraucht, kannst du keine weiteren Nachrichten absetzen.

Minus ist minimalistisch designt – und unterstreicht seinen Ansatz, in 100 Posts möglichst nur Wichtiges zu posten.

Die Idee ist also, ganz genau zu überlegen, was du mit der Netzwelt teilen möchtest. Es gibt keine Likes und keine Followerzahlen. Somit steht allein die Message im Fokus. Ausgenommen von der 100-Nachrichten-Regel sind Antworten auf abgesetzte Minus-Posts. Bestenfalls ist dein durchdachter Post zum Ausgangspunkt einer echten, konstruktiven Unterhaltung zwischen Usern. Das kommt der eigentlichen Idee eines sozialen Netzwerks verdammt nahe.

Hier geht es zu Minus.

Fazit: Eine echten Twitter-„Killer“ gibt es nicht

Ob Mastodon, Counter Social oder Minus – die Twitter-Alternativen können dem großen Vorbild kaum das Wasser reichen. Trotz vergifteter Debatten, viel überzogener Polemik, unzähligen Troll-Accounts und nicht zuletzt der Musk-Übernahme bleibt Twitter auf absehbare Zeit der reichweitenstärkste und somit relevanteste Mikroblogging-Dienst. Aber wer weiß? Vielleicht rüttelt Musks Milliardenkauf die Netzgemeinde wach und schafft endlich einen Gegenpol. Dem Gesprächsklima in Social Medias wäre es zu wünschen.

Unter den drei vorgestellten Alternativen empfehle ich dir, vor allem einen Blick auf Minus zu werfen und das Kunstprojekt von Ben Grosser unbedingt auszuprobieren! Denn dort geht es nicht um Klick- und Followerzahlen, nicht um Belangloses – sondern die Erzählung des eigenen Lebens in gerade einmal 100 Posts.

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