Bluetooth Channel Sounding: So funktioniert die zentimetergenaue Ortung

Bluetooth 6.0 führt eine neue Technologie ein, die eine erstaunlich präzise Entfernungsmessung erlaubt. Bluetooth Channel Sounding ist technisch interessant und bietet viele Vorzüge.

Bluetooth Channel Sounding: So funktioniert die zentimetergenaue Ortung
Brauchen wir in Zukunft noch Tracker wie den Samsung SmartTag2? (Foto: Samsung)

Auf der IFA 2024 präsentierte die Bluetooth-Dachorganisation SIG den neuesten Bluetooth-Standard 6.0, der die aktuelle Version Bluetooth 5.4 bereits in den kommenden Monaten nach und nach ablösen dürfte. Bluetooth 6.0 umfasst unter anderem die neue Technologie Channel Sounding, die künftig in sehr vielen Smartphones, aber auch anderen (mobilen) Geräten zum Einsatz kommen könnte. Wozu? Unter anderem, um verloren geglaubte Gegenstände zu finden oder gar das Auto zu öffnen.

Wie funktioniert Bluetooth Channel Sounding?

Die Grundidee von Bluetooth Channel Sounding ist es, dass sich zwei Geräte mit einer sehr hohen Genauigkeit gegenseitig finden können. Dazu setzt die Technologie auf zwei bereits etablierte Entfernungsmessmethoden: Bei der phasenbasierten Entfernungsmessung (PBR) sendet zum Beispiel ein Smartphone ein Signal an ein anderes Telefon, das dieses zurücksendet. Der Vorgang wiederholt sich mit unterschiedlichen Frequenzen mehrfach. Basierend auf den so gewonnenen Daten erfolgt die Berechnung der exakten Entfernung zwischen beiden Geräten über die Phasendifferenz.

Mit Bluetooth Channel Sounding findest du schneller Dinge -  nicht nur in der Wohnung. (Foto: SIG)
Mit Bluetooth Channel Sounding findest du schneller Dinge – nicht nur in der Wohnung. (Foto: SIG)

Hinzu kommt die sogenannte Round-Trip-Time (RTT) zur zweiten Entfernungsmessung. Bei dieser sendet das eine Telefon ein kryptografisch verschlüsseltes Datenpaket an das andere. Basierend auf der Zeit, die ein solches Paket für den Hin- und Rückweg braucht, ist eine Berechnung der Entfernung möglich. Zugleich kann Bluetooth 6.0 bzw. Channel Sounding eine sichere Datenübertragung (und Schutz vor Man-in-the-middle-Attacken) gewährleisten.

Vereinfacht ausgedrückt und für uns Laien vermutlich auch spannender: Es soll mit Channel Sounding möglich sein, zum Beispiel verloren geglaubte Smartphones oder Schlüssel zentimetergenau zu finden – und das ohne zusätzlich nötige Hardware.

Macht Channel Sounding Airtags überflüssig?

Seit geraumer Zeit erfreuen sich digitale Schlüsselfinder größerer Beliebtheit. Es fing unter anderem mit Lösungen des Herstellers Tile an, für Bekanntheit sorgten vor allem Apple AirTag und Samsung SmartTag. Kleine, unauffälliges Gadgets hängst du an deinen Auto- oder Haustürschlüssel – über das Smartphone kannst du diese orten.

Braucht es in Zukunft noch Airtags? (Foto: Apple)
Braucht es in Zukunft noch Airtags? (Foto: Apple)

Während die günstigen Schlüsselfinder auf der einfachen und sehr unpräzisen Bluetooth-Funktion RSSI (Received Signal Strength Indicator) aufbauen, sind die teureren Schlüsselfinder mit UWB-Chips ausgestattet. Diese verlassen sich auf Ultrabreitband-Frequenzen. Das Problem: UWB-Chips sind relativ teuer und müssen sich in jedem Device befinden, was du orten möchtest – also zum Beispiel auch deinen Laptop, das Telefon oder deine Smartwatch.

Als Bestandteil von Bluetooth 6.0 könnte Channel Sounding in künftigen Smartwatches und anderen mobilen Geräten komplett UWB-Chips ersetzen bzw. eine sehr genaue Ortung möglich machen. Schlüsselfinder könnten theoretisch sogar günstiger werden, da sie über keine komplexe Hardware mehr verfügen müssten – es genügt an sich ein Bluetooth-6-fähiges Funkmodul, das (verschlüsselt) Daten senden und empfangen sowie relevante Berechnungen ausführen kann.

Aber: Bisher ist nur UWB in der Lage, die konkrete Richtung darzustellen, wo sich ein Tracker oder z.B. das Telefon mit UWB-Chip befindet. Dazu ist Channel Sounding zumindest technisch gesehen (noch) nicht fähig. Heißt also auch: UWB könnte in Zukunft weiterhin eine Rolle spielen – für diejenigen, die es besonders genau wünschen oder brauchen. Für alle anderen könnte aber Channel Sounding vollkommen genügen. Vor allem, wenn es bereits in vielen Geräten integriert ist und den Kauf eines zusätzlichen Trackers überflüssig macht.

Aktueller Stand der Entwicklung

Zwar ist Channel Sounding bereits fester Bestandteil der Bluetooth-6-Spezifikationen, doch bisher gibt’s keine Smartphones oder anderen Geräte mit integriertem Bluetooth 6. Das dürfte sich mit den kommenden Prozessor-Generationen ändern, möglicherweise erwarten uns spätestens zum Herbst 2025 schon erste Telefone mit entsprechenden Chips von MediaTek, Qualcomm und Co.

Ein weiteres Problem ist, dass auch Hersteller mobiler Endgeräte die Möglichkeiten von Channel Sounding integrieren müssen – also zum Beispiel Samsung. Die Koreaner arbeiten unter anderem mit dem Hamburger Unternehmen Lambda 4 zusammen, um die Technologie in kommende Smartphones zu integrieren. In einem aktuellen Demonstrations-Video ist zu sehen: Eine Ortung auf 10 Zentimeter Genauigkeit klappt tadellos. Das ist ähnlich gut wie bei UWB-basierten AirTags oder SmartTags.

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Praktisch soll eine Ortung auf 30 Zentimeter genau sein. Über eine Entfernung bis 150 Meter sollst du Gegenstände so finden können.

Möglichkeiten von Channel Sounding

Freilich soll es nicht nur darum gehen, das eigene Smartphone oder einen Schlüssel mit passenden Bluetooth-Tracker schnellst- und bestmöglich zu finden. Es geht um alle Geräte, die über Bluetooth (6.0) verfügen könnten, also auch Kopfhörer und In-Ears, mobile Lautsprecher, Notebooks, Uhren, Game-Controller und viele andere Dinge dürften sich mit Channel Sounding finden lassen. Vorausgesetzt, die Geräte unterstützen die neueste Bluetooth-Version und grundsätzlich diese neue Funktion.

Auch Schlösser sollen sich leichter öffnen lassen. (Foto: SIG)
Auch Schlösser sollen sich leichter öffnen lassen. (Foto: SIG)

Fokus sind ganz klar die „Find My“-Lösungen zum schnelleren und einfacheren Finden verloren geglaubter Kostbarkeiten. Darüber hinaus soll Channel Sounding auch bei digitalen Schlüsseln Verwendung finden, also bei Autoschlüsseln, Fahrradschlössern, Tresoren oder smart gesteuerten Türen und Toren. Smarte Schlüssellösungen, bei denen sich zum Beispiel eine Tür selbständig entriegelt, sobald du ihr mit deinem autorisierten Smartphone näherkommst, sind so kein Problem – und sicher.

Channel Sounding wird vermutlich eine größere Rolle spielen, als du aktuell denkst. Denn die Technologie ist dazu in der Lage, dass sich beispielsweise schnurlose Tastaturen, Mäuse oder Gamepads automatisch abschalten, wenn diese zu weit vom Rechner oder von der Spielkonsole entfernt sind. Kommen sich die Geräte näher, aktivieren sie sich und sind bereit zur Verwendung. Vor allem im Bereich „Komfort“ erwarten uns noch viele spannende Spielereien.

Einen Haken hat die Sache aber: Voraussetzung ist immer, dass die Geräte Bluetooth 6.0 besitzen. Nachrüsten ist auch nicht via Software-Update möglich. Das heißt also, um in den Genuss von Channel Sounding kommen zu können, ist der Kauf neuer Geräte nötig. Erwirbst du im Jahresverlauf oder 2026 etwas Neues, könnte Bluetooth Channel Sounding schon mit von der Partie sein.

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