These: Niemand braucht heute noch eine Kompaktkamera

Kompakte Digitalkameras. Vor ein paar Jahren besaß sie vermutlich jeder. Und heute? Braucht sie niemand mehr, weil Schnappschüsse mit dem Smartphone geknipst werden. Oder?

These: Niemand braucht heute noch eine Kompaktkamera

Vor ein paar Wochen entdeckte ich auf einem Gartenzaun eine uralte, herrenlose Digitalkamera. Die Fuji FinePix A310 war vor 13 Jahren tatsächlich einer meiner Kaufkandidaten, ich entschied mich damals für ein Konkurrenzmodell von Olympus. Da die A310 offenbar unbedingt mitgenommen werden wollte, schnappte ich sie mir, kaufte mir für ein paar Euro ein USB-Kabel und eine kleine Speicherkarte bei einem Online-Auktionshaus und belebte das gute Stück wieder. Tatsächlich: Nach all den Jahren funktioniert die Kompaktkamera tadellos, die Ergebnisse – nunja, kaum der Rede wert. Denn bereits mein iPhone 4 konnte vor zig Jahren bessere Resultate erzeugen.

Schon bei schlechteren Lichtverhältnissen kommen alte Digicams ins Schwitzen. (Foto: Sven Wernicke)
Schon bei schlechteren Lichtverhältnissen kommen alte Digicams ins Schwitzen. (Foto: Sven Wernicke)

Spielerei. Aber auch mehr?

Für mich sind Kompaktkameras mittlerweile so etwas wie Retro-Spaß. Ich entdecke gerade die Analogfotografie wieder, aber auch das Fotografieren mit antiquierten Digitalkameras ist witzig und spannend. Mein Experiment mit einer Sony Cybershot DSC-T100 vor über einem Jahr war schon spaßig und aufschlussreich. Ich kaufte mir sogar eine Gameboy Camera für meinen über 25 Jahre alten Gameboy, schließlich gehört sie zu den ersten Digitalkameras für Konsumenten, die auch bezahlbar waren.

Am Schluss aber komme ich immer wieder auf mein mittlerweile auch schon zwei Jahre altes Smartphone zurück, wenn’s um Schnappschüsse und durchaus auch mal ambitioniertere Werke geht. Stichwort Bokeh, das bei meinem Galaxy S6 Edge „selektiver Fokus“ genannt wird und in die gleiche Richtung schielt. Der optische Zoom, seit jeher eine Stärke der Kompaktkameras, ist für mich lange schon kein Argument mehr. Klar, der digitale Zoom der Mobiltelefone ist unbefriedigend. Aber dann verzichte ich eben auf diesen. Und sonst? Bei Auslösezeiten, Megapixel-Werten, Sensoren und was auch immer sind die kleinen Cams aus den Smartphones schon an einem Punkt angelangt, bei dem ich keine Gedanken mehr daran verschwende, dass sich doch auch bei den Kompaktkameras die letzten Jahre etwas verbessern haben könnte.

Kompaktkameras und der hohe Preis. Extrembeispiel: Coolpix W300

Meine kleine Erkenntnis: Ich vergleiche aktuelle Smartphone-Kameras mit meinen Erfahrungen und Erlebnissen von alten Kompaktkameras. Vermutlich bin ich damit nicht alleine. Wir sehen keine Notwendigkeit mehr, uns eine neue Digicam zu kaufen, die wir immer in der Hosentasche tragen. Dort steckt ja das Handy drin, das längst ausreicht. Und ich muss zugeben: Als ich letztens die Ankündigung der Coolpix W300 von Nikon sah, dachte ich auch zuerst: „Wer sollte die sich kaufen?“. 469 Euro will der Hersteller für eine Kamera haben, für das ich schon Vorjahres-Highend-Smartphones mit tollen Sensoren oder gar Dualkamera bekommen würde. Und ein Telefon ist zudem sehr viel flexibler als so eine Knipse, auch wenn die W300 schick aussieht und bis 30 Meter wasserdicht ist, sowie einen Fall aus 2,4m Höhe ohne Schaden übersteht. Das würde ich keinem Smartphone zutrauen.

Schon schick. Aber der Preis? Und kann sie echt mehr? (Foto: Nikon)
Schon schick. Aber der Preis? Und kann sie echt mehr? (Foto: Nikon)

Sicher: Die Coolpix W300 ist ein Extrembeispiel, da sie für Outdoor-Aktivitäten ausgelegt ist, Nikon also dringend ein Alleinstellungsmerkmal gesucht hat, um auf die Kompaktkamera aufmerksam zu machen. Wahrscheinlich ist das Gerät auch technisch auf der Höhe der Zeit: Videos in 4K UHD mit Time- und Superlapse aufnehmen, 5-fach optischer Zoom, 16 Megapixel, optischer Bildstabilisator, Bedienung mit Handschuhen, intelligenter Autofokus – das klingt klasse. Und trotzdem denkt mein Kopf an die alten Digicams zurück und glaubt nicht, eine brandneue brauchen zu müssen. Das Smartphone ist doch gut genug. Davon abgesehen ist der Preis in meinen Augen indiskutabel, da ihr hierfür ja schon fast Systemkameras oder Einsteiger-Spiegelreflex-Kameras bekommt, die qualitativ zweifelsohne in einer anderen Liga angesiedelt sind.

Veraltetes Image?

Ich glaube langsam, die letzten Kompaktkameras kämpfen mit einem Imageproblem. Sie wurden über die Jahre von den Smartphones abgelöst, der Konsument vermutet, in dem Bereich hätte sich kaum etwas getan. Übrig bleibt eventuell eine Zielgruppe, die vor 15 Jahren für den Urlaub eine solche Kamera kaufte und sich noch immer nicht an Smartphones herangewagt hat. Die 50+-Generation womöglich? Behaupte ich jetzt einmal frech.

Zugegeben: Die Coolpix W300 reizt mich durchaus. Auch, um herauszufinden, wie sich die Technik in diesem Sektor verändert hat. Und ein Blick auf aktuelle Produkte von Canon, Panasonic oder Sony zeigt, dass die Zeit eben nicht stehengeblieben ist, obwohl sich dieses Gefühl im Hirn manifestiert hat.

Eure Meinung? Braucht ihr noch eine Kompaktkamera? Wenn ja, wieso und wofür? Ich freue mich über Kommentare.

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